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Wo der Stahl gehärtet wird: EU-Aktionsplan gegen US-Zölle

Die Zölle der USA auf Stahl- und Aluminiumprodukte aus der EU greifen seit dem 12. März. Die EU-Kommission reagiert mit Gegenmaßnahmen ab dem 1. April – und einen eigenen „EU-Aktionsplan Stahl“ für die Zukunft der europäischen Stahlproduktion.

Seit mehr als einer Woche sind nun die Strafzölle der USA für den Import von Stahl- und Aluminiumprodukten aus Europa in Kraft. Zollgebühren in Höhe von 25 Prozent werden seitdem für Produkte fällig, die diese Komponenten maßgeblich beinhalten.

Unter dem Slogan „Aktionsplan Stahl“ hat die EU nun eine nicht-bindende Richtlinie herausgegeben, welche die europäische Industrie diesbezüglich schützen soll. Die EU-Kommission will ihre Schutzmaßnahmen für Stahl verlängern. Künftig will sie selbst ebenfalls Schutzzölle auf die Einfuhr von Stahl erheben, wenn bestimmte Kontingente erreicht wurden.

EU findet klare Worte nach innen und außen

„It is no coincidence that the European Union was built on steel.” Mit diesen Worten leitet die Kommission ihre offizielle Erklärung zum Aktionsplan ein. Allerdings lautet der vollständige Titel „A European Steel and Metals Action Plan“. Es geht also um mehr als nur Stahl. Gleichzeitig stellt dieser das zentrale Metall der EU-Wirtschaft dar.

Bedeutet im Umkehrschluss: Die USA zielen auf das Bindeglied des europäischen Marktes ab. Im Aktionsplan finden sich ähnlich starke Ausführungen. Stahl bilde „die Grundlage für andere wichtige industrielle Wertschöpfungsketten“. Gemeint sind vermutlich die Autoindustrie, der Maschinenbau, der Flugzeugbau oder die Rüstungsindustrie.

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Der Wettbewerb bestimmt das Handeln

In den letzten zehn Jahren schrumpfte der Anteil der EU an der weltweiten Stahlproduktion auf 7-8 %. Parallel dazu haben andere Länder – vor allem China und Indien – ihre Produktionskapazitäten massiv ausgeweitet, oft durch staatliche Subventionen.

Weltweite Überkapazitäten stellen eine „ernsthafte Bedrohung“ für die Rentabilität und Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie dar. So kündigte ThyssenKrupp beispielsweise Pläne für 11.000 Entlassungen in Deutschland im Dezember 2024 an.

Die EU hingegen hat vor allem ein Problem: Zu hohe Energiekosten. Skizziert wird daher die Notwendigkeit einer Energieversorgung, die bei diesen Wettbewerbsbedingungen mithalten kann. Diese soll zudem aus nachhaltigen Energiequellen stammen. An Initiativen dazu mangelt es nicht. So verabschiedete die EU bereits Ende Februar 2025 den „Clean Industrial Deal“ und den „Aktionsplan für bezahlbare Energie“ („Action Plan for Affordable Energy“).

Der Clean Industrial Deal wird mehr als 100 Milliarden Euro zur Förderung der sauberen Industrie in der EU bereitstellen. Der „Aktionsplan für bezahlbare Energie“ sieht vor: a) die Netzentgelte effizienter zu gestalten, b) Energiesteuern und Abgaben zu senken; c) Stromabnahmeverträge (PPAs) zu erleichtern; d) Genehmigungen zu beschleunigen; e) Strominfrastruktur zu modernisieren und auszubauen; und f) sonstige Subventionen.

Die EU-Produktion sei zwar immer noch in der Lage, den größten Teil des EU-Binnenbedarfs an Stahl (90 %) und beispielsweise auch Kupfer (83 %) zu decken, urteilt die Kommission. Die Situation bei Aluminium (46 %) und Nickel (25 %) sei jedoch besorgniserregender. Dabei seien diese Metalle unabdinglich für den europäischen Verteidigungssektor. Zudem hängen heute über 300.000 direkte und 2,3 Millionen indirekte Arbeitsplätze in Europa davon ab.

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Gegenoffensive ab 1. April

Die EU reagiert daher mit Gegenzöllen. Insgesamt wird erwartet, dass Waren im Wert von 26 Milliarden Euro aus der EU mit Zöllen für die USA belegt werden sollen. Diese Maßnahmen bestehen noch aus Zeiten der ersten Trump-Administration und wurden unter Biden nur pausiert. Somit können diese bereits zum 1. April umgesetzt werden und bedürfen keiner weiteren Abstimmung.

