In den letzten Monaten und Jahren mussten wir einen Anstieg der von Faschist:innen ausgehenden Gewalt erleben. Gerade in letzter Zeit häufen sich wieder brutale Angriffe. Ziele sind neben Geflüchtetenunterkünften und Migrant:innen auch immer häufiger Antifaschist:innen, Jugendzentren und linke Projekte. – Ein Kommentar von Nadia Schuhmann.
Bis Ende November wurden im Jahr 2024 etwa 34.000 politisch motivierte Straftaten im Bereich „rechts“ bei den Behörden verzeichnet. Das ist ein Anstieg von über 17 Prozent im Vergleich zum Vorjahr und der höchste Wert seit Beginn der Statistik im Jahr 2001.
Die Zahl der als Gewaltdelikte kategorisierten Taten liegt bei 1.136. Die Dunkelziffer dürfte dabei deutlich höher liegen, da in den offiziellen Statistiken nur Fälle gezählt werden, die bei der Polizei angezeigt und von ihr auch als politisch rechts motiviert anerkannt wurden, was immer wieder trotz offensichtlich politischer Motivation nicht passiert. Das führt zu einer Verharmlosung und dem Kaschieren der Gefahr, die von Faschist:innen alltäglich für viele Menschen in diesem Land ausgeht.
Zahlreiche Angriffe in letzter Zeit
Letztes Jahr am 6. Juli griffen 15 bis 20 Nazis, die von Antifaschist:innen und der Polizei dem Umfeld der Nationalrevolutionären Jugend (NRJ) zuzuordnen waren, am Bahnhof Ostkreuz in Berlin eine Gruppe von ca. 30 Antifaschist:innen an, die sich dort getroffen hatten, um gemeinsam zu einer Demonstration anzureisen. Mehrere von ihnen wurden bei dem Angriff zum Teil schwer verletzt.
In der Nacht auf den 16. Februar diesen Jahres griffen mehrere Faschist:innen das Autonome Zentrum in Salzwedel an, am 1. März attackierten zwischen 30 und 40 vermummte Personen den Jugendclub Jamm in brandenburgischen Senftenberg mit Steinen und versuchen erfolglos, in das Gebäude einzudringen. In den Tagen und Wochen nach dem islamisch-fundamentalistisch motivierten Anschlag in Magdeburg wurden in der Stadt immer wieder Migrant:innen wahllos angegriffen, bedroht und beleidigt.
Faschistischer Angriff auf Jugendzentrum Jamm in Senftenberg: „Die 90er sind zurück“
Auch Gewalt gegen Einzelpersonen oder Personengruppen, die als Antifaschist:innen identifizierbar waren, gab es in den vergangenen Monaten immer häufiger.
Insgesamt zeugt das von einer weiter wachsenden Bereitschaft der Faschist:innen, mit dem politischen Gegner wieder in direktere Konfrontation zu treten. Auch die Zahl der von Rechten und Nazis organisierten Demonstrationen hat beispielsweise im vergangenen Jahr deutlich zugenommen.
Zu weiteren direkten Angriffen aus der letzten Zeit gehören zum Beispiel der Anschlag auf eine Geflüchtetenunterkunft in der Nacht vom 7. auf den 8. März in Stahnsdorf (ebenfalls Brandenburg), bei dem Nazis versuchten, in die Unterkunft einzudringen und einen Sicherheitsangestellten mit einem Messer verletzten. Die Übergriffe auf Geflüchtetenunterkünfte sind im Jahr 2024 insgesamt deutlich angestiegen. Auch nicht zu vergessen sind die Demonstrationen und Angriffe von Nazis gegen CSDs und Pride-Paraden und deren Teilnehmer:innen im letzten Jahr in den verschiedensten Städten.
