Die Bundesministerin für Inneres und für Heimat Nancy Faeser hat am Dienstag die „Bilanz der Migrationspolitik“ vorgestellt. Dabei brüstet sie sich aus ihrer Sicht mit Erfolgen: Mehr Zuwanderung von Fachkräften, trotzdem mehr Abschiebungen. Wie Faesers Erfolge einzuordnen sind – eine Bilanz der Migrationspolitik mit Klassenstandpunkt. – Ein Kommentar von Tabea Karlo.
Inmitten der Koalitionsgespräche zieht die Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) eine „Bilanz der Migrationspolitik“ der letzten Jahre: Mehr Zurückweisungen an der Grenze, mehr Abschiebungen, weniger Asylgesuche insgesamt und ein Plus bei den eingewanderten Fachkräften. Sie kommt in Bezug auf die Politik der letzten Bundesregierung und damit letztendlich auch ihrer eigenen zu einem positiven Ergebnis. Nancy Faesers Bilanz kommt dabei gerade richtig, um die Position der SPD in der neuen Regierung zu stärken, Abschiebungs- und Aufrüstungspropaganda sind ja aktuell im Trend, besonders beim Wahlsieger und zukünftigen Koalitionspartner CDU.
Faeser betont die Steigerung der Fachkräfte-Einwanderung: diese sei seit 2021 um 77 Prozent gestiegen von 97.000 auf rund 172.000 im vergangenen Jahr. Die Asylzahlen seien im Kontrast dazu deutlich gesunken: Im ersten Quartal des Jahres seien rund 35 Prozent weniger Asylgesuche gemeldet worden als im selben Quartal des vergangenen Jahres. Außerdem sei die Zahl der „Rückführungen“ – der Ampel-Euphemismus für Abschiebungen – von knapp 12.000 im Jahr 2021 auf mehr als 20.000 im Jahr 2024 gestiegen.
Auf gut Deutsch: Faeser zelebriert, dass die Ampel Schutzsuchende und Migrant:innen im Allgemeinen nach Verwertbarkeit fürs Kapital sortiert. Für Politiker:innen wie sie ist der Mensch nur das wert, was er einbringt. Die Erträge der Hetze und Repression der letzten Regierung lassen sich aus unserer Sicht hingegen sicher nicht als Erfolge auswerten.
Migrationspolitik der Ampel – oder: wie man dem Faschismus den Weg bereitet
Große Teile der Politik und des Kapitals haben sich zuletzt über die Migrationspolitik der Ampelparteien beschwert: sie sei nicht konsequent, nicht repressiv genug. Insbesondere faschistische und rechte Kräfte wetterten im Wahlkampf und versprachen, die konsequenteren Ausländerhasser:innen zu sein.
Die Debatten, die wir hier sehen, sind nicht nur gespielt – sie bedeuten aber auch nicht, dass Faeser oder die Ampel ihrer Aufgabe nicht gerecht geworden sind. Denn gerade aus diesem Wechselspiel nährt sich der Faschismus: Während die faschistischen Teile immer radikaler nach rechts ziehen, rücken die Parteien der vermeintlichen Mitte nach. Die bürgerlichen Parteien können sich dabei immer damit brüsten, nicht „so rechts“ zu sein wie die Faschist:innen. Die Faschist:innen wiederum verweisen auf die „inkonsequente“ Politik der anderen rechten Parteien und steigern so ihre Zustimmung. Alle profitieren von demselben Feindbild: Migrant:innen. Damit lenken sie den Blick davon ab, dass sie es in Wahrheit selbst sind, welche die Lage der Arbeiter:innen immer weiter herunterwirtschaften.
Mit Zuckerbrot und Peitsche: Eine Reise durch die Migrationspolitik der Ampel
Auch wenn nicht alle Teile des Kapitals immer gleich zufrieden waren, so kann man Faeser und der Ampel dennoch einige der Top-Menschenrechtseinschränkungen der letzten Jahre zurechnen oder, wie sie es nennen: „Erfolge“ in der Migrationspolitik. Gemeinsam mit der Ampel verstümmelte Faeser im Rahmen der GEAS-Reform das europäische Asylrecht bis zur Unkenntlichkeit, setzte Grenzschließungen durch, die nach dem EU-Recht verboten sind und ist als Teil der Ampel mitverantwortlich für Abschiebeflüge nach Afghanistan, sowie geplante Abschiebungen nach Syrien.
