Der Ostbeauftragte der Bundesregierung hat im Rahmen der Koalitionsverhandlungen einen 5-Punkte-Plan vorgelegt. Mit diesem sollen „strukturschwache Regionen“ in Ostdeutschland gestärkt werden. Statt Symptombekämpfung braucht es jedoch Antworten, welche die Probleme bei der Wurzel packen. – Ein Kommentar von Felix Zinke.
Der Ostbeauftragte Carsten Schneider (SPD) legte laut Spiegel am Donnerstag einen 5-Punkte-Plan für die Stärkung strukturschwacher Regionen vor. Dieser beinhaltet mehr Geld, um Anreize für Industrie und Arbeiter:innen zu schaffen, sich in diesen Gebieten anzusiedeln. Der 5-Punkte-Plan ist ein Vorschlag, die durch Unterentwicklung auf der Strecke geblieben Regionen wieder näher an den bundesweiten Durchschnitt zu bringen.
Für mehr Chancengleichheit der strukturschwachen Regionen fordert Schneider eine Reform der Mittelverteilung: Kommunen mit geringer Steuerkraft sollen stärker vom Finanzausgleich profitieren, statt wie bisher nach dem sogenannten „Königsteiner Schlüssel” benachteiligt zu werden. Gelder sollen künftig nach Bedarf, statt nach starren Kriterien fließen. Zudem schlägt er Anreize für einen Zuzug in strukturschwache Regionen vor – etwa durch bessere Infrastrukturförderung, attraktivere Kleinstädte und die gezielte Ansiedlung von Schlüsselindustrien.
Im Kapitalismus bleibt immer jemand auf der Strecke
Dass es in Deutschland nicht nur im Osten verschiedenste Regionen gibt, die chronisch unterfinanziert und zum Teil komplett deindustrialisiert sind, ist kein Ausrutscher. In unserer jetzigen Wirtschafts- und Gesellschaftsform, dem Kapitalismus, gehört die ungleiche Entwicklung von verschiedenen Teilen der Länder oder gar Städten zur Norm.
Dies liegt an der profitorientierten Logik des Kapitalismus. Diese sorgt dafür, dass Industrie und Infrastruktur vorrangig zum Zweck der Gewinnmaximierung aufgebaut werden. Dabei ist es nachrangig, welche Bedürfnisse die breite Bevölkerung hat. Regionen mit bestimmten Ressourcen wie Erzen, Kohle oder fruchtbare Böden werden stärker entwickelt, als jene Regionen, denen das fehlt. Das gilt auch für Schlüsselindustrien und Infrastruktur.
Weswegen eine bestimmte Region entwickelter ist als eine andere, hängt somit von vielen verschiedenen Faktoren ab, die auch in dem 5-Punkte-Plan von Carsten Schneider wiederzufinden sind. Die Ursache all dessen wird jedoch nicht behandelt, sondern eben nur deren Symptome.
Auf Dauer würden Investitionen in die heutigen strukturschwachen Regionen höchstens zu zwei möglichen Szenarien führen:
- Die Regionen entwickeln sich durch die Investitionen tatsächlich und werden somit attraktiv für deutsches und internationales Kapital. Damit würde jedoch Kapital von anderen Regionen abgezogen und diese zerfallen infolgedessen allmählich.
- Der 5-Punkte-Plan hat keine oder nur begrenzte Auswirkungen auf die Entwicklung der Regionen. Somit bliebe alles beim Alten, und die Ziele, die ausgerufen wurden, würden nicht erfüllt – wieder Frustration und Einbußen.
In beiden Szenarien wird das Problem eben nicht an der Wurzel gepackt. Denn innerhalb des Kapitalismus lässt sich die ungleiche Entwicklung von Regionen nicht lösen.
Ostdeutschland – der Sonderfall?
Wenn über strukturschwache Regionen gesprochen wird, ist Ostdeutschland meistens das Hauptthema. Auch 35 Jahre nach der Wiedervereinigung liegt der Osten wirtschaftlich in nahezu allen Bereichen hinter dem Westen zurück. Die Ursachen für die einzelnen Erfolgs- und Misserfolgswerte sind vielfältig, lassen sich aber am Ende alle auf den Ausverkauf der ehemaligen DDR an westliches Kapital verstehen.
Mit der Wende wurde durch diesen Ausverkauf über die Privatisierung durch die Treuhandanstalt sichergestellt, dass sich in Ostdeutschland keine Konkurrenz zu den westdeutschen Monopolen entwickeln konnte. Unter diesen Gesichtspunkten wurde Ostdeutschland komplett deindustrialisiert. Was übrig geblieben ist, wurde von eben diesen Monopolen oder internationalen Investoren aufgekauft. Die ostdeutschen Arbeiter:innen bekommen bis heute niedrigere Löhne als im Westen.
Unter diesem Gesichtspunkt handelt es sich bei der Strukturschwäche im Osten nicht um Pech oder unglückliche Zufälle. Sie ist stattdessen das Resultat der Ausplünderung der ehemaligen DDR-Wirtschaft und Ausnutzung der verschiedenen Lohnniveaus zur Profitmaximierung. Im größerem Umfang gab es eine solche Entwicklung in allen ehemaligen Staaten des Warschauer Pakts, bei denen das deutsche Kapital ebenso seine Finger im Spiel hatte und Osteuropa aktiv für die eigenen Interessen geplündert hat.
Sozialismus als Antwort
Diese strukturelle Unterentwicklung von verschiedenen Regionen ist also fester Bestandteil des Kapitalismus. Es stellt sich damit die Frage, wie diese Probleme behoben werden können.
Da sich die Ursache auf das Profitinteresse und das Fehlen einer Gemeinwohl-orientierten Wirtschaftsform finden lässt, benötigt es eben eine Ökonomie und Gesellschaftsform, die eben diese Probleme lösen könnte: den Sozialismus, der die Interessen und Bedürfnisse der Arbeiter:innen an erste Stelle stellt.
Durch den planvollen Aufbau der Wirtschaft würden die jetzt strukturschwachen Regionen aufgebaut werden können, ohne dass parallel dazu andere Regionen in deren Fußstapfen treten müssen. Zudem würde es kein Interesse geben, dass Arbeiter:innen für den selben Job unterschiedliche Löhne bekommen – nur aufgrund der Region oder der Stadt, in der sie leben. Die Lebensverhältnisse würden angeglichen und die Lohndrückerei beendet werden.
Um dieses Ziel zu erreichen, müssen wir die Spaltung innerhalb der Arbeiter:innenklasse überwinden. Aktuell wird vom deutschen Staat und Kapital eine Spaltung in Ost und West aktiv befeuert und vom eigentlichem Problem beider Seiten abgelenkt.
Es sind nämlich die Kapitalist:innen, die sowohl in Ost als auch West für die Unterdrückung und Ausbeutung der Arbeiter:innen verantwortlich sind. Sie stehen auch in der Verantwortung für die unterschiedlichen Entwicklungen der Regionen und dem Absinken des Lebensstandards aller Arbeiter:innen in ganz Deutschland.
Aus diesem Grund ist es notwendig, dass sich Arbeiter:innen in ganz Deutschland zusammenschließen und organisieren, um gemeinsam Widerstand zu leisten und den Sozialismus erkämpfen zu können.