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Kriminalstatistik 2024: Warum steigt die Kriminalität?

Das BKA hat die Gesetzesverstöße aus dem vergangenen Jahr ausgewertet. Demzufolge gab es mehr „Messer“, „Ausländerkriminalität“, „Jugendgewalt“ und sexualisierte Gewalt. Mit den Gründen und Ursachen wird sich kaum beschäftigt.

Am Mittwoch veröffentlichte das Bundeskriminalamt (BKA) die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) für das vergangene Jahr 2024. Hier werden von den 16 Landeskriminalämtern alle bearbeiteten Straftaten erfasst und unter anderem nach Straftatbestand sortiert.

Sichtbar für das vergangene Jahr ist ein scheinbar leichter Rückgang von Straftaten in absoluten Zahlen. Als ein Hauptgrund dafür wird jedoch die Cannabis-Teillegalisierung mit ihren Auswirkungen auf die Statistik eingeräumt. Ohne diesen Effekt wäre es laut PKS im Fünfjahresvergleich zu einem leichten Anstieg gekommen.

Für Diskussionen sorgen in Zeiten des politischen Rechtsrucks die gestiegene Gewalt- und „Ausländerkriminalität“. Auffällig sind auch die Zunahme von Fällen bei der Kinder- und Jugendkriminalität sowie sexueller Gewaltdelikte. Was das BKA zudem nicht berücksichtigte, ist die Zunahme der Gewalt von Seiten der Polizei, die in ihrer Konsequenz die Zahl an forcierten Festnahmen steigert.

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Sexualisierte Gewalt häufiger angezeigt

Mit 9,3 Prozent stiegen die Zahlen an Fällen von sexualisierter Gewalt bis hin zu Vergewaltigungen und „sexuellem Übergriffe mit Todesfolge“ auffallend stark. Betroffene von sexualisierter Gewalt sind in den allermeisten Fällen Frauen, die Täter sind fast immer männlich.

Ob es sich tatsächlichen um eine Zunahme von Fällen handelt, stellt das BKA auf seiner Website in Frage. Dort wird erwähnt, dass eine gestiegene Sensibilisierung in der Bevölkerung wahrscheinlich zu einer Zunahme an Anzeigen geführt haben könnte.

Ungeachtet dessen ist davon auszugehen, dass ein Großteil der sexualisierten Übergriffe nicht polizeilich erfasst werden, gerade auch weil die Aussichten auf Verurteilung äußerst gering sind. Zum anderen wenden sich viele Frauen nicht an die Polizei oder Gerichte, da sie mit diesen ebenfalls patriarchalen Institutionen schlechte Erfahrungen gemacht haben.

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Doch Männer sind nicht nur die hauptsächlichen Täter sexualisierter Gewalt. Auch bei Gewalttaten mit Messern und jugendlicher Gewalt sowie allen anderen Straftaten sind die meisten Tatverdächtigen und Verurteilten in überwältigender Mehrheit männlichen Geschlechts. Dies legt den Schluss nahe, dass patriarchale Strukturen in der Gesellschaft dafür mitverantwortlich sind.

Die Perspektivlosigkeit der Jugend fördert Gewalt

Besonders hoch ist der Anstieg von straffälligen Gewaltdelikten bei Kindern um 11,3 Prozent und bei Jugendlichen um 3,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Laut BKA erreichen beide Werte Höchststände im Langzeitvergleich. Als mögliche Ursachen nennt die PKS wirtschaftliche Unsicherheiten, Männlichkeitsnormen, psychische Belastung durch Zukunftsängste und familiäre Faktoren wie häusliche Gewalt oder Vernachlässigung. Bei nichtdeutschen Kindern kommen verschärfende Risikofaktoren wie ein gesteigertes Armutsrisiko oder psychische Belastung durch Fluchterfahrung hinzu. Alles also Folgen des Kapitalismus unserer Zeit.

Wie auch aktuelle Studien zeigen, sind viele junge Menschen von Zukunftssorgen umgeben. Wirtschaftskrisen, Kriege und Aufrüstung, Klimawandel, Bildung, Polarisierung der Gesellschaft oder bezahlbarer Wohnraum lassen viele junge Menschen wenig optimistisch in die Zukunft blicken. Bei der vergangenen Bundestagswahl wurde etwa sichtbar, wie viele junge Erwachsene ihre Stimme der AfD gaben, darunter besonders junge Männer.

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Die Suche nach der „Ausländerkriminalität“

Angetrieben durch die politischen und medialen Debatten von rechts rund um „migrantische Messergewalt