Hunderte Milliarden sollen in die Rüstung fließen. Doch die Folgen der Kriegspolitik werden wir nicht erst an der Front zu spüren bekommen. Schon jetzt gehören Sozialabbau und Angriffe auf uns Arbeiter:innen zur Normalität. – Ein Kommentar von Luis Tetteritzsch.
„Es geht durch die Welt ein Geflüster“ beginnt das bekannte kommunistische Gedicht „Der heimliche Aufmarsch“. Doch wessen Geflüster soll das sein? Darauf wird kurz danach geantwortet: „Das sind die Stimmen der Kriegsminister“. Geschrieben wurde das Gedicht 1927 von Erich Weinert und damit circa auf halber Strecke zwischen dem Ende des Ersten Imperialistischen Weltkriegs und dem Beginn des Zweiten.
Fast 100 Jahre alt, behält der Inhalt des Gedichts aber weiterhin seine Relevanz. Auch wenn die Kriegsminister gar nicht mehr flüstern, sie schreien uns vielmehr ihre Absichten ins Gesicht: Krieg mit Russland, Wehrpflicht, eine kriegstüchtige Bundeswehr und Gesellschaft. Der bisherige Höhepunkt kam dann aber letzten Monat: Union und SPD legten im Rahmen ihrer Sondierungsgespräche für die neue Bundesregierung ein Sondervermögen von 1 Billion Euro vor. 500 Milliarden Euro davon sollten direkt an die Bundeswehr gehen. Weitere 400 bis 500 Milliarden Euro sollten in die „Infrastruktur“ fließen.
SPD und CDU planen 500 Milliarden Sondervermögen für die Bundeswehr
Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz wurde das 500-Milliarden-Aufrüstungspaket für die Bundeswehr dann aber doch zurückgezogen. Der Grund dafür war keineswegs eine Rückbesinnung auf eine neue Friedenspolitik. Stattdessen soll nun eine Lockerung der Schuldenbremse für jegliche Militärausgaben durchgesetzt werden, welche die Marke von einem Prozent des deutschen Bruttoinlandsprodukts (BIP, ca. 40 Milliarden Euro) überschreiten.
Grünes Licht für deutsche Kriegskredite: Die Milliardenaufrüstung kommt
Zukünftige Regierungen dürfen damit Schulden in unbegrenzter Höhe für die Bundeswehr aufnehmen. Ein „Blankoscheck“ für die Bundeswehr und die deutsche Rüstungsindustrie, denn damit könnten sie auch weit über die eine Billion hinausschießen. Ganz nach dem neuen Motto des designierten Bundeskanzlers Friedrich Merz (CDU): „Whatever it takes“.
Unbegrenzte Rüstung
„Was auch immer notwendig ist.“ Das neue Leitmotiv der angehenden Regierungskoalition bezieht sich dabei aber nicht auf die hingebungsvolle Erfüllung der Bedürfnisse der Bevölkerung. Im Gegenteil ist eine Politik gemeint, die den Konzernvorständen, Aktionär:innen und Imperialisten in Krisenzeiten rettend zur Hilfe eilt.
Wer sich Hoffnungen macht, dass die hunderten Milliarden Euro dazu da sind, um uns Arbeiter:innen unter die Arme zu greifen, der wird schnell enttäuscht werden. Die zig Milliarden sind hunderte Milliarden für den Krieg. Darüber täuscht auch kein Geschwafel über die Verteidigung von „Frieden, Freiheit und Demokratie“ hinweg. Waffen werden im Kapitalismus nicht produziert, um Frieden zu schaffen – genauso wenig wie Milliarden für die Bundeswehr. Egal wie oft die Kriegstreiber diese Wahrheit auch umdrehen wollen.
Denn wenn diplomatische Hintertürgespräche und Knebelverträge nicht mehr ausreichen, um den Profithunger der Monopole zu stillen, dann greift man eben zu anderen militärischen Mitteln: dem Krieg.
Wer am Ende von diesen absurden Kriegskrediten profitieren wird, zeigt uns ein Blick auf die Börsenkurse. Lag der Preis einer Aktie des größten deutschen Rüstungskonzerns Rheinmetall vor dem Ukraine-Krieg noch unter 100 €, hat sich dieser innerhalb der letzten Jahre auf 1.300 € verdreizehnfacht! Hilfreich war sicherlich auch das damalige 100-Milliarden-Sondervermögen. Immerhin prahlte Rheinmetall-CEO Armin Papperger stolz damit, dass „am Ende zwischen 30 und 40 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen zu uns kommen“ würden.
