Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und dem Ende des sogenannten „Kalten Kriegs“ wurde uns von bürgerlicher Seite weis gemacht, dass wir am „Ende der Geschichte“ leben würden. Doch noch stehen wir. – Ein Kommentar von Phillipp Nazarenko.
Die politische und wirtschaftliche Lage in Deutschland entwickelt sich angesichts der vielen Krisen schnell, dynamisch und daher nur schwer vorhersehbar. Hierzulande können wir bemerken, dass von der alten Stabilität nur noch wenig übrig ist. Gerade jetzt lohnt es sich, einen Blick auch auf andere Länder zu werfen. Schließlich ist Deutschland keine isolierte Insel, die sich vor internationalen Entwicklungen verschließen kann. In vielerlei Hinsicht kann dieser Blick „nach außen“ uns helfen, Mut für kommende Kämpfe zu sammeln.
Kaum ein Land ohne Massenaufstände
Der US-amerikanische Politikwissenschaftler Francis Fukuyama sagte 1992 angesichts des Zusammenbruchs der Sowjetunion und des Ostblocks, dass das „Ende der Geschichte“ erreicht sei. Schon zum damaligen Zeitpunkt war diese Aussage falsch.
Besonders in den letzten Jahren dürfte es schwerfallen, die internationalen Entwicklungen als eine Entwicklung hin zu einem stabilen Kapitalismus umzudeuten. Es gibt viele Länder, vor allem außerhalb von imperialistischen Zentren wie den USA und Westeuropa, die massenhafte Aufstände erlebt haben. So manch ein rechtes und neoliberales Regime wurde in den letzten Jahren durch Kämpfe von Arbeiter:innen und Unterdrückten zu Fall gebracht.
Ob das nun die Regierungen in Bangladesch oder Sri Lanka waren, in denen demokratisch orientierte Massenbewegungen diese zwar stürzten, es aber versäumten, ein neues, gerechteres System zu etablieren. Oder ob es sich um den Sturz von reaktionären Regimes wie dem von Assad in Syrien oder der US-Besatzung in Afghanistan handelt, die in erster Linie durch gleichermaßen reaktionäre Milizen angeführt wurden, die nun die Bevölkerung von neuem terrorisieren.
Es zeigt sich: Weltweit können die herrschenden Kapitalist:innen und ihre Regimes vielfach immer schlechter weitermachen als zuvor. Auch wenn nicht immer jede Massenbewegung fortschrittlich ist: Stabilität und Friedhofsruhe sehen anders aus, und auf Angriffe von oben folgen prompt Reaktionen. Hierzu wollen wir ein paar mutmachende Beispiele in den Fokus rücken.
Griechenland – ein Herd des Widerstands in Südeuropa
Griechenland ist eines der EU-Länder, das besonders unter den Krisen des kapitalistischen Systems zu leiden hat. Fremdbestimmung durch die Troika im Rahmen der Weltwirtschaftskrise 2008, Ausverkauf der Infrastruktur und Wirtschaft des Landes an Monopole und Staaten wie Deutschland , maximale Sparprogramme, die vor allem die arbeitende Bevölkerung, die Armen, die Alten und die Jugend treffen. Schon seit längerem wird das Land am Mittelmeer von heftigen Klassenkämpfen erschüttert.
Wut des Volks bricht sich Bahn: Erfolgreicher Generalstreik in Griechenland
Die arbeitende und studierende Jugend steht an der Spitze der Kämpfe. Beispiele hierfür waren die lang anhaltenden und militanten Proteste und Universitätsbesetzungen, die sich in den letzten zwei Jahren gegen die Privatisierung der Universitäten und die Einführung einer Campus-Polizei richteten.
Auch der Generalstreik Anfang März, an dem mit über einer Million Menschen mehr als ein Zehntel der Bevölkerung Griechenlands teilnahm, richtete sich zunehmend gegen das korrupte System als solches. Das durch die massiven Sparmaßnahmen hervorgerufene Zugunglück in Tempi, aber auch die versuchte Vertuschung der Korruption, die diesen mörderischen Unfall mitverursachte, waren hierbei der Funken, an dem sich der massenhafte Widerstand der griechischen Bevölkerung entflammte.
