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Freie Bahn für die Wirtschaft: GroKo streicht Lieferkettengesetz

Das sogenannte Lieferkettengesetz ist Unternehmerverbänden schon lange ein Dorn im Auge. Die Große Koalition will es nun komplett aussetzen, bis 2028 eventuell eine abgeschwächte EU-Richtlinie greift.

Das Bundesarbeitsministerium wirbt bislang auf seiner Webseite mit dem Slogan „Fairplay gilt für alle“ und bezieht sich dabei auf das sogenannte Lieferkettengesetz. Dieses gilt seit dem 1. Januar 2024 für Unternehmen mit mindestens 1.000 Beschäftigten und soll laut Ministerium sicherstellen, dass bei Importen von Rohstoffen und Vorprodukten Menschenrechts- und Umweltstandards eingehalten werden. Dazu gehörten beispielsweise der „Schutz vor Kinderarbeit“, das „Recht auf faire Löhne“ und „der Schutz der Umwelt“.

Der Koalitionsvertrag ist fertig – Was steht drin?

Prävention gegen Missstände in Lieferketten

Arbeiter:innen einer Textilfabrik in Bangladesch, die Sportkleidung für deutsche Unternehmen herstellen, hätten damit theoretisch die Möglichkeit gehabt, sich bei Letzteren über fehlenden Arbeitsschutz, Kinderarbeit und ähnliche Missstände zu beschweren. Denn konkret verpflichtete das Gesetz Unternehmen zur Ermittlung, Bewertung und Priorisierung von Risiken in ihren Lieferketten und zu bestimmten Präventions- und Abhilfemaßnahmen. Dazu gehörte z.B. die Pflicht, Beschwerdekanäle für Menschen in den Lieferketten einzurichten.

Das Gesetz, das ein Projekt der Ampelregierung unter Bundeskanzler Olaf Scholz gewesen ist, steht schon länger in der Kritik. Menschenrechtsorganisationen bemängelten eine begrenzte Sorgfaltspflicht und das Fehlen einer zivilrechtlichen Haftung der Unternehmen. Wirkliche Konsequenzen außer Bußgeldern hätten den Firmen nicht gedroht.

Neue Regierung will das Gesetz abschaffen

Unternehmerverbände kritisierten das Gesetz von der anderen Seite und beklagten etwa hierdurch entstehende Kosten und zu viel Bürokratie. Damit scheinen sie bei der Union und dem künftigen Bundeskanzler Friedrich Merz auf offene Ohren gestoßen zu sein. Der Koalitionsvertrag der neuen Regierung sieht nämlich eine Abschaffung des Lieferkettengesetzes vor. Union und SPD bezeichnen die Streichung der Vorgabe darin als Teil eines „Sofortprogramms für den Bürokratierückbau“.

Das Lieferkettengesetz soll zukünftig durch ein anderes Gesetz ersetzt werden, das wiederum eine Europäische Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) umsetzen soll. Deren Umsetzung wurde von der EU-Kommission im Februar jedoch verschoben – aufgrund Kritiken aus der Wirtschaft. Die ersten Umsetzungsfristen sollen erst ab 2028 greifen. Also dann, wenn der Bundestag schon fast wieder neu gewählt wird. Zudem will die EU-Kommission die Richtlinie abschwächen und Unternehmen durch Vereinfachungen entlasten. Diese sollen einem Gegenwert von jährlich 320 Millionen Euro entsprechen, die sonst an möglichen Kosten angefallen wären.

Regeln ersatzlos gestrichen

Bis zum Inkrafttreten eines neuen Gesetzes wird das bisherige zunächst erst einmal „unmittelbar abgeschafft und entfällt komplett“, heißt es im Koalitionsvertrag. Nur massive Menschenrechtsverletzungen sollen bis dahin noch sanktioniert werden.

Deutsche Kapitalvertreter:innen reagierten sehr positiv auf die Einigung: „Wer Investitionen will, muss Unternehmen Luft zum Atmen lassen“, äußerte sich etwa der Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Elektro- und Digitalindustrie Wolfang Weber. „Mit der Abschaffung des Lieferkettengesetzes ist hier ein wichtiges Zeichen gesetzt worden“, heißt es da weiter.

Ganz anders sieht das z.B. Heike Drillisch von der „Initiative Lieferkettengesetz“, in der NGOs, Kirchen und Gewerkschaften vertreten sind: Die geplante Abschaffung wäre „ein massiver Rückschritt“ für den Schutz von Menschenrechten und Umwelt entlang globaler Lieferketten und sende ein „fatales Signal“ an die Unternehmen, die die Regelungen derzeit bereits umsetzten. Erst 2024 blockierte die deutsche Regierung eine nachhaltigere und sozialere EU-Richtlinie.

Deutschland blockiert EU-Richtlinie zu schärferem Lieferkettengesetz für Unternehmen

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