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Den Kampf gegen den türkischen Faschismus nach Deutschland tragen!

Die Türkei erlebt die größte Protestwelle für Demokratie und gegen die Erdoğan-Regierung seit mindestens zwölf Jahren. Welche Kräfte vor Ort eine Rolle spielen und was von Deutschland aus zu tun wäre – Ein Kommentar von Paul Gerber.

Man kann wohl unterstellen, dass ein erfahrener faschistischer Diktator von Erdoğans Format wusste, dass die Festnahme und Anklage seines wichtigsten Konkurrenten im türkischen Politikbetrieb auch zu Reaktionen an der politischen Basis führen würde. Die aktuelle Protestwelle in der Türkei hat jedoch mit großer Wahrscheinlichkeit alle Erwartungen des Erdoğan-Regimes gesprengt.

Dass sich schon eine Woche nach Ekrem İmamoğlus Festnahme alle politischen Kräfte, die in der Türkei im Widerspruch zum herrschenden Regime stehen, gemeinsam mit tausenden und abertausenden jungen Menschen auf den Straßen Istanbuls und anderer Großstädte wiederfinden würden, hat der türkische Präsident sicher nicht geahnt – und erst recht nicht gewollt.

Klar, die beim designierten Präsidentschaftskandidaten der CHP verwendeten Willkürmethoden sind zuvor jahrzehntelang gegen die Parteien der kurdischen Befreiungsbewegung, Gewerkschafter:innen und revolutionäre Organisationen in der Türkei angewendet worden. Und doch hat es die Regierung mit ihrem Schritt geschafft, die Wut und Frustration eines großen Teils der Bevölkerung in der Westtürkei zum Überkochen zu bringen.

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Wer kämpft auf den Straßen der Türkei?

Wie so oft in der Geschichte spielt die Jugend und besonders die Studierenden eine zentrale Rolle bei den aktuellen Kämpfen. Weit über die direkte Anhängerschaft der CHP hinaus gehen hunderttausende Menschen auf die Straße, die ihr ganzes Leben nur unter der Herrschaft Erdoğans verbracht haben.

Hier entlädt sich die Wut über die immer offensichtlicheren staatsterroristischen Herrschaftsmethoden, gegen die Repression gemeinsam mit dem nunmehr über Jahre angestauten Frust über massenhafte Verarmung und Perspektivlosigkeit. Sie kommt zusammen mit dem berechtigten Hass der Frauen auf die herrschende Klasse, die ihr Recht auf Unversehrtheit und körperliche Selbstbestimmung ganz offen mit Füßen tritt.

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In den Großstädten der Westtürkei rufen die Studierenden zu Streiks an den Universitäten auf. Studierende verschiedener Istanbuler Universitäten, die festgenommen wurden, weiteten aus dem Gefängnis heraus diesen Aufruf sogar aus und fordern einen Generalstreik der ganzen Gesellschaft.

Noch ist nicht absehbar, dass die großen Gewerkschaftsverbände sich diesem Aufruf auch anschließen, aber dennoch spielen auch sie mehr und mehr eine Rolle in den Protesten. Verwunderlich ist das nicht, schließlich erfahren auch streikende Arbeiter:innen in der Türkei oft sehr schnell den faschistischen Charakter des Staates am eigenen Leib, wenn sie von der Polizei willkürlich angegriffen werden. Zuletzt unter anderem in Antep, wo Gewerkschafter:innen als Rache für die von ihnen organisierten Streiks kurzerhand weggesperrt wurden.

Den Großteil der Proteste machen also diejenigen Teile der türkischen Gesellschaft aus, die unter der anhaltenden kapitalistischen Krise in der Türkei und dem staatlichen Terror leiden.

Neben der CHP, Teilen der Gewerkschaften und den revolutionären Kräften der Arbeiter:innenbewegung rufen auch explizit Kräfte der kurdischen Freiheitsbewegung auf, die Proteste zu unterstützen. Auf den Straßen manifestieren sich derweil alle möglichen politischen Haltungen bis hin zu offen zur Schau getragenem anti-kurdischen Rassismus oder den faschistischen Wolfsgrüßen.