Wir sehen also insgesamt eine bedrohlich steigende Gewaltbereitschaft bei den Faschist:innen. Diese muss im Kontext der allgemeinen gesellschaftlichen Rechtsentwicklung betrachtet werden, die wir in den letzten Jahren beobachten konnten: Die AfD beispielsweise ist im Parlament deutlich stärker geworden – aber die faschistische Bewegung besteht nicht nur aus der AfD, sondern ist sehr viel breiter und diffuser als das und vor allem nicht auf das Parlament beschränkt. Im Gegenteil: so, wie rechte Hetze wieder salonfähiger wird, so sind auch alle, die nicht in das Weltbild der Faschist:innen passen, auf der Straße, im Alltag oder bei politischen Veranstaltungen öfter mit Nazis konfrontiert, die Angriffe auf linke Projekte oder linke Zentren werden häufiger und gezielter.
Gesellschaftliche Rechtsentwicklung
Was genau bedeutet nun aber gesellschaftliche Rechtsentwicklung? Die faschistische Bewegung hat auch nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs Kontinuität in Deutschland. Organisationen, Parteien, Netzwerke, Propagandaorgane etc. sind nicht erst gestern entstanden, sondern wurden über viele Jahrzehnte hinweg aufgebaut und vorbereitet. Auch muss dazu gesagt werden, dass die faschistische Bewegung nicht ein monolithischer Block ist, sondern auch in ihr verschiedene Ansichten und Strömungen vertreten sind. Die Angriffe, die jetzt wieder vermehrt stattfinden, werden von verschiedenen Teilen der Bewegung verübt.
In den letzten Jahren hat sich die politische und wirtschaftliche Situation zugespitzt, Kriege sind ausgebrochen oder neu aufgeflammt, die Preissteigerungen und Inflation ohne Anpassung der Löhne haben für viele Arbeiter:innen zu einer Verschlechterung der Lebensbedingungen geführt.
Faschist:innen haben die daraus entstandene Verunsicherung und berechtigte Wut für ihre Hetze genutzt, um sie gegen Teile der Arbeiter:innenklasse selbst zu lenken statt gegen die herrschende Klasse und das kapitalistische System, die für die Kriege und die sich verschlechternden Lebensbedingungen verantwortlich sind. Und die verschiedenen Parteien im Bundestag sind gewissermaßen auf den Zug mit aufgesprungen und haben diese Situation genutzt, um sich zum Beispiel in ihrer Abschiebepolitik immer weiter dem anzunähern, was die AfD schon seit Jahren vertritt.
Der deutsche Staat und seine Institutionen geben damit den Debatten über die Intensivierung von Abschiebungen und die vermehrte Hetzjagd gegen Antifaschist:innen weiteren Rückenwind. Das lässt auch die militanten Faschist:innen mutiger werden, die dann der – auch medial verbreiteten – Hetze gegen Migrant:innen, LGBTI+-Personen, Frauen oder Antifaschist:innen Taten folgen lassen und Angriffe gegen ihre politischen Gegner:innen ausführen.
Was dagegen tun?
Der Kampf gegen den Faschismus kann nicht oder hauptsächlich im Parlament stattfinden, sondern muss vor allem in unserem Alltag, auf der Straße und um das Denken der Menschen stattfinden. Das kann aber nicht vereinzelt, sondern nur gemeinsam und organisiert funktionieren.
Von Berlin bis Stuttgart: Faschistische Aufmärsche treffen auf antifaschistischen Widerstand
Wie wir aktuell wieder aus erster Hand beobachten können, können wir uns im Kampf gegen das erneute Erstarken des Faschismus nicht auf den bürgerlichen Staat verlassen. Denn dieser wird im Kapitalismus immer wieder eher dafür sorgen, dass das Herrschaftssystem hin zum Faschismus umgebaut wird, als dass die bestehende Ordnung durch linke, fortschrittliche und revolutionäre Kräfte in Frage gestellt wird.
Unser Kampf gegen den Faschismus muss also mit einem Kampf gegen den Kapitalismus an sich verbunden sein. Und was jetzt notwendig wird, ist, gemeinsame Strukturen zu schaffen, die sich gegen die sich häufenden Angriffe wehren können und dem Erstarken des Faschismus den Aufbau einer klassenkämpferischen, antifaschistischen Bewegung entgegenstellen.
Dieser Text ist in der Print-Ausgabe Nr. 97 vom April 2025 unserer Zeitung erschienen. In Gänze ist die Ausgabe hier zu finden.