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Elterngeld nur „nice-to-have“? – Der Preis der Militarisierung für Frauen

Soziale Kürzungen treffen nicht alle gleich – besonders Frauen geraten durch die aktuelle Sparpolitik unter doppelten Druck. Während Milliarden für die Aufrüstung mobilisiert werden, verschwinden Gelder für Pflege, Elterngeld und Rente. Was das für die Lebensrealität von Millionen Frauen bedeutet.

Schon 2024 hatte der Präsident des ifo-Instituts Clemens Fuest im ZDF erklärt, dass es Kürzungen im sozialen Bereich bräuchte, um genügend aufrüsten zu können. Dabei sind soziale Einrichtungen und Leistungen gerade dann am wichtigsten, wenn das gesamtgesellschaftliche Gewaltpotenzial steigt, Entlassungen zunehmen und das alltägliche Leben unbezahlbar wird.

All dies trifft Frauen deutlich stärker als Männer. Die Gründe dafür sind vielfältig: Sie sind diejenigen, die fortan soziale Arbeiten wieder vermehrt unbezahlt übernehmen müssen. Sie haben weniger Rückgriff auf frauenspezifische Hilfsangebote oder Sozialleistungen und sie sind vermehrt von patriarchaler Gewalt betroffen.

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Daran ändert auch die neuste Grundgesetzänderung nicht, die unbegrenzte Aufrüstung auf Kredit erlaubt, denn die unvorhersehbar vielen Kredite und deren Zinsen müssen natürlich ab sofort abbezahlt werden. Die Kriegsausgaben werden also an anderer Stelle im Bundeshaushalt kompensiert werden, wofür bisher vor allem Sozialkürzungen vorgeschlagen und diskutiert wurden.

Führende Ökonom:innen empfehlen der Bundesregierung „Privilegien“ wie die Rente oder das Elterngeld als erstes zu kürzen. Auch in frauendominierten Berufen wie der Pflege oder der Erziehung zeigen sich konkrete Auswirkungen der Kürzungspolitik.

Kürzungen in der Pflege

An den Bundeshaushaltsplänen der letzten Jahre lässt sich ablesen, dass die Gelder für das Gesundheitswesen Jahr für Jahr gekürzt wurden. Im Jahr 2024 war der Gesundheitsetat um ein Drittel von 24,5 auf 16,2 Milliarden Euro gekürzt worden. Die Gelder für die Krankenkassen blieben 2024 und auch 2025 wie in den Jahren zuvor bei 14,5 Milliarden Euro – jedoch bei einer durchschnittlichen Inflation von bis zu 20 % seit 2020.

Nun ist mit steigenden Militärausgaben zu erwarten, dass diese Kürzungen schrittweise verschärft werden, was vor allem Frauen privat auffangen müssen. Professionelle Pflegeleistungen sind häufig mit hohen Kosten verbunden. Bis jedoch eine erforderliche Pflegestufe anerkannt und damit eine (Teil-)Finanzierung durch die Krankenkasse gewährt wird, vergehen oft mehrere Monate. Durch zusätzliche Kürzungen öffentlicher Mittel steigt der Druck insbesondere auf Frauen, Pflegeaufgaben unbezahlt im familiären Umfeld zu übernehmen.

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Und auch in den eigentlichen Pflegeberufen machen Frauen 82 % der Arbeiter:innen aus. Auch ihre Arbeitsbedingungen werden weiter verschärft, wenn durch die Kürzungen noch weniger Lohn gezahlt wird, die Unterbesetzung weiter zunimmt – und als Kompensation die verbleibenden Arbeiter:innen zu noch mehr Überstunden genötigt werden. Hier werden sie also ebenfalls vor allem mit körperlicher und psychischer Überlastung die Kürzungen auffangen.

Ähnliche Erfahrungen machen Erzieher:innen, die unter anderem im Rahmen der aktuellen TvöD-Verhandlungen für bessere Arbeitsbedingungen demonstrierten.

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Elterngeld nur ein „nice-to-have“

Nur im Gesundheitswesen Gelder zu kürzen reicht jedoch nicht aus. Clemens Fuest empfiehlt daher, das Elterngeld vollständig abzuschaffen, wodurch der Staat rund 8 Mrd. Euro sparen könnte. „Es ist ein klassischer Fall von nice-to-have, aber nicht prioritär“, erklärte er gegenüber der Welt am Sonntag.

Das würde allerdings bedeuten, dass Betroffenen zukünftig 250 bis 1800 Euro monatlich fehlen würden, die eigentlich ihre Lohnausfälle abmildern sollen. Dies trifft vor allem Frauen, die in der Familie rund viermal öfter in Elternzeit sind als die Väter ihrer Kinder.