Griechenland: 2 Jahre nach dem Zugunfall in Tempi gehen die Proteste weiter
Argentinien – autoritärer Staatsumbau und Sparpolitik bleiben nicht unwidersprochen
Für den als „verrückten Anarcho-Kapitalisten mit der Kettensäge“ bekannten Präsidenten Argentiniens, Javier Milei, und seine gut betuchten Unterstützer:innen haben der komplette Abbau jeglicher sozialer Unterstützungsnetze und Hilfsstrukturen im Land, der Ausverkauf des Staatseigentums, die Militarisierung und die Abschaffung der sozialen und demokratischen Rechte höchste Priorität. Aktuell brechen die Renten massiv ein, was die Älteren auf die Straße treibt. Ihr gerechter Widerstand wird vom Staat mit Tränengas, Knüppeln und Gummigeschossen beantwortet.
Auch die grassierende Armut und der aufkommende Hunger treiben massenhaft Menschen auf die Straße: Als Mileis Regierung die Lieferungen für die 40.000 Suppenküchen des Landes strich, brachte dies das Fass zum Überlaufen und landesweite Proteste erschütterten das Land.
Gegenwärtig ist die Situation von einem immer wiederkehrenden Ausnahmezustand gekennzeichnet, und während die Regierung weiter an Sozialem spart und gleichzeitig aufrüstet, organisieren sich die Arbeiter:innen und Unterdrückten Argentiniens zum Widerstand.
Serbien – wo ein marodes Dach den Staat ins Wanken bringt
Ein Land, das erst seit kurzem durch massive Proteste von sich reden macht, ist Serbien. Auslöser für die seit langem größten Massenproteste mit mehreren hunderttausend Menschen war das Einstürzen eines maroden Dachs am Bahnhof in Novi Sad, bei dem fünfzehn Menschen starben. Nun legen die Protestierenden dem Staat und der Regierung – mit ihrer Korruption als Ursache für die maroden Zustände der Infrastruktur – die Verantwortung für das Unglück und die Missstände zur Last.
Angeführt von den Studierenden der Hauptstadt, die ebenfalls das Mittel der Universitätsbesetzung anwenden, bringen die gesellschaftlichen Widersprüche massenhaft Menschen auf die Straße. Die Antwort des serbischen Staats: Einschüchterung und Gewalt. Auch hier zeichnet sich ein entsprechendes Bild ab, bei dem die zunehmenden Einschnitte in das Leben der Massen durch kapitalistische Profitgier und staatliche Repression eine kämpferische Gegenantwort provozieren.
Serbien: Hunderttausende protestieren gegen Regierung – Polizei nutzt Schallwaffen
Die Welt steht nicht still – doch in welche Richtung geht es?
Die Beispiele belegen allesamt, dass die Arbeiter:innen international fähig sind, Widerstand gegen die Angriffe von oben auf ihr Leben und ihre Rechte zu leisten. Doch wohin führt dieser Widerstand? Bisher werden im besten Fall nur Regierungen gestürzt, oder es werden temporäre Zugeständnisse wie das Zurücknehmen eines unbeliebten Gesetzes erkämpft. All das ist bewundernswert und verdient unsere Unterstützung.
Doch die Frage bleibt: Wenn das kapitalistische System diese Krisen selbst hervorbringt, was braucht es, um es endgültig auf den Müllhaufen der Geschichte zu werfen?
Es braucht ein klares Ziel vor Augen, eine klare Strategie, welche die Macht der Unterdrückten und der Werktätigen in der Gesellschaft hin zu einem gemeinsamen Ziel bündelt.
Historisch vermochte das bisher nur der Sozialismus. In Anbetracht dessen, was der Kapitalismus uns tagtäglich bietet, beweist sich die Notwendigkeit eines sozialistischen Gesellschafts- und Wirtschaftssystems wieder einmal von Neuem.