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Spitzengespräch der deutschen Wirtschaft: Was wünschen die Wirtschaftsbosse?

Beim traditionellen Spitzengespräch traf sich der scheidende Kanzler Olaf Scholz mit Vertreter:innen der deutschen Wirtschaft. Es ging um Wünsche der Wirtschaft an die neue Regierungskoalition.

Neben den neuesten Trends in Sachen Kunsthandwerk, Wohnausstattung und Hausbau ist die Internationale Handwerksmesse München auch traditionell der Treffpunkt für das jährliche Spitzengespräch der deutschen Wirtschaft. Hierbei kamen am Freitag Vertreter:innen des Bundesverbands der deutschen Industrie (BDI), der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) und des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH) mit dem Bundeskanzler zusammen. Der wahrscheinliche Nachfolger für den Posten des Bundeskanzlers, Friedrich Merz (CDU), war aufgrund anderer Terminen nicht anwesend.

Die Gespräche fanden im vertraulichen Rahmen statt. Die Äußerungen der vertretenen Gruppen geben jedoch einen Einblick in den Inhalt der Gespräche. Diese drehten sich auch um das Sondervermögen von 500 Milliarden mit Lockerung der Schuldenbremse, über das am Dienstag im Bundestag abgestimmt wird.

Vom Sondervermögen bis zum Bürokratieabbau

Über das schuldenfinanzierte Sondervermögen für den Infrastrukturausbau in Höhe von 500 Milliarden Euro herrscht Einigkeit: Das ist eine willkommene Unterstützung, von der die Kapitalist:innen profitieren möchten: einerseits mit neuen Aufträgen für die Bauwirtschaft durch den Ausbau und die Sanierung von Infrastruktur, andererseits mit festgelegten Finanzspritzen für den Umbau der Wirtschaft auf erneuerbare Energien in Höhe von 100 Milliarden Euro.

Der Vertreter des Handwerksverbands, Jörg Dittrich, merkt an: „Einfach mehr Geld ins System pumpen, wird die Wettbewerbsfähigkeit nicht verändern“. Vielmehr bräuchte es auch einen Abbau der Bürokratie, schnellere Genehmigungsverfahren für zum Beispiel Bauvorhaben oder insgesamt weniger Vorgaben.

Auch auf eine Reform der Sozialversicherung wird gedrängt, um keine höheren Kosten für die Unternehmen zu verursachen. Durch den demografischen Wandel werden schon jetzt regelmäßig Finanzierungslücken mit Steuergeldern gestopft, oder es erfolgt eine Anhebung der Beiträge durch die Krankenkassen.

Auch in der Rente gibt es massiven Handlungsbedarf: Von Forderungen nach Kürzungen oder der Anhebung des Eintrittsalters über eine „Aktiv-Rente“, mit der Rentner:innen als Arbeitskräfte gewonnen werden sollen, gibt es viele Möglichkeiten, die letztendlich nahezu alle zum Nachteil der Arbeiter:innen ausfallen würden.

Auch die hohen Energiekosten sind den Wirtschaftsvertreter:innen ein Dorn im Auge: Energieintensive Industrien, wie die Stahl- oder Chemieindustrie fänden keine wettbewerbsfähigen Bedingungen mehr in Deutschland.

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Was bedeuten die Forderungen für Arbeiter:innen?

Die Forderungen der Wirtschaftsverbände und ihrer Vertreter sind nicht neu. Mit der kommenden wahrscheinlichen Koalition aus CDU und SPD erhalten sie jedoch mehr Rückenwind. Die Verabschiedung und Umsetzung zentraler Erwartungen unter einem Kanzler Friedrich Merz sind wahrscheinlich. Vor diesem Hintergrund drängen die Wirtschaftsvertreter auf eine schnelle Koalitionsbildung.

Diese hatte mit der Verabschiedung eines „Sondierungspapiers” am 8.3. einen ersten Teilerfolg. Darin haben sich CDU und SPD auf erste Kürzungen zu Gunsten der Wirtschaft verständigt. Das Ersetzen des Bürgergelds durch eine Grundsicherung – mit vollständigem Leistungsentzug bei Ablehnung „zumutbarer Arbeit“ – stutzt den Sozialstaat weiter und zwingt Arbeitslose noch schneller in den Niedriglohnsektor.

Nach Wunsch von SPD und CDU sollen Arbeiter:innen in Rente bis zu 2.000 Euro steuerfrei hinzu verdienen können. Die vorgeschobene „Freiwilligkeit” der längeren Beschäftigung ist in der Realität ein Schlag ins Gesicht der Rentner:innen. Die explodierende Altersarmut zwingt schon jetzt Rentner:innen zum Flaschensammeln oder in Mini-Jobs. In Zukunft heißt es bei Altersarmut: Selber schuld! Wer nicht mit 70 noch Supermarkt-Regale einräumt, hat es nicht anders verdient.

Die häufigen Diskussionen über weitere Maßnahmen, wie z.B. die Einschränkung des Krankengelds, bei gleichzeitigem Zurückhalten von Zahlungen auf eigene Faust – wie zuletzt bei Tesla in Grünheide – lassen für Arbeiter:innen nicht Gutes erwarten.
Und bei alledem fällt auf: Trotz der bevorstehenden Kürzungen und Angriffe auf die Rechte der Arbeiter:innen gibt es bisher kaum Reaktionen von Seiten der etablierten Gewerkschaften.

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