Der nicht-binären Person Maja wird vorgeworfen, am „Tag der Ehre“ ungarische Faschist:innen überfallen und verletzt zu haben. Am Donnerstag fand der erste Prozesstag statt. Dieser wurde auch von ungarischen Faschist:innen besucht.
Vor dem Budapester Gerichtshof tritt eine Personengruppe an, mehrheitlich Männer. Die Fahnen, die in der ersten Reihe getragen werden, sind die zweier ungarischer faschistischer Organisationen. Ein Omega-Zeichen vor einem roten Kreuz verweist auf die HVIM (Jugendbewegung 64 Komitate), ein Totenkopf auf die Betyársereg (in etwa: Banditenarmee). Auch die Légio Hungaria ist laut dem Bericht einer ungarischen Zeitung zum ersten Prozesstag der nicht-binären Antifaschist:in Maja erschienen.
Sie wollten sich für die „Opfer“ einsetzen, die 2023 angeblich von Maja und anderen Antifaschist:innen „brutal angegriffen“ worden seien, heißt es in der faschistischen Zeitung Magyar Jelen. Eines der vermeintlichen „Opfer“ ist Lipták Tamás Pál, ehemaliger Leiter der HVIM, heute prominentes Mitglied der Légio Hungária.
Die HVIM hatte 2015 ein Freiwilligenbataillon gegründet, das Geflüchtete und Migrant:innen von der ungarischen Grenze verjagen sollte. Die Légio Hungária wiederum organisiert den „Tag der Ehre“ mit. 2019 vandalisierte sie dabei auch ein Kulturzentrum, in dem unter anderem Gruppen jüdischer und LGBTI Aktivist:innen Treffen abhalten.
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Vorwürfe gegen Maja und unmenschliche Haftbedingungen
Am „Tag der Ehre“ im Februar 2023 soll Maja als Teil einer Gruppe Faschist:innen mit Teleskopschlagstöcken angegriffen und verletzt haben. Im Dezember 2023 wurde Maja in Berlin verhaftet und im Juni 2024 nach Ungarn ausgeliefert. Das Bundesverfassungsgericht erklärte die Auslieferung kurz darauf für rechtswidrig.
Dennoch verbringt Maja seitdem die Zeit in unmenschlichen Haftbedingungen – darunter 23 Stunden Isolation pro Tag, ununterbrochene Videoüberwachung und auch nachts stündliche Kontrollen in der Zelle, sowie das Vorenthalten von Lebensmitteln und Hygieneprodukten.
Die ungarische Staatsanwaltschaft fordert eine Haftstrafe von 24 Jahren, 14 Jahren bei Geständnis. Ein Deal, den Maja in einer Erklärung zum Prozess ablehnt: „Sehr geehrte Staatsanwaltschaft, seien sie doch so ehrlich, sie hoffen mich hungert die Isolation aus und erzwingt ein Urteil ohne Gerichtsprozess.“
Bereits bei der Vorverhandlung zum Prozess wurde Maja mit Fußfesseln, Handschellen, und einer Leine um den Oberkörper vorgeführt. Auch zum ersten offiziellen Prozesstag wurde Maja ungarischen Medien zufolge erneut in Handschellen und von Spezialeinheiten in den Gerichtssaal eskortiert.
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Maja beklagt Verhinderung der Vorbereitung auf Prozess
Wie am Prozessauftakt waren auch dieses Mal Unterstützer:innen anwesend, um Maja ihre Solidarität zu bekunden. Anwesend waren aber auch Mitglieder der Betyársereg, sowie György Budaházy – ein wegen Terroranschlägen verurteilter Faschist, der 2023 von der ungarischen Präsidentin begnadigt wurde.
Maja wies zum Auftakt der Verhandlung erneut daraufhin, dass ihr in den letzten acht Monaten keine Gelegenheit gegeben wurde, sich auf das Verfahren vorzubereiten. Nicht nur würden Maja die unmenschlichen Haftbedingungen an der Teilnahme am Prozess hindern. Auch hätten die Ermittlungsakten nicht in deutscher Übersetzung eingesehen werden können. Der Richter widersprach der Aussage.
Ähnliches wurde bereits in der Vorverhandlung verkündigt. Wie deutsche Antifaschist:innen, die an der Vorverhandlung teilgenommen hatten berichteten, behauptete dort die Staatsanwaltschaft, dass weit mehr als 10% der Unterlagen in Übersetzung zur Verfügung gestanden hätten. Außerdem seien regelmäßige Besuche des deutschen Konsulats möglich gewesen. Auf diese Behauptung hin hätten Vertreter:innen des Konsulats „vehement den Kopf geschüttelt“.
Drei Zeug:innen sagen aus, einer identifiziert trotz Maske Maja als Täter:in
Einer der Zeugen, der zum Prozessauftakt am 6. März aussagte, war László Dudog. Dudog ist Mitglied der nationalsozialistischen Bande „Divízió 88“, die in ihren Liedern offen den Holocaust zelebrieren. Dudog gab bei dem Prozess an, mit seiner Freundin von einem Nachtclub aus nach Hause gegangen zu sein. An den Angriff selbst könne er sich nicht erinnern, lediglich an die anschließende Hilfe durch Polizei und Rettungskräfte. Er gab an, seit dem Angriff kein Gefühl mehr in seiner linken Gesichtshälfte zu haben.
Auch Dudogs Freundin, Orsolya Fábián wurde vernommen. Auch sie habe nach dem Angriff das Bewusstsein verloren. Sie erinnere sich aber an einen „schrecklichen Gestank“, da eine Mischung aus Aceton, Verdünnern, und Kleber über sie geschüttet worden sei. Ebenfalls meinte sie, acht Angreifer:innen, darunter zwei Frauen, erkannt zu haben. Allerdings identifizierten weder Dudog noch Fábián Maja auf der Anklagebank als Täter:in.
Ein dritter Zeuge hingegen identifizierte Maja als Angreifer:in. Er habe in einem Café gearbeitet, als eine Gruppe von acht bis zehn maskierten Personen drei polnische Tourist:innen angegriffen habe. Der Zeuge identifizierte Maja als Angreifer:in anhand der Körpergröße, Augen und des Zopfes.
Er konnte jedoch nicht erklären, wie er den Zopf unter Majas Mütze gesehen haben will. Bei den „polnischen Tourist:innen“ handelt es sich tatsächlich um drei Mitglieder der Ruch Narodowy („Nationale Bewegung“), die Linken, Liberalen und LGBTI-Personen offen mit Gewalt droht.
Prozessfortsetzung im Sommer, parallele Verfahren in Deutschland
Majas Prozess wird am 4. Juni fortgesetzt. Maja ist bisher die einzige angeklagte Person aus dem Budapest-Komplex, die nach Ungarn ausgeliefert wurde. In Deutschland fand bereits der erste Prozesstag gegen die Antifaschistin Hanna statt.
Dem ebenfalls Angeklagten Zaid droht allerdings noch immer eine Auslieferung nach Ungarn, da gegen ihn nur ein ungarischer Haftbefehl vorliegt, und er über keinen deutschen Pass verfügt.