Bundeswehr-Sondervermögen lässt bei Rheinmetall die Kassen klingeln
„Aber es sollen doch auch 500 Milliarden Euro in die Infrastruktur investiert werden!“, könnte man erwidern. Das stimmt. Die Frage ist aber, wofür das Geld dann wirklich genutzt wird. Zwar versprechen Union und SPD Investitionen in die Verkehrs- und Energieinfrastruktur sowie Krankenhäuser und das Bildungssystem. Doch auch hier soll es einem bestimmten Zweck dienen: den Kriegsvorbereitungen der Herrschenden.
Alle genannten Bereiche sind Teil der kritischen Infrastruktur, der in Zeiten hybrider und regulärer Kriegsführung eine entscheidende Rolle zukommt: Krankenhäuser müssen auf verletzte Soldat:innen von der Front, das Schienennetz auf die Verlegung von Kriegsgerät zur Ostfront und die nationale Energieindustrie auf die Unabhängigkeit von ausländischen Partnern vorbereitet werden. Ungefähr so steht es auch in einem dem Spiegel vorliegenden, mehrere hundert Seiten langen Schreiben über den geheimen Operationsplan Deutschland (OPLAN DEU), der die strategischen Kriegsvorbereitungen für Deutschland definiert.
Zeitenwende heißt Sozialabbau!
Die beschworene „Kriegstüchtigkeit“ ist aber natürlich nicht kostenlos und die hunderten Milliarden Euro fallen nicht einfach vom Himmel. Dort, wo Milliarden ins Militär gepumpt werden, müssen woanders Milliarden eingespart werden. Dreimal darf man raten, wer den „Gürtel enger schnallen“ soll. Die Antwort darauf haben wir nicht zuletzt in den beiden vergangenen Bundeshaushalten sehen können.
Denn um die erhöhten Militärausgaben überhaupt bezahlen zu können, wurden die Ausgaben des Gesundheitsministeriums im Haushalt 2024 kurzerhand um 33,7 Prozent gekürzt. Dem Bildungsministerium wurden Finanzen in Höhe von 1,2 Milliarden Euro gestrichen und die Ausgaben für Studierende um satte 440 Millionen, für Schüler:innen um 220 Millionen Euro. 1,5 Milliarden wurden direkt bei den Sozialausgaben gestrichen, davon 600 Millionen beim Zuschuss zur gesetzlichen Rentenversicherung.
Regierung kürzt beim Bundeshaushalt 2024: Geld für Waffen statt für Soziales
Gestiegene Preise und gleichbleibende Löhne haben uns die letzten Jahre das Leben schwer gemacht. Die Antwort der Politik darauf? Die Sozialhilfen, die uns noch über Wasser halten, kaputtsparen, um neues Kriegsgerät zu finanzieren. Ihre Kriegsvorbereitungen klauen uns also nicht nur die Perspektive auf eine friedliche Zukunft, sondern auch das Geld direkt aus unserer Tasche.
Die als „Zeitenwende 2.0“ getauften Kriegskredite haben aber nochmal ganz andere Größenverhältnisse als das erste Sondervermögen. Dementsprechend können wir schon jetzt davon ausgehen, dass die geplanten und zur Finanzierung der Kriegsausgaben notwendigen Angriffe auf unsere Klasse kommen werden, und zwar mit voller Härte.
Zur Peitsche gehört auch immer das Zuckerbrot
Die Herrschenden wissen aber, wie sie ihre Angriffe auf uns Arbeiter:innen durchführen können, ohne mit größerem Widerstand rechnen zu müssen. Während nämlich mit unvergleichlicher Unverschämtheit unvorstellbare Summen in die Kriegsmaschinerie des deutschen Imperialismus gesteckt werden, sollen wir mit kleinen „Bonbons“ zufriedengestellt werden.
So wird uns die Mindestlohnerhöhung auf 15 Euro als Erfolg im neuen Sondierungspapier der Union und SPD verkauft. Was hier keine Erwähnung findet: Dies entspricht gerade einmal einer Anpassung an die Armutsgrenze.