Der Grund hierfür liegt daran, dass es selbst im klar faschistischen Lager der türkischen politischen Landschaft Widersprüche gibt. Einzelne ehemalige Verbündete Erdoğans werden schnell mal zu seinen Gegenspielern. Ein prominentes Beispiel hierfür ist Ümit Özdağ, ein faschistischer Politiker, der sich mit der Führung der MHP überworfen hatte und versucht hatte, eine neue eigene faschistische Kraft zu etablieren. Er sitzt seit dem 25. Januar 2025 in einem türkischen Gefängnis.

Es ist jedoch deutlich, dass die aktuellen Kämpfe in der Türkei bereits jetzt weit mehr sind als der auf die Straßen übertragene Machtkampf zwischen verschiedenen bürgerlichen politischen Kräften.

Welche Ziele verfolgt das faschistische Erdoğan-Regime?

Dass die Regierung von der Heftigkeit der Reaktionen aus der Bevölkerung überrumpelt wurde, ändert nichts daran, dass ihr Vorgehen bis zur Verhaftung İmamoğlus einem klaren Plan folgte. Oberflächlich betrachtet könnte man meinen, dass Erdoğan seit nunmehr Jahrzehnten fest im Sattel sitzt. Durch den systematischen Staatsumbau hat er sich eine beträchtliche Machtbasis geschaffen.

Doch die Zeiten, in denen sich die AKP hoher Wahlsiege sicher sein konnte, sind längst gezählt. Besonders deutlich wurde die Bedrohung der AKP-Alleinherrschaft bei den Kommunalwahlen vor fast genau einem Jahr am 31. März 2024. Hier gelang der CHP die Eroberung der Rathäuser in allen großen westtürkischen Städten, teils mit großem Vorsprung gegenüber der AKP.

Unter anderem war sie daher gezwungen, auf nationaler Ebene eine Koalition mit der – ebenfalls faschistischen – MHP einzugehen. Gejagt von dieser Unsicherheit weitet die AKP die Unterdrückung gegen die demokratische und fortschrittliche Opposition seit einiger Zeit massiv aus. Die Festnahme und Anklage des designierten CHP-Präsidentschaftskandidaten ist also in erster Linie ein Versuch der Regierung, den momentan aussichtsreichsten bürgerlichen Konkurrenten Erdoğans auszuschalten und somit die eigene Macht zu sichern.

Die geplante Gegenoffensive der Regierung muss zudem im Kontext der monatelangen Verhandlungen mit Abdullah Öcalan und dessen erneut ausgerufenen Friedensprozess betrachtet werden. Zentral ist hier das Kalkül der Regierung, einen Keil zwischen verschiedene bedeutende Kräfte der Opposition zu treiben, um sie getrennt zu bekämpfen. Die kurdische nationale Befreiungsbewegung wird sehr bewusst vor die Frage gestellt, sich den Protesten mit voller Energie und allen Möglichkeiten anzuschließen oder sich zurückzuhalten, um den gerade erst ausgerufenen Verhandlungsprozess nicht zu gefährden.

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Eine Festigung der eigenen Machtposition und die weitere Eliminierung von politischen Störfaktoren, selbst wenn es sich um eine andere nationalistische Kraft wie die CHP handelt, ist für Erdoğan nicht nur aus innenpolitischen Gründen wünschenswert. Auch außenpolitisch setzt sich der türkische Faschismus weiterhin sehr ambitionierte Ziele. Klar ist, dass er sich um eine enge Partnerschaft mit der eigenhändig platzierten syrischen Regierung bemüht; und zwar mit dem zentralen Ziel, die kurdischen Selbstverwaltungsstrukturen in Rojava samt eigener Armee zu ersticken oder wenigstens politisch unschädlich zu machen.

Auch die Friedensverhandlungen mit der kurdischen Guerilla im eigenen Land sind auf verschiedenen Ebenen einen riskantes Spiel für die Regierung. Erstens sind solche Prozesse schon in der Vergangenheit ins Leere gelaufen und wurden durch neue heiße Phasen des Kriegs in Kurdistan abgelöst. Und zweitens ist die türkische Gesellschaft als Ganze derart vom Gift des Chauvinismus zerfressen, dass Erdoğan Gefahr läuft, durch Friedensverhandlungen massiv an Unterstützung unter den radikal faschistisch gesinnten Teilen seiner Basis zu verlieren.

