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TVöD: Schlichtung statt Streik

Die dritte Verhandlungsrunde über den Tarifvertrag im öffentlichen Dienst (TVöD) ist gescheitert. Staat und ver.di leiten ein Schlichtungsverfahren ein, die Streikbewegung erstickt. Kein Geld für die Beschäftigten, aber für die Aufrüstung? – Ein Kommentar von Mario Zimmermann.

Kinder bleiben unbetreut, Ämter geschlossen und Mülltonnen voll. Ohne die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes von Bund und Kommunen sind weite Teile der öffentlichen Leistungen nicht denkbar. Die Auswirkungen der Streiks sind schnell für alle spürbar. Wo Kinder nicht betreut werden, können die Eltern nicht zur Arbeit. Und wenn die Müllwerke nur wenige Fahrten ausfallen lassen, fällt das in Großstädten mit Müllproblem sofort auf.

So ist es auch geschehen in den Arbeitsniederlegungen der letzten Wochen in allen Bundesländern, obgleich sie im Rahmen von Warnstreiks meist nicht lange dauerten.

Bundesweite Warnstreiks zur 3. Verhandlungsrunde im TVöD

Das unausgeschöpfte Streikpotenzial ist noch um ein Vielfaches größer. Der Ausstand im Nahverkehr in Großstädten wie Köln, Münster und Düsseldorf legte das Stadtleben zusätzlich lahm. Und damit nicht genug: Rund 2,5 Millionen Beschäftigte fallen unter den Tarifvertrag. Ein Teil von ihnen wird auch zum Streik aufgerufen. In der Woche vor der dritten Verhandlungsrunde streikten 150.000 von ihnen.

Die Wirkungskraft des TVöD reicht dabei über seinen vertraglich festgelegten Rahmen hinaus. Die nachfolgenden Verhandlungen über den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) orientieren sich nämlich meist am Ergebnis des vorangegangen TVöD. Viele Privatunternehmen des sozialen Bereichs lehnen sich mit ihrer Bezahlung wiederum am TVöD und TV-L an.

Dritte Runde gescheitert

Die Forderungen der verhandelnden Gewerkschaft ver.di und des deutschen Beamtenbundes (dbb) sind im Verhältnis zu den Preissteigerungen der letzten Jahre nicht hoch. Die geforderte Lohnerhöhung von 8 % (mindestens aber 350 Euro) schmilzt dahin angesichts hoher Lebenshaltungskosten.

TVöD 2025: Forderungen von ver.di deuten Reallohnverlust an

Für die verhandelnde Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) und das Innenministerium sind diese Forderungen nach wie vor viel zu hoch. Auch die Forderung nach drei freien Tagen zusätzlich stößt ihnen auf. „Die Gewerkschaften haben uns leider eine Möglichkeit verwehrt diesen ausgewogenen Weg zu finden“, lautet ihr Kommentar zum Scheitern der dritten Verhandlungsrunde.

Von Freitag (14. März) bis Montag (17. März) liefen die Verhandlungen in Potsdam. Am 15. März lag erstmals ein Angebot der Arbeitgeber vor. Darin enthalten: tabellenwirksame Erhöhungen von insgesamt 5,5 % über 36 Monate. Zuerst soll demnach eine Nullrunde über neun Monate erfolgen. Trotz erneuter Kompromissvorschläge von Seiten der Gewerkschaften konnte keine Einigung erzielt werden. Das Scheitern der dritten Verhandlungsrunde wurde somit am Montag bekannt gegeben.

Ein Ende des Arbeitskampfes?

Statt einer Terminsuche der verhandelnden Sozialpartner für eine vierte Verhandlungsrunde wurde ein Schlichtungsverfahren einberufen.

Mit dem Schlichtungsverfahren gilt eine Friedenspflicht. Das heißt, dass die Gewerkschaft nicht zu weiteren Streiks aufrufen darf. Den letzten Streiks hat man somit massiv Schwung herausgenommen und quasi von oben Normalität auferlegt. Statt weiteren Streiks wird eine Schlichtungskommission einberufen, die einen Kompromissvorschlag erarbeitet, der von den unterschiedlichen Parteien angenommen, oder abgelehnt werden kann. Bis es zu einem solchen Vorschlag kommt, dauert das im Schnitt zwei Wochen.

Für die öffentlichen Arbeitgeber tritt der ehemalige hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) mit Sitz im Wirtschaftsrat der CDU als Schlichter an. Die Gewerkschaften haben den ehemaligen Bremer Finanzsenator, Hans-Henning Lühr, einberufen. Die Arbeit der Schlichtungskommission wird in den nächsten Tagen beginnen. Sie werde noch diese Woche beginnen, spätestens am Donnerstag. Anfang April soll die Schlichtung dann abgeschlossen sein.

Bei der Rüstung sind sie fix, für Kolleg:innen tun sie nix?

Die öffentlichen Arbeitgeber, unter ihnen das Innenministerium, legen eine Blockadehaltung in den Tarifverhandlungen an den Tag. Denselben Staatskreisen gelingt es, sich an anderer Stelle auf die Mobilisierung von hunderten Milliarden zu einigen. Direkt einen Tag nach Scheitern der Verhandlungen wurde am Dienstag die Grundgesetzänderung für ein Sondervermögen von 500 Milliarden für „Infrastruktur“ und eine unbegrenzte Verschuldung zugunsten der Rüstung beschlossen.

Grünes Licht für deutsche Kriegskredite: Die Milliardenaufrüstung kommt

Zuvor war noch von 500 Milliarden Sondervermögen für die Aufrüstung die Rede. Diese sind nun durch die Streichung der Schuldenbremse für Sicherheitsausgaben mit dem aktuellen Beschluss bewusst verschleiert und nach oben hin flexibilisiert worden.

Damit entlarven sich die gehenden und werdenden Regierungsparteien SPD, CDU und Grüne. Für den Krieg auf dem Rücken der Steuerzahler:innen, vor allem der Arbeiter:innen, sind hunderte Milliarden Euro nicht genug. Für die hart arbeitenden Beschäftigten im öffentlichen Dienst springen dabei gerade mal Reallohnsenkungen raus.

Und die ver.di? Legt den Streik auf Eis, während die Dynamik auf dem Höhepunkt war. Den Beschäftigten wird durch die aktuelle Politik deutlich aufgezeigt, wo die Prioritäten liegen: bei Krieg statt ihrem Wohl. Die Verbindung dieser Kämpfe, der Beschäftigten für ihre Löhne und der allgemeinen Bevölkerung gegen die Kriegsvorbereitungen, liegt auf der Hand.

Mario Zimmermann
Mario Zimmermann
Perspektive-Autor seit 2023. Lieblingsthemen: Militarisierung und Arbeitskampf. Lebt und arbeitet in Nürnberg. Motto: "Practice like you've never won, play like you've never lost!" -Michael Jordan

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