Vor allem typische amerikanische Produkte wie Motorräder oder Spirituosen sollen davon betroffen sein. Zusätzlich zu den „Sofortmaßnahmen“ ist auch von Zöllen bezüglich landwirtschaftlicher Erzeugnisse aus den USA die Rede, welche bis Mitte April umgesetzt werden könnten.

Doch ist die Zollerhebung auf Stahl und Aluminium erst der Anfang. Trump hat schon die nächsten Produkte im Visier. Denn statt auf die Drohung der EU Strafzölle unter anderem Whisky zu erheben, kontert der US-Präsident mit der Ankündigung in dem Falle, den Import von europäischem Wein mit bis zu 200 Prozent zu besteuern. Eine Spirale an gegenseitigen Zollandrohungen scheint nun losgetreten zu sein.

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Gegenzölle Kanadas führen zu ersten Erfolgen

Zusätzlich zu den Spannungen mit der Europäischen Union befinden sich die Vereinigten Staaten schon länger im Konflikt mit Kanada und Mexiko. Anfang März verkündete Trump, dass alle Importe aus Kanada und Mexiko mit 25 Prozent verzollt werden müssen. Kanada entschied sich zum Gegenangriff und sprach von einer „Dollar für Dollar“ Politik, also dass jede Entscheidung der USA gegenüber Kanada genauso für die US-Amerikaner gelten solle.

Trump antwortete darauf gewohnt impulsiv, dass er die Zölle für Stahl und Aluminium für Kanada verdoppele. Die Gegenantwort ließ nicht lange auf sich warten. Der kanadische Bundesstaat Ontario, von dem die angrenzenden US-Staaten Strom beziehen, erhöhte den Stromtarif massiv.

Offenbar hat dies Trumps Drohgebärden erst einmal Einhalt geboten. So ist die Verdoppelung der Zölle für Stahl und Aluminium vom Tisch und im Gegenzug stoppte Ontario die Strompreissteigerung. Das zeigt, dass Trump die Stirn geboten und somit seinen Hirngespinsten etwas entgegengesetzt werden kann. Die allgemeinen gegenseitigen Zölle zwischen Kanada und USA bleiben aber weiterhin bestehen.

Kanadas zukünftiger Premierminister Mark Carney forderte von seinem südlichen Nachbarn mehr Respekt. Solange dieser nicht geboten ist, bleibt er kämpferisch: „Meine Regierung wird dafür sorgen, dass unsere Antwort maximale Auswirkungen in den USA und minimale Auswirkungen hier in Kanada hat, während wir die betroffenen Arbeitnehmer unterstützen.“

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Kapitalist:innen blicken mit Sorge auf die Entwicklungen

Dass solche Handelskriege keine Gewinner haben können, unterstrich die ehemalige EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström: „Bei diesem Spiel können nur beide verlieren“. Dies sei wohl fast allen Ökonomen bewusst. Die restlich verbliebenen Strafzoll-Fanatiker scheint Trump um sich geschart zu haben.

Dass dies Auswirkungen auf die US-Wirtschaft haben wird, wurde bereits dadurch deutlich, dass mehrere Wall-Street Banken ihre Wachstumsprognosen für die amerikanische Volkswirtschaft nach unten korrigiert haben. Doch auch deutsche Kapitalist:innen gehen von einem erheblichen Schaden durch den Handelskonflikt auf die Wirtschaft aus, beispielsweise für das Flaggschiff des deutschen Wirtschaftswachstums, der Autobranche. Diese befindet sich bereits seit einiger Zeit im Krisenmodus. Dieser Zustand könnte sich nun durch die höheren Stahl- und Aluminiumpreisen nochmals verschlimmern.

Es wird erwartet, dass die dadurch entstehenden Mehrkosten direkt an die Konsument:innen weitergegeben werden. Denn wie so häufig leidet der Endverbraucher am meisten unter den Machtspielchen der Obrigkeiten. Durch den beginnenden Handelskrieg wird prognostiziert, dass die Inflation zunimmt und auch dadurch die Preise steigen. Zudem wird sich eine geschwächte Wirtschaft auch auf die Arbeitsplätze der Arbeitnehmer:innen auswirken.

Trumps Unberechenbarkeit verunsichert alle Beteiligten. Darunter leiden müssen aber am Ende hauptsächlich die Arbeiter:innen, die sich einem Jobverlust und steigenden Preisen gegenübersehen, während die Kapitalist:innen der Stahlindustrie und anderer Branchen lediglich um ihre Profite bangen.

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