Diese Gefahr besteht übrigens selbst wenn der ganze Friedensprozess aus Sicht der Regierung nur ein taktisches Manöver sein sollte, um Zeit zu gewinnen und die oppositionellen Kräfte in der Türkei zu zersetzen und zu spalten.

Die Rolle der CHP in den Protesten

Weil es die Festnahme des CHP-Kandidaten war, die den Anlass für das Hervorbrechen der massenhaften Wut gab, ist seiner Partei logischerweise eine bestimmte Rolle und politische Initiative im Bezug auf diese Proteste zugefallen. Als unerschütterlich mit dem türkischen Staat und dem Kapitalismus verheiratete politische Kraft stellt sie diese Rolle jedoch auch vor große Konflikte.

Das Ziel der CHP war es, mit der Nominierung İmamoğlus den Diktator Erdoğan auf bürgerlich-demokratischen Weg herauszufordern. Doch das AKP-Regime hat sie in eine Rolle gezwungen, in der sie gleich im doppelten Sinne um ihre politische Existenz kämpfen muss:

Erstens ist es ihr natürliches Ziel, die Angriffe auf ihre Führungsspitze und Strukturen zurückzuschlagen oder wenigstens deutlich abzuschwächen. Zweitens muss sie jedoch auch den Schein wahren, dass sie die wichtigste Oppositionskraft und beste Chance der Bevölkerung ist, den verhassten Diktator endlich loszuwerden. Dieser Schein ist nämlich in der aktuellen Situation ihre größte politische Stärke und der wichtigste Grund dafür, dass Hunderttausende – weit über ihre Kernanhängerschaft hinaus – ihren Aufrufen Folge leisten, um unter anderem für İmamoğlus Freilassung zu demonstrieren.

Die Protestwelle versucht diese Partei also entsprechend dieser Ziele zu beeinflussen. Immer wieder rufen Sprecher:innen der Partei zur Ruhe und Besonnenheit auf, distanzieren sich offensiv von militantem Widerstand gegen die staatliche Repression. Es ist vor allem die CHP, die versucht, die Forderung nach vorgezogenen Neuwahlen zur zentralen Forderung der ganzen Bewegung zu machen und ihr damit jegliche Radikalität zu nehmen.

Eine ähnliche Rolle spielt der Aufruf zum Konsumboykott. Führende Politiker:innen der CHP rufen dazu auf, gerade die Unternehmen zu boykottieren, die vermeintlich eine besonders enge Verbindung zum AKP-Regime pflegen. Im Fokus steht hier die sogenannte „Doğuş-Gruppe”, der ein regierungsnaher Fernsehsender, zahlreiche Bauunternehmen, Autozulieferer und eine Vielzahl von Restaurants gehören.

Die erste Frage, die sich hier stellt, ist natürlich, wer denn in der Türkei ökonomisch überhaupt noch in der Lage ist, Luxusrestaurants zu besuchen beziehungsweise sie zu boykottieren. Nach mehreren Jahren mit Inflationsraten von oftmals weit über 100 Prozent ist das nur ein sehr kleiner, sehr reicher Teil der Bevölkerung. Damit ist diese „Protestform“ für die Arbeiter:innenklasse faktisch bedeutungslos.

Vor allem aber hat der Aufruf objektiv die Wirkung, den Kapitalismus und den Faschismus als Ganzes aus der Schusslinie zu nehmen. Es gibt wohl kaum eine „Protestform“, die die Normalität des kapitalistischen Alltags weniger stört als diese.

Die kurdische Frage

Die Unterdrückung der Kurd:innen in der Türkei hält nach wie vor an. Der bereits erwähnte Friedensprozess ist bisher kaum vom Fleck gekommen. Da die Türkei ihre Bombardierungen und Angriffe auf Stellungen der kurdischen Guerilla fortsetzt, muss man sogar davon sprechen, dass bisher lediglich die PKK einseitig ihre Bereitschaft für einen Waffenstillstand erklärt hat.

Da die kurdische Befreiungsbewegung die wohl größte wirklich demokratische und fortschrittliche politische Kraft in der Türkei ist, liegt schon fast auf der Hand, dass die Stärke und der Erfolg der aktuellen Proteste zentral davon abhängen wird, welche Haltung zur kurdischen Frage sich herausbildet.