Obwohl das Elterngeld an vielen Stellen nicht ausreicht, würde eine Streichung bedeuten, dass Geringverdiener:innen und Arbeitslose noch weiter unter dem Existenzminimum leben würden. Ein Wegkürzen des Elterngeldes trifft also Frauen und einfache Arbeiter:innen am härtesten.

Von Seiten der Vorsitzenden der Wirtschaftsweisen Monika Schnitzer bestehe das Problem nicht darin, dass Mütter der Arbeiter:innenklasse weiter verarmen würden, sondern vor allem darin, dass die Geburtenrate beeinträchtigt werden könnte oder sie auf dem Arbeitsmarkt verloren gehen würden: „Wir wollen diese Frauen nicht für den Arbeitsmarkt verlieren, wollen aber gleichzeitig auch nicht, dass diese Frauen sich gegen Kinder entscheiden.“

Streichung der Mütterrente?

Sie ist also nicht prinzipiell gegen Sozialkürzungen, sondern spricht sich nur – statt gegen das Elterngeld – gegen die Rente mit 63 und die „Mütterrente“ aus. Mit der „Mütterrente“ erhalten Rentner:innen einen Zuschlag auf ihre Rente, wenn sie vor 1992 Kinder bekommen haben und durch die Kindererziehung weniger in den Rententopf einzahlen konnten. Dies gilt theoretisch für alle Geschlechter, betrifft aber zu 98 % Frauen.

Die Ergebnisse einer aktuellen Studie zeigen, dass jährlich rund 14 Milliarden Euro ohne die Mütterrente gespart werden könnten. Dafür würden fast neun Millionen Rentnerinnen durchschnittlich 107 Euro im Monat fehlen.

„Insbesondere träfe es Frauen aus den unteren Einkommensgruppen, Frauen mit mehr als drei Kindern und geschiedene Frauen. Die Armutsrisikoquote der Rentnerinnen stiege von 19,4 auf 22,3 Prozent. […] Die ärmsten 20 Prozent würden über gut acht Prozent weniger Einkommen verfügen. Bei den reichsten 20 Prozent wären es hingegen nur gut ein Prozent weniger Einkommen“, schreibt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) über ihre Studie auf Basis von Daten des Sozio-ökonomischen Panels (SOEP).

Auch der Unterschied zwischen Männern und Frauen würde bei den Renten um ungefähr 20 Prozent steigen.

Witwenrente

Neben der Mütterrente soll auch die Witwenrente abgeschafft werden, wenn es nach den Wirtschaftsweisen geht. Bei dieser werden hinterbliebenen Ehepartner:innen 55 % der Rentenansprüche ihrer verstorbenen Ehepartner:innen gezahlt, um einen ggf. weggefallenen Unterhalt zu ersetzen.

Der größte deutsche Sozialverband VdK schreibt dazu: „Insbesondere für viele Frauen ist die Witwenrente immer noch unverzichtbar, wenn sie sich während der Ehe um die Kinder gekümmert haben und so keine oder nur geringe Rentenansprüche erwerben konnten. […] Aber auch heute müssen noch viele Frauen wegen fehlender Kinderbetreuungsmöglichkeiten erzwungenermaßen Teilzeitjobs machen und erhalten auch für gleiche Jobs weniger Lohn und weniger Rentenansprüche als Männer.“

Doch nicht nur die Mütterrente soll angegriffen werden: Nahezu alle deutschen Ökonomen fordern die Abschaffung der Rente mit 63 um Geld im Bundeshaushalt zu sparen. Schon jetzt beziehen dreimal mehr Frauen Grundrente als es Männer tun. Frauen werden häufiger von Altersarmut betroffen, weil sie zuvor am Arbeitsmarkt benachteiligt sind.

Eigentlich hätten sogar mehr als doppelt so viele Rentner:innen einen Anspruch. Doch unzählige Frauen erhalten die Grundrente letztendlich nicht, weil ihre Männer höhere Ansprüche haben. Auch hier wird also die Frau aus der Unabhängigkeit zurückgedrängt, da ihr die Geldmittel zur gesellschaftlichen Teilhabe entzogen werden und sogar noch auf den Ehemann verwiesen wird. Es ist davon auszugehen, dass durch weitere Rentenkürzungen die allgemeine Verarmung der Rentner:innen voranschreitet. Kurz und knapp sagte Marcel Fratzscher, Präsident des DIW: „Altersarmut in Deutschland ist weiblich – und wird sogar noch zunehmen.“

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