Die ungarische Regierung hat per Eilverfahren die Pride-Parade mit Bezug auf das „Kinderschutzgesetz“ verboten. Teilnehmer:innen drohen hohe Bußgelder. Oppositionelle und Organisator:innen der Pride wollen sich dem Verbot widersetzen.
Am Dienstag ist im ungarischen Parlament per Eilverfahren die jährliche Pride-Parade verboten worden. Der Antrag wurde von Präsident Orbans faschistischer Fidesz-Partei eingebracht. Diese begründet das Verbot mit „Kinder- und Jugendschutz“.
Die entsprechende Ergänzung zum Versammlungsgesetz benennt die Pride-Parade zwar nicht direkt, jedoch wird beschrieben, dass das Versammlungsgesetz das „Kinderschutzgesetz“ nicht aussetzten dürfe. Seit 2021 verbietet das sogenannte „Kinderschutzgesetz“ den Zugang zu Informationen in Sachen Homo- und Bisexualität sowie Transgeschlechtlichkeit.
Repression gegen queere Menschen – auch in Deutschland
Mit dem Gesetz wird die queere Community in Ungarn nicht nur kriminalisiert und eingeschüchtert. Die ideologische Bekämpfung wird auch durch homofeindliche Narrative wie der gesetzlichen Gleichstellung von Homosexualität und Pädophilie verbreitet.
Auch gegenüber Frauen gab es in den vergangenen Jahren eine repressivere Politik, beispielsweise in Bezug auf Schwangerschaftsabbrüche. Zum einen definiert die Regierung seit einer im Jahr 2012 in Kraft getretenen Verfassungsänderung das „Leben des Fötus ab dem Moment der Zeugung“ als existent. Ungewollt Schwangere müssen sich vor dem Schwangerschaftsabbruch die Herztöne ihres Embryos anhören und sich dies von Ärzt:innen bescheinigen lassen.
Auch in Deutschland wird sich bald eine neue Bundesregierung unter Friedrich Merz (CDU) bilden, bei der vermutlich ebenfalls mit der Einschränkung von hart erkämpften Rechten eines legalen und sicheren Schwangerschaftsabbruchs zu rechnen ist. Die CDU kündigte in diesem Zusammenhang bereits an, das neue Selbstbestimmungsgesetz wieder rückgängig machen zu wollen. Wie wenig Freiheit die Gesetzesänderung aber wirklich beinhaltet hat, wird jedoch bereits daran klar, dass im Kriegsfall weiterhin das zu Geburt angegebene Geschlecht zählen soll.
Organisator:innen wollen Pride-Parade trotzdem abhalten
Die Teilnahme an der ungarischen Pride-Parade soll zukünftig als Ordnungswidrigkeit und umgerechnet 500€ – was etwa dem monatlichen Mindestlohn entspricht – bestraft werden. Dazu soll auch Gesichtserkennungs-Software eingesetzt werden, um die Teilnehmer:innen zu identifizieren und das Gesetz und die Strafen umzusetzen.
Tamás Dombos von der Háttér Society sieht darin ein Ablenkungsmanöver von den eigentlichen Problemen im Land: „Es ist eine sehr verbreitete Strategie autoritärer Regierungen, nicht über die wirklichen Probleme zu sprechen, von denen die Menschen betroffen sind: die Inflation, die Wirtschaft, der katastrophale Zustand von Bildung und Gesundheitswesen.“
Ungarische Oppositionelle im Parlament protestierten während der Abstimmung lautstark und zündeten Rauchbomben. Zusätzlich verkündeten der Budapester Bürgermeister und die Organisator:innen, die Pride-Parade trotzdem abhalten zu wollen.
Der Sprecher der Budapest Pride, Jojó Majercsik, erklärte: „Es ist neu im Vergleich zu den Angriffen der letzten Jahre, dass wir viele Nachrichten und Kommentare von Menschen erhalten haben, die sagen: ‚Bis jetzt bin ich nie zu Pride gegangen, es war mir egal, aber dieses Jahr werde ich dabei sein und meine Familie mitbringen.‘“
Inhaftierte Antifaschist:in Maja in Budapest
Zeitgleich wird die nicht-binäre Antifaschist:in Maja in Ungarn unter menschenunwürdigen Bedingungen in Einzelhaft gesteckt – mit der Begründung, Maja gegen queerfeindliche Angriffe im Gefängnis schützen zu wollen.
Maja wird vorgeworfen, am Rande des faschistischen Aufmarschs zum sogenannten „Tag der Ehre” in Budapest Faschist:innen militant angegriffen zu haben. Der Tag der Ehre wird übrigens mit EU-Geldern vom Kultusministerium Ungarns mitfinanziert.
Europaweite Angriffe auf Versammlungsfreiheit
Solche massiven Einschränkungen der Grundrechte überraschen vielleicht nicht in Ungarn, aber sie zeigen eine neue Qualität im Durchgreifen des Staats. Massive Eingriffe in die Grundrechte sind aber auch in Deutschland zu beobachten. Seit Februar herrscht z.B. in Berlin auf Palästina-Demos das Verbot, in einer anderen Sprache außer Deutsch und Englisch zu sprechen oder zu rufen.
Weitere Angriffe auf die Versammlungsfreiheit wurden zuletzt auch bei den Anti-Regierungs-Protesten in Serbien beobachtet. Dort hatte die Polizei mutmaßlich Schallkanonen eingesetzt, um die Demonstrierenden auseinander zu treiben.
Serbien: Hunderttausende protestieren gegen Regierung – Polizei nutzt Schallwaffen