Das gilt einerseits, weil nur mit einer demokratischen und internationalistischen Linie, die alle in der Türkei lebenden Völker als gleichberechtigt betrachtet, eine echte Einheit der demokratischen Kräfte im Kampf gegen das AKP-Regime denkbar ist. Andererseits auch, weil ohne eine grundlegende Revolutionierung der zutiefst rassistischen und chauvinistischen staatlichen Strukturen in der Türkei ohnehin keine wirkliche demokratische Alternative zu erreichen ist.

Bisher hat die DEM-Partei, in der unter anderem die kurdische Befreiungsbewegung eine zentrale Rolle spielt, zwar die Repression sowie die Absetzung von İmamoğlu verurteilt und zur Ausweitung des Kampfes ausgerufen. Dennoch gibt es auch Faktoren, die bisher einer vollen Mobilisierung ihrer Kräfte und der Ausweitung der Kämpfe auf den kurdischen Teil der Türkei im Weg stehen.

Obwohl von Seiten des Staates keine substanziellen Schritte in Richtung Frieden oder auch nur eines Waffenstillstands unternommen werden, werden dieser Tage trotzdem gewisse diplomatische Manöver vollzogen, um einen gegenteiligen Eindruck zu erwecken. Beispielsweise fand erstmalig seit 2015 anlässlich von Eid al-Fitr (dem festlichen Abschluss des Fastenmonats Ramadan) ein Besuch einer AKP-Delegation bei Vertreter:innen der kurdischen Bewegung statt.

Schwerer wiegt aber vermutlich noch, dass in den sehr großen Protesten in der Westtürkei immer wieder auch offen antikurdischer Rassismus und türkischer Nationalismus zur Schau getragen wird. Vor allem in der Basis der kurdischen Befreiungsbewegung lösen derartige Bilder natürlicherweise eine bestimmte Skepsis gegenüber den aktuellen Protesten aus.

Wohin entwickeln sich die Proteste in der Türkei?

Es ist zentral zu betonen, dass der Machtkampf zwischen verschiedenen Lagern der bürgerlichen Politik in der Türkei lediglich den Anlass für den Wutausbruch der Bevölkerung in der Türkei darstellt. Was hier in Protesten, die sich anfangs hauptsächlich gegen die willkürliche Absetzung des Istanbuler Bürgermeisters richteten, tatsächlich zum Ausdruck kommt, ist der Wunsch nach demokratischen Freiheiten und einem Ende der seit Jahren anhaltenden Verarmung der ganzen Arbeiter:innenklasse.

Das ist jedoch kein statischer Zustand. Es ist klar, dass die Proteste früher oder später abflauen werden, wenn sie keine Veränderungen durchsetzen können. Die Situation derart auszusitzen, gerade darauf arbeitet offensichtlich das herrschende Regime um Erdoğan hin. Und auch wenn bereits in den letzten wenigen Tagen über 1.200 Personen festgenommen wurden, muss man davon ausgehen, dass sich das Regime noch viel brutaler an seinem eigenen Volk und seinen politischen Vorkämpfer:innen rächen wird, wenn es die Gelegenheit dazu bekommt.

Die CHP wiederum versucht, die Proteste in Bahnen zu lenken, die genau ihrer politischen Agenda entsprechen, also vorgezogene Präsidentschaftswahlen und die Freilassung von ihrem Kandidaten. Sie arbeitet daraufhin, die Proteste in einem friedlichen, bürgerlich-demokratischen Rahmen zu halten und somit zahnlos zu machen. Objektiv ist ihr Ziel ein Kompromiss mit der Regierung und eine vorübergehende Stärkung ihrer Position. Sie wird die Proteste aber auf keinen Fall von sich aus weiter anfachen.

In der sehr breiten Protestbewegung gibt es aber noch zahlreiche andere Elemente. Objektiv geht es den meisten kämpfenden Menschen auf den Straßen der Türkei heute eben nicht in erster Linie um die CHP und die Freilassung von İmamoğlu, sondern um einen Ausweg aus ihrer verzweifelten Situation.

