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Keine Therapie? – Psychotherapeut:innen fehlen Ausbildungsplätze

Mangel an Therapie-Plätzen: Wer kennt ihn nicht? Eine der Ursachen sind fehlende Ausbildungsplätze für Psychotherapeut:innen. Davon profitieren wiederum Life-Coachs.

2020 wurde der Masterstudiengang „Klinische Psychologie und Psychotherapie“ eingeführt. Dieser sollte den Engpass in der Ausbildung für alle angehenden Psychotherapeut:innen beseitigen. Doch bis heute gibt es diese Weiterbildungsplätze nicht – die Finanzierung ist nicht geklärt.

Nach Schätzungen der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) stecken zurzeit über 1.000 Studierende fest. Sie haben keinen Platz für eine Weiterbildung, und es sollen jährlich etwa 2.500 weitere in diese Sackgasse geraten: „Als Arbeiterkind war meine Hoffnung, mir durch die neue Reform endlich eine Ausbildung zur Psychotherapeutin leisten zu können – ich habe mich wohl getäuscht“, berichtet eine angehende Psychotherapeutin.

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Endloses Warten auf Therapie

Nicht nur der Bedarf nach Therapie steigt von Jahr zu Jahr an, sondern auch die Notwendigkeit. Die Kriege und Kreisen der letzten Jahre belasten uns als Gesamtgesellschaft. Das sieht man auch an den Zahlen: Von 2015 bis 2019 hat sich die Zahl der Menschen, die sich in eine Behandlung begeben, fast um ein Viertel erhöht. Spätestens mit Corona gab es noch nie solch ein Hoch an Therapiebedarf.

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Doch wenn man heute versucht, einen Therapieplatz zu bekommen, wird man oft abgewiesen: Zwei Jahre Wartezeit, endlos lange Wartelisten und überfüllte Kliniken.
Das widerspricht den Aussagen aus dem Jahr 2019, als die Reform für die Studierenden ambitioniert beschlossen wurde: „Wir setzen Anreize, damit mehr Psychotherapeuten als heute neue Patienten aufnehmen.
Psychisch kranke Menschen dürfen keine Schwierigkeiten haben, Hilfe zu finden.“

Dabei haben heute sowohl die Patient:innen Probleme bei der Suche nach freien Therapieplätzen als auch die angehenden Therapeut:innen, ihre berufliche Karriere schuldenfrei zu starten.

Ausweg oder Falle – Das „Coaching“

In Zeiten der Krise und fehlender Hilfe haben sich viele Menschen in Lebenskrisen anders Hilfe geholt, z.B. durch einen sogenannten Life-Coach. Es ist nicht eindeutig, wie viele Coachs es in Deutschland gibt, geschweige denn darüber, wer davon seriös ist. Das Problem: „Coach“ ist keine geschützte Berufsbezeichnung und kann von jed:er angenommen werden.

Oft vermarkten sich Coachs auf Social Media: Vor Luxus-Autos in teuren Urlauben (also einer Menge Geld im Hintergrund) wird Menschen, die nach Hilfe suchen, vermittelt, wie sie durch ein Coaching genauso werden können wie der Coach selbst.

Oft wird mit kostenlosen Erstgesprächen geworben und dann werden die hilfesuchenden Menschen in Verträge gedrängt. Hier machen sich bereits viele diese gefährliche Marktlücke zunutze, die durch das Fehlen von Therapeut:innen entstanden ist. So werden Menschen in prekären Lebenssituationen zum Teil ausgenutzt.

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