Dasselbe gilt für die Rente: Wir sollen der künftigen Regierung dankbar sein, dass sie uns nun doch nicht ackern lässt, bis wir 70 sind. Gleichzeitig verkünden Union und SPD die sogenannte „Aktivrente“, mit der „zusätzliche finanzielle Anreize“ geschaffen werden sollen, damit sich „freiwilliges längeres Arbeiten mehr lohnt.“ Dass hier der Zwang, aufgrund finanzieller Nöte über das Rentenalter hinaus arbeiten zu müssen, als „freiwillige Arbeit“ dargestellt wird, ist an Hohn wohl kaum zu übertreffen. Letztendlich wird dadurch auch kein bisschen an den Ursachen der Altersarmut wie z.B. zu niedrigen Löhnen gearbeitet, sondern lediglich ihr Status Quo beibehalten.
Genauso wird die in Zukunft einheitlich geregelte Mütterrente nichts anderes als ein Tropfen auf den heißen Stein sein. Frauen wird in dieser Gesellschaft automatisch die Aufgabe der (alleinigen) Kindererziehung zugewiesen. Oft können sie in diesem Zeitraum nicht arbeiten gehen und dadurch auch nicht in ihre Rentenversicherung einzahlen. Frauen droht damit eine besonders niedrige Rente. Die Mütterrente wird aber weder an den allgemein viel zu niedrigen Renten etwas ändern, noch an dem Anspruch, dass sie Kindererziehung, Haushalt und Lohnarbeit unter einen Hut bekommen müssen.
Stellen wir hunderte Milliarden Kriegskredite und 15 Euro Mindestlohn gegenüber, weiß man kaum, ob man weinen oder lachen soll. Während also die größten Angriffe auf unsere Klasse vor unseren Augen vorbereitet werden, werden uns zur Besänftigung kleine Zuckerstückchen hingehalten. Zeitgleich bekommen Rüstungsgiganten wie Rheinmetall, die Bundeswehr und deutsche Monopole ganze Süßigkeiten-Fabriken geschenkt.
Einzelne Teile unserer Klasse sollen mit dieser „Bonbonpolitik“ ruhig gehalten werden, indem ihnen kleine Zugeständnisse gemacht werden. Das Vertrauen alleinerziehender Mütter wird versucht, sich mit der Mütterrente zu kaufen, mit der Erhöhung des Mindestlohns versucht man alle Minijobber und Jugendlichen an Bord zu holen und die Altersarmut bleibt auf einem gleich schlechten Niveau, anstatt sich neuerlich zu verschärfen.
Keinen Honig ums Maul schmieren lassen!
Dass wir uns aus den Parlamentsgebäuden keine konsequente Positionierung gegen Krieg und Aufrüstung erhoffen können, haben die letzten Jahre zur Genüge bewiesen. Die gesamte Bandbreite der bürgerlichen Parteien ist auf den Aufrüstungszug aufgesprungen. Selbst ehemalige Antikriegsparteien wie Die Linke haben im Laufe der weltweiten Kriegsvorbereitungen ihre ursprünglichen Positionen zur Auflösung des NATO-Kriegsbündnisses und der Abrüstung Deutschlands aufgeweicht.
Mit den zugespitzten Verhältnissen zwischen den großen Weltmächten wird die Kriegspolitik nur immer größere Dimensionen annehmen, und in gleicher Weise werden sich die Angriffe auf uns Arbeiter:innen verschärfen.
Doch weder dürfen wir angesichts der drohenden imperialistischen Kriege den Kopf in den Sand stecken, noch uns von den mickrigen Zugeständnissen der Herrschenden Honig ums Maul schmieren lassen. Unsere Aufgabe muss es sein, die Stimmen der Kriegstreiber zu übertönen und uns nicht mit einzelnen Trostpflastern zufrieden zu geben.
Was es braucht, ist Widerstand auf der Straße, in den Betrieben, Schulen und Universitäten. Denn den Krieg verhindern kann nur unser entschlossener Widerstand als Klasse. Wie schon einst die deutsche Kommunistin Rosa Luxemburg sagte: „Solange das Kapital herrscht, werden Rüstungen und Kriege nicht aufhören.“
Dieser Text ist in der Print-Ausgabe Nr. 97 vom April 2025 unserer Zeitung erschienen. In Gänze ist die Ausgabe hier zu finden.