Unter den protestierenden Studierenden beispielsweise ist auch die Forderung nach der Freilassung diverser in den letzten Monaten inhaftierter politisch aktiver Student:innen zentral. Und im direkten Gegensatz zur Linie der CHP erfreut sich die Parole „Vertraut der Straße, nicht der Wahlurne!“ großer Beliebtheit.

Ob die Bewegung sich positiv und erfolgreich weiterentwickelt, wird auf absehbare Sicht vor allem davon abhängen, ob diese Teile der Bewegung sich stärken und zu einer wirklich einflussreichen Kraft werden können. Offen ist jedoch bisher, ob eine politische Organisation oder ein Bündnis aus mehreren Organisationen tatsächlich führend die Stimme der unterdrückten Studierenden, der Frauen und der rechtlosen Arbeiter:innen innerhalb der Proteste werden kann.

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Die Aufgaben der Sozialist:innen in den Protesten

Infrage kommen hier natürlich in erster Linie die sozialistischen Kräfte des Landes, denn trotz jahrzehntelanger faschistischer Repression konnte sich in der Türkei eine breite und vergleichsweise starke sozialistische und revolutionäre Arbeiter:innenbewegung behaupten.

Ihre Kräfte nehmen auch an den Protesten teil und versuchen dort, sowohl den reformistischen Einfluss der CHP zurückzudrängen als auch gegen offen faschistische Kräfte vorzugehen, die versuchen in die Proteste einzudringen.

Es wird in der Türkei vor allem vom Erfolg ihrer Arbeit abhängen, ob sich die Protestwelle zu einem landesweiten Aufstand gegen den Faschismus entwickelt. Ob das System als Ganzes von den Massen auf den Straßen ins Visier genommen wird oder nur die Verteidigung des Bewegungsspielraums der CHP. Vor allem auch sind es diese Kräfte, die als Internationalist:innen eine Brücke zwischen dieser Bewegung in der Westtürkei und der kurdischen Freiheitsbewegung bauen können.

Nicht zuletzt gilt es auch, sich die Frage zu stellen, was die aktuelle Entwicklung eigentlich für Deutschland bedeutet. Die aktuellen Proteste werden oft mit dem Gezi-Aufstand in Istanbul verglichen, der nunmehr zwölf Jahre zurückliegt. Damals hat sich vielerorts in Deutschland sehr deutlich gezeigt, wie groß die politische Bedeutung und Kraft der Migrant:innen aus der Türkei auch in Deutschland sein kann. Spontane Solidaritätsaktionen schwollen damals teilweise innerhalb weniger Minuten um das Doppelte oder Dreifache an, weil sich ihnen so viele Menschen spontan anschlossen.

Sicher, Deutschland ist nicht die Türkei. Aber wir sollten uns bewusst sein, dass derartig dynamische Entwicklungen in der Türkei notwendigerweise auch in diesem Land ein Echo finden. Schließlich leben hier über 3 Millionen Menschen, die selbst in der Türkei geboren wurden oder deren Familien von dort stammen.

Als internationalistisch gesinnte Menschen sollten wir uns zum Ziel setzen, die Initiative zu ergreifen und ganz unabhängig von unserer eigenen Nationalität die legitime Wut auf den türkischen Faschismus auch in Deutschland auf die Straßen zu tragen. Je erfolgreicher wir in dieser Arbeit sind, desto mehr werden wir auch hierzulande in eine Position kommen wie die Sozialist:innen in der Türkei.

Vom deutschen Staat und seiner Polizei können wir dabei sicherlich keine Sympathie erwarten. Dieser deutsche Staat nämlich hat sich sehr schnell dazu entschieden, der Erdoğan-Regierung keinen ernsthaften Widerstand entgegenzusetzen, während diese versucht, die politische Landschaft in der Türkei nach ihren Vorlieben umzugestalten.

In diesem Sinne: Tragen wir den Kampf gegen den türkischen Faschismus auch auf die deutschen Straßen!

Paul Gerber
Paul Gerber
Paul Gerber schreibt von Anfang bei Perspektive mit. Perspektive bietet ihm die Möglichkeit, dem Propagandafeuerwerk der herrschenden Klasse in diesem Land vom Standpunkt der Arbeiter:innenklasse aus etwas entgegenzusetzen. Lebensmotto: "Ich suche nicht nach Fehlern, sondern nach Lösungen." (Henry Ford)

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