Zeitung für Solidarität und Widerstand

Warum es den Tag der politischen Gefangenen braucht

Politische Gefangene gibt es auch in Deutschland. Doch generell lohnt es sich, genauer hinzusehen, was in deutschen Knästen passiert und Berührungsängste zu verlieren. – Ein Kommentar von Julius Strupp.

Beim Begriff „politische Gefangene“ denken viele sicher nicht zuerst an Deutschland. Dass Menschen aus politischen Erwägungen wegen ihres Aktivismus eingesperrt werden – sowas gibt es ja angeblich nur in Putins Russland, in China oder im Iran. Zumindest will man uns das in der Konzernpresse oder der Schule so weismachen.

Politische Gefangene und Proleten hinter Gittern

Tatsächlich ist es aber auch in unserer „Demokratie“ gang und gäbe, dass Menschen verurteilt und eingesperrt werden, weil sie im Verdacht stehen, bestimmte politische Organisationen (insbesondere aus dem Ausland) zu unterstützen oder militant gegen Nazis oder Ungerechtigkeit vorgegangen zu sein.

Aktionen zum Tag der politischen Gefangenen

Eine aktuelle Liste des Netzwerks Freiheit für alle politischen Gefangenen listet darunter aktuell mehr als 30 Inhaftierte. Sie umfasst zu einem Großteil Gefangene, denen die Mitgliedschaft in kommunistischen oder revolutionären Organisationen aus der Türkei vorgeworfen wird.

Einer von ihnen ist Ihsan Cibelik, Musiker der antifaschistischen Band Grup Yorum, der im vergangenen Jahr gemeinsam mit zwei anderen zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt wurde. Allen Dreien wird vorgeworfen, führende Positionen in der Organisation Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front (Devrimci Halk Kurtuluş Partisi-Cephesi, DHKP-C) bekleidet zu haben. Konkret wurden sie aber hauptsächlich beschuldigt, Demonstrationen, Kundgebungen und Konzerte organisiert zu haben. So geht es vielen, die – vor allem aus Gefälligkeit gegenüber dem verbündeten faschistischen Regime in Ankara – vom deutschen Staat eingesperrt werden.

Drei Antifaschist:innen im „DHKP-C Prozess“ zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt

Aber auch aus fortschrittlichen deutschen Bewegungen, insbesondere der antifaschistischen, sitzen Aktivist:innen im Gefängnis. Dazu zählen zuletzt die Antifaschist:innen aus dem sogenannten Budapest-Komplex, denen vorgeworfen wird, Teilnehmer:innen eines Nazi-Aufmarschs in der ungarischen Hauptstadt angegriffen zu haben. Die Möglichkeit einer Auslieferung in das autoritär regierte Ungarn ist hier noch immer nicht endgültig vom Tisch.

Neben den politischen Gefangenen sitzen aber auch tausende Menschen nicht etwa hinter Gittern, weil sie Schwerstverbrecher wären – sondern einfach deshalb, weil sie zu arm sind: Fahren ohne Fahrschein oder ein Toastbrot klauen – das sind z.B. die banalen Gründe, aus denen Menschen in Deutschland im Knast sitzen, vor allem solche aus den ärmsten Teilen der Arbeiter:innenklasse.

18. März – „Tag der politischen Gefangenen”

In der linken Bewegung ist der 18. März der „Tag der politischen Gefangenen”. Das Datum erinnert an den Tag der Ausrufung der Pariser Kommune, die erste Arbeiterregierung der Welt, die ebenfalls durch heftige staatliche Unterdrückung und Massenmord an politischen Gefangenen beendet wurde. Auch in diesem Jahr werden an diesem Tag Aktionen in zahlreichen Städten in Deutschland stattfinden.

Heute sind die Berührungsängste mit dem Thema Gefängnis in weiten Teilen der Gesellschaft noch sehr groß. Gerade deshalb ist es wichtig, darauf aufmerksam zu machen, dass im Knast eben nicht durchweg „schlechte Menschen“ sitzen, sondern viele politische Aktivist:innen und vor allem Bedürftige, die für ihre Armut von der Klassenjustiz bestraft werden. In Zeiten, in denen die Arbeiter:innenbewegung stärker war, war das Bewusstsein darüber größer, und es gab Hilfestrukturen für verhaftete Kämpfer:innen oder solche, die mit den knappen Löhnen nicht über die Runden kamen.

Diese Solidarität in unserer Klasse braucht es wieder. Dazu gehört es auch, Solidarität mit den Gefangenen aufzubauen und die Berührungsangst vor dem Thema Knast zu verlieren. Ein erster Schritt ist es, an Tagen wie diesen auf die Straße zu gehen. Aber genauso müssen wir hinschauen und protestieren, wenn in deutschen Gefängnissen weit weniger als der Mindestlohn gezahlt wird, verschimmeltes Essen verkauft wird, politische Gefangene in Isolationshaft sitzen oder gar Misshandlungen durch Gefängnispersonal öffentlich werden, wie letztes Jahr in der JVA Augsburg-Gablingen.

Julius Strupp
Julius Strupp
Autor bei Perspektive seit 2019, Redakteur seit 2022. Studiert in Berlin und schreibt gegen den deutschen Militarismus. Eishockey-Fan und Hundeliebhaber. Motto: "Für alles Reaktionäre gilt, dass es nicht fällt, wenn man es nicht niederschlägt."

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