Darüber hinaus wurde auch das Sicherheitspaket zur Verschärfung der Migrationspolitik mit den Stimmen der Ampel geschnürt. Das von der Ampel eingeführte Rückführungsverbesserungsgesetz gehörte ebenfalls zu ihren „Erfolgen“, also die Einführung verschärfter Polizeibefugnisse, Einreiseverbote und die Verfolgung von Seenotrettung. Auch das Verbot der palästinensischen Gefangenenorganisation Samidoun geht auf ihre Kappe.
Ihr Erbe als eine der vielen Wegbereiter:innen des autoritären Staatsumbaus sichert sich Faeser schließlich mit einer ihrer letzten Amtshandlungen: Eine Woche vor der Wahl führte Sie in Brandenburg noch schnell ein zweites Dublin-Abschiebezentrum ein.
Migrationspolitik der Zukunft – Wie viel Menschenverachtung ist zu erwarten?
In der kommenden Zeit erwartet uns sicher keine humanere Migrationspolitik. Bereits jetzt sehen wir, wie sich Politiker:innen der neuen Regierung in ihren Forderungen nach mehr Repressionen gegenseitig überbieten.
Während Markus Söders Buddy Alexander Dobrindt, bisher Chef der CSU-Abgeordneten in Berlin, der sich gerade als Nachfolger Faeser einzurichten scheint, eine Wende der Asylpolitik fordert, möchte ihn einer seiner Partei-Rivalen offenbar noch überbieten: So fordert der Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Hans-Eckhard Sommer, am Montag bei einer Veranstaltung der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung kurzerhand eine Abkehr vom individuellen Grundrecht auf Asyl.
Sommer fordert eine Reform auf EU-Ebene, um nur noch die humanitäre Aufnahme mit festgelegten Quoten gewährleisten zu müssen. Darauf basierend soll „jeglicher Anspruch auf Asyl und auf sonstige Schutzrechte“ entfallen. Kurzum: Das letzte Schippchen Erde auf das Grundrecht von Asyl, dessen Grab schon durch die Ampel gebuddelt wurde.
Der Spaltung den Kampf ansagen – Antifaschismus im Aufwind
So düster die Zukunft in Hinblick auf die Politik im Parlament auch scheinen mag: Hoffnung können wir aus vergangenen Kämpfen auf der Straße schöpfen. Im letzten Jahr haben wir gleich zwei Wellen antifaschistischer Proteste gesehen, wir haben gesehen, wie sich zahlreiche Bürger:innen an den Protesten gegen die Parteitage der AfD beteiligt haben. Immer mehr Menschen sehen die Notwendigkeit, etwas zu verändern.
Das Wiederaufleben der Anti-AfD-Proteste – Zeit für Klassenkampf!
Ein großer Teil der Proteste war noch geprägt von einer letzten Hoffnung in die staatstragenden Parteien, von dem Glauben, dass es noch eine weite Kluft gäbe zwischen ihnen und den Faschist:innen. Politik wie die von Nancy Faeser zeigt uns: so weit ist der Abstand nicht mehr. Denn der deutsche Imperialismus wappnet sich für neue Kriege – und dazu gehören auch eine steigende Repression nach Innen und der Versuch, die durch Kriege und Krisen entstehende Migration im Sinne des eigenen Profits zu lenken.
Doch so groß der Irrglaube in die sozialdemokratischen Parteien gewesen sein mag, so groß war auch ein aus tiefstem Herzen ehrlicher antifaschistischer Anspruch. Genau das müssen fortschrittliche Organisationen und Kräfte aufgreifen. Den ehrlichen Antifaschismus im Herzen der Menschen ansprechen und ihnen die Lügen der pro-kapitalistischen Parteien vor Augen führen – denn Antifa heißt Klassenkampf.