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Wehrpflicht light: Grüne fordern verpflichtenden „Freiheitsdienst“

Die Grüne Fraktionsvorsitzende des Bayrischen Landtags schlug jüngst einen „Freiheitsdienst“ vor. Dieser würde zu Wehrdienst oder sozialen Diensten verpflichten. Damit wird die Debatte um die Wehrpflicht weiter voran getrieben. – Ein Kommentar von Felix Zinke.

Die Fraktionschefin der Bayrischen Grünen-Landesfraktion Katharina Schulze hatte gegenüber der dpa den Vorschlag eines verpflichtenden „Freiheitsdienstes“ vorgestellt. Dies soll alle Menschen zwischen 18 und 67 verpflichten, entweder Wehrdienst, Zivildienst oder einen Gesellschaftsdienst zu leisten.

Dieser soll dann mindestens 6 Monate gehen und eine verpflichtende Musterung nach dem Ende der Schulpflicht beinhalten. Zudem soll dieser verpflichtend sein für alle – unabhängig von Geschlecht oder Staatsbürgerschaft. Somit sollen unter anderem eben auch jene mit festen Aufenthalt in Deutschland, welche keine deutsche Staatsbürgerschaft haben, verpflichtet werden.

Fortschreitende Militarisierung

In den vergangen Jahren konnten wir schon unter der Ampelregierung und der von Olaf Scholz ausgerufenen Zeitenwende eine gewaltige Beschleunigung der Militarisierung in Deutschland beobachten. Darunter war eben auch die Debatte über die Wehrpflicht, welche nun Schritt für Schritt eingeführt wird.

Der Grund für die schrittweise Wiedereinführung liegt darin begraben, dass vor allem viele Jugendliche noch nicht bereit sind für diesen Staat in den Krieg zu ziehen. Dadurch sind die Politker:innen von vor allem Grüne, SPD und CDU aktuell dazu verpflichtet, die Debatte öffentlichkeitswirksam zu führen. Hierbei müssen sie sich dann Schritt für Schritt herantasten, um die Gedanken der Kriegstüchtigkeit und Wehrpflicht zu normalisieren.

Mit kleinen Schritten zur Wehrpflicht?!

Zum jetzigem Zeitpunkt sind wir an dem Punkt, dass eine Wehrpflicht mit der Wahlmöglichkeit eines anderen Dienstes in der Debatte geführt wird. Dieser jüngste Vorstoß der bayrischen Grünen-Abgeordneten ist jedoch der bisher am weitestgehende Vorstoß aus der Partei. Dies liegt vor allem daran, dass dieser so umfassend und breit gehalten wird.

Weil eine kommende Kriegswirtschaft nicht nur Soldat:innen bräuchte, wird dies mit anderen Möglichkeiten verbunden, den Dienst abzusitzen. Ein „Freiheitsdienst“, wie dieser Vorschlag, ist somit auch ein Mittel der Militarisierung der gesamten Gesellschaft. Denn dieser gibt dem deutschen Staat die Freiheit, die Dienstleistenden und sie langfristig und gezielter in den Bereichen einzusetzen, in welchem sie dem deutschem Kapital in seiner Kriegswut am meisten nützen.

Koalitionsverhandlungen auch über die Wehrpflicht

Aktuell führen SPD und CDU Koalitionsgespräche miteinander, um dann zusammen eine neue Regierung zu stellen. Eines der Ergebnisse dieser Verhandlungen und Gespräche sind die 500 Milliarden für die Infrastruktur und der Blankocheck für die Aufrüstung, welche vor kurzem beschlossen worden.

Union, SPD und Grüne einigen sich auf Kriegs-Kredite – Protest angekündigt

Die Gespräche über die Kriegstüchtigkeit Deutschlands enden dabei nicht bei den Kriegskrediten. Sie beinhalten auch Diskussionen über die Wehrpflicht. Zum aktuellen Zeitpunkt konnten sich die beiden Parteien noch nicht auf eine Wunschregelung einigen. Laut der Tagesschau will die CDU die Aussetzung der Wehrpflicht komplett aushebeln.

Dahingehend möchte die SPD „weiter auf Freiwilligkeit setzen“. Jedoch sollte dies nicht als sozialdemokratische Absage an die Wehrpflicht missverstanden werden. Die Debatte um die Wehrpflicht wurde eben von der SPD und allen voran Kriegsminister Boris Pistorius angefacht und vorangetrieben.

Und täglich grüßt das Murmeltier: Pistorius offen für Wiedereinführung der Wehrpflicht

In diesem Kontext kann der Vorschlag der Grünen ein Lösungsvorschlag für diese beiden Positionen sein. Durch den Vorschlag des „Freiheitsdienstes“ wird eben sowohl die Wehrpflicht wieder eingeführt und zugleich das Schaubild der Freiwilligkeit auf einem neuer Stufe bewahrt.

Aussicht

Es ist damit zu rechnen, dass die Wehrpflicht früher oder später eingeführt wird – aktuell noch in kleinen Schritten durch die Hintertür, aber vielleicht auch irgendwann krachend durch die Vordertür. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass eben trotz der Kriegspropaganda nur eine überschaubare Minderheit der Bevölkerung auch wirklich bereit ist, für Deutschland in den Krieg zu ziehen.

Durch die Kriegskredite ist jetzt zwar die Finanzierung gesichert. Diese alleine wird jedoch nicht die modernsten Waffen von Rheinmetall abschießen können. Dies müssen am Ende des Tages immer noch Menschen machen. Diese Menschen sind dann wir Arbeiter:innen, welche im Moment ideologisch darauf vorbereitet werden, im Namen der Freiheit auf die Arbeiter:innen anderer Länder zu schießen.

Die Tatsache, dass es für die Politiker:innen auch nach drei Jahren Zeitenwende nicht möglich ist, einfach unter großer Zustimmung eine allgemeine Wehrpflicht einzuführen, sollte hierbei Hoffnung geben können. Auch wenn die politische Debatte sich Großteils wie in der Vergangenheit um einen möglichen Angriff des Russen auf Deutschland dreht, sind viele eben nicht bereit für einen Staat und ein System zu sterben, welches ihnen Wohnungsnot, schlechter werdende Gesundheitsversorgung und zerfallene Schulen bietet.

Dies sind Potentiale, die im Widerstand gegen Krieg und Wehrpflicht entwickelt und ausgebaut werden können. Eine Wehrpflicht oder gar einen dritten Weltkrieg können die Politker:innen und Kapitalist:innen langfristig nicht gegen den massiven Widerstand an der Heimatfront führen.

„Kein Schritt in Richtung Kriegsdienst ohne Proteste“ – Interview mit „Nein zur Wehrpflicht“

Felix Zinke
Felix Zinke
Perspektive Autor seit 2024. Berlin Informatikstudent und Werki in der IT. Schwerpunkte: internationale Kämpfe und Imperialismus.Begeisterter Radfahrer.

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