Zeitung für Solidarität und Widerstand

DGB-Gewerkschaften auf Irrwegen

Am 1. Mai stehen wie jedes Jahr die traditionellen Gewerkschaftsdemos an. Der DGB fordert „Mach dich stark mit uns!“ Doch der aktuellen Kriegspolitik entgegnen die Aktionen wenig und schließen lieber antimilitaristische Kräfte von ihren Veranstaltungen aus. – Ein Kommentar von Vinzent Kassel.

Der Aufruf des DGB wirkt wie ein Feigenblatt, wird er in den Kontext anderer DGB-Aussagen gesetzt. Noch Anfang April lobten sie den Koalitionsvertrag von Union und SPD als „klare Perspektive für Beschäftigte und Wachstum“. Darauf folgte eine Reihe an Lobpreisungen für die anvisierten Ziele, die durch das „Sondervermögen“ verwirklicht werden könnten: Senkung der Energiepreise, mehr Investitionen in Forschung oder aber das Bundestariftreuegesetz, welches regeln soll, dass öffentliche Aufträge nur noch an Unternehmen vergeben werden, die sich an die Tarifregelungen halten. Alle genannten Punkte sind erst einmal nicht negativ, doch die Kernthematik der Gewerkschaften wurde bis dahin noch nicht angeschnitten. Erst zum Ende des DGB-Statements wird zum Thema Arbeitskampf Stellung bezogen.

1. Mai: Klassenkampf mit dem DGB?

Der DGB warnt z.B. vor populistischen Aussagen bezogen auf die Änderungen des Arbeitszeitengesetzes oder vor einem „Angriff auf den Sozialstaat“, ohne dabei konkret zu werden. Dabei sollten doch genau das die Themen sein, die im Mittelpunkt ihrer Stellungnahme stehen müssten und nicht am Ende – so, als hätten sie diese Passagen im Koalitionsvertrag fast überlesen. Es fehlt der kämpferische Ansatz der DGB-Gewerkschaften. Vorstöße wie die geplante Abschaffung des Bürgergeldes oder die Aufweichung der Regelarbeitszeit von acht Stunden wären doch Anlass genug, von keinen klaren, sondern besorgniserregenden Perspektiven zu sprechen.
Doch damit stehen sie nicht allein. Es scheint, als seien neoliberale Ansätze mittlerweile auch in dezidiert linkeren Kreisen salonfähig, wenn z.B. selbst die taz einen Kommentar abdruckt, der die Abschaffung der Regelarbeitszeit als Chance sieht.
Man fragt sich: Wofür wurde auf den Straßen jahrzehntelang für Arbeitsschutzgesetze gekämpft, nur um sich in Krisenzeiten von den kapitalistischen Luftschlössern der designierten Regierung einlullen zu lassen?

DGB unterstützt die Kriegstreiberei

Vielleicht liegt es auch daran, dass der Arbeitskampf nicht mehr das aktuelle Hauptthema ist: In Deutschland ist das Kriegsfieber ausgebrochen und macht auch vor den Gewerkschaften nicht Halt. Mit seiner Erklärung zu den Ostermärschen 2025 bleibt der DGB auf einer auffällig kritischen Distanz zu den pazifistischen Initiativen und unterstützt die Pläne der Bundesregierung, an allen Ecken massiv aufzurüsten.

Doch dabei bleibt es nicht: Der DGB geht so weit, den Organisationen, die im Rahmen ihrer 1. Mai-Feierlichkeiten – wie beispielsweise in Lübeck – präsent sein wollen, einen Wertekatalog zu diktieren – darunter Vorgaben wie z.B. die Solidarität zur Ukraine und zu Israel oder „ein Bekenntnis zu Europa und zur NATO-Mitgliedschaft“.
In Sachen Außen- und Verteidigungspolitik ist der DGB komplett auf Staatsräson getrimmt. Gegenteilige Ansichten werden nicht akzeptiert. – Das ist sie nun, die politische Debattenkultur im Jahr 2025.

Kritik an der Haltung des DGB gibt es vom Bündnis Sagt Nein!. Es fordert die DGB- Gewerkschaften auf, sich wieder auf ihre Ursprünge zu besinnen und lieber die Arbeitskämpfe, statt die Kriegstreiberei zu unterstützen. So wurde eine Petition gestartet, um zu zeigen, dass die Arbeiter:innenklasse mit dem aktuellen Kurs der DGB-Gewerkschaften nicht d’accord geht.

IG-Metall ebenfalls auf Regierungslinie

Der Kurs des DGB schlägt dabei natürlich auch auf seine Einzelgewerkschaften durch: So will es sich auch die IG-Metall bloß nicht mit der zukünftigen Regierung verscherzen. Erst kürzlich sprach die IG-Metall Chefin Christiane Benner davon, dass ein Scheitern der „großen Koalition“ „ein Desaster“ wäre. Noch bevor die neue Regierung im Amt ist, sind die Gewerkschaften schon auf Linie gebracht, oder besser gesagt: sie haben sich selbst auf Linie gebracht.

1. Mai 2025: Revolutionäre Aktionen in über 40 Städten

Dem abstrakten Gefühl der „Sicherheit“ wird alles untergeordnet: Gewerkschaften vergessen ihre Kernaufgaben, nur um ja nicht delinquent zu wirken, wo wir doch „alle jetzt zusammenhalten müssen“. Übergangen werden hierbei wie so häufig die Arbeiter:innen, die das ganze System am Laufen halten.
Den Gewerkschaften blind zu folgen, wird nur auf Irrwege führen. Dagegen hilft nur, sich zu organisieren und den Protest am 1. Mai selbstbestimmt und revolutionär auf die Straße zu bringen.

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