Der Tod Adolf Hitlers in dessen Berliner Bunker am 30. April 1945 markierte das Ende des NS-Staats. Als Person hatte er Diktatur, den Zweiten Weltkrieg und Völkermorde maßgeblich zu verantworten. Zugleich ist der Faschismus nicht auf ein einzelnes Individuum reduzierbar, sondern ein Produkt der kapitalistischen Klassengesellschaft. – Ein Kommentar von Thomas Stark.
Das unrühmliche Ende eines Massenmörders: Umzingelt von den Truppen der Roten Armee erschoss sich Adolf Hitler am 30. April 1945 im Bunker unter der Berliner Reichskanzlei, in dem er die letzten Kriegswochen mit seinen engsten Schergen ausgeharrt hatte. Gemäß seinem letzten Befehl verbrannten SS-Leute danach seinen Leichnam, damit er nicht den sowjetischen Soldat:innen in die Hände fallen würde. Diese hatten in der Schlacht um Berlin noch einen hohen Blutzoll gegen die fanatisierten Nazi-Truppen zahlen müssen und dort fast 80.000 Soldat:innen verloren.
Der Tod Hitlers und die Eroberung der deutschen Hauptstadt durch die Rote Armee markierten das Ende des Nazistaats. Am 8. Mai trat die bedingungslose Kapitulation Deutschlands in Kraft, die am Tag zuvor von den führenden Offizieren der Wehrmacht unterzeichnet worden war. Der Zweite Weltkrieg, den Hitlerdeutschland angezettelt hatte, kostete über 70 Millionen Menschen das Leben, davon allein ca. 24 Millionen Menschen aus der Sowjetunion. Dem rassistischen und antisemitischen Verfolgungs- und Vernichtungsfeldzug der Nazis gegen die europäischen Jüd:innen sind über sechs Millionen von ihnen zum Opfer gefallen. Die jüdische Bevölkerung in Polen wurde fast vollständig ausgelöscht. Hinzu kommen die zu Hunderttausenden ermordeten Sinti:zze und Rom:nja, Homosexuelle, Kommunist:innen, Sozialdemokrat:innen sowie alle weiteren getöteten Oppositionellen und Angehörigen von Bevölkerungsgruppen, welche die faschistische Ideologie zu Feind:innen erklärt hatte.
Warum Graf von Stauffenberg kein Antifaschist war und das Gedenken an ihn verlogen ist
Hitler und das deutsche Kapital
Ohne Zweifel ist Hitler der Hauptschuldige an diesem beispiellosen Morden und wäre wie viele seiner engen Unterstützer:innen vor das Alliierte Kriegsverbrechertribunal in Nürnberg gebracht und dort zum Tode verurteilt worden, wenn er sich seiner gerechten Strafe nicht durch Suizid entzogen hätte. Und ohne Zweifel hätte es erhebliche Auswirkungen auf den konkreten Verlauf von Krieg und Völkermord gehabt, wenn einer der zahlreichen Anschlagsversuche auf ihn wie im November 1939 von Georg Elser oder im Juli 1944 von Claus Schenk Graf von Stauffenberg und dem breiten Verschwörerkreis um ihn herum erfolgreich gewesen wäre. Hitler persönlich gab den Befehl, den Krieg trotz der längst unvermeidbaren Niederlage noch jahrelang mit allen Kräften weiterzuführen und dabei Millionen weiterer Menschen in den Tod zu reißen.
Dennoch macht es Sinn, am 80. Jahrestag des Todes von Hitler auch darauf hinzuweisen, dass der deutsche Faschismus nicht nur das zufällige Werk eines oder einer Gruppe von Individuen war, sondern dass sich hinter der Nazi-Herrschaft das gesamte deutsche Großkapital versammelt hatte. Die wesentlichen Teile des deutschen Kapitals hatten sich 1933, nachdem die außenpolitische Strategie der Anlehnung an die USA infolge der Weltwirtschaftskrise gescheitert war, auf die Errichtung einer völkischen Diktatur und das Abenteuer eines Feldzugs zur Eroberung Mittel- und Osteuropas geeinigt – und deshalb Hitler die Macht übergeben. Sie profitierten in unvorstellbarem Maße vom Beutezug der Nazis und von der Versklavung von KZ-Insass:innen und Kriegsgefangenen.
Es war z.B. der Chemieweltkonzern IG Farben, der in Auschwitz eine Kautschukfabrik betrieb und dessen Tochterfirma das Mordmittel Zyklon B für die Vernichtungsmaschinerie produzierte. Nach dem Krieg blieben weite Teile der Kapitalist:innen, die Hitler unterstützt hatten, unbehelligt und konnten in der BRD weiter ihre Geschäfte machen.
Fanatische Massenbasis
Ebenso muss man darauf hinweisen, dass sich Hitler und der NSDAP eine Millionen Menschen zählende Anhängerschaft freiwillig angeschlossen hatte. Ohne diese Anhängerschaft und ihren oft fanatischen Glauben an die völkische Ideologie hätten die Diktatur nicht aufrechterhalten, der Krieg nicht stattfinden und die SS-Morde hinter den Frontlinien sowie der industrielle Massenmord in den Vernichtungslagern niemals die Grausamkeit entfalten können, die diese Gräueltaten in der Geschichte so sehr herausheben.
Diese Anhängerschaft, die Bürger:innen, Kleinbürger:innen und Arbeiter:innen ebenso umfasste wie Männer und Frauen, Akademiker:innen und Ungebildete, konnte sich aber nur finden, weil ihre Persönlichkeiten von der Klassengesellschaft, vom Patriarchat und nicht zuletzt vom Kaiserreich und dem Ersten Weltkrieg geformt und verdorben waren: weil sie etwa die Anbetung von Macht und Autorität tief verinnerlicht hatten und weil viele von ihnen sich daran regelrecht aufgeilten, auf andere Teile der Bevölkerung herabzusehen und auf sie zu treten.
Der Hitlerfaschismus war ein Produkt der kapitalistischen Klassengesellschaft und des Imperialismus. Dass Hitler zuerst an die Spitze der NSDAP, dann der faschistischen Bewegung und dann des deutschen Staats geriet, war eine historische Zufälligkeit. Aber wenn die Person Hitler das Kindesalter nicht überlebt hätte oder sein Aufnahmegesuch bei der Wiener Kunstakademie als junger Mann nicht abgewiesen worden wäre, hätte sich ein anderer „Führer“ für die Nazi-Partei gefunden: Bewerber:innen für die Rolle gab es genug, und die völkisch-antisemitische und kriegerische Programmatik, die er vertrat, war Jahrzehnte vorher schon von Organisationen wie dem „Alldeutschen Verband“ großflächig in die deutsche Bevölkerung getragen worden.
Es ist besonders perfide, dass die deutschen Faschist:innen und Ultrarechten — und zwar nicht erst seit Alice Weidels Interview mit Elon Musk — heute versuchen, Hitler als „Linken“ oder „Sozialisten“ hinzustellen, damit die Geschichte in ihr Gegenteil zu verdrehen und sich selbst als „konservativ-libertär“ und „freiheitlich“ zu präsentieren.
Deshalb ist es besonders wichtig, nicht nur im Kampf gegen den Faschismus niemals nachzulassen, sondern auch dessen engen Zusammenhang mit den Interessen des Kapitals und dem gesetzmäßigen Drang des Imperialismus zum Krieg niemals zu vergessen. – Dies gilt heute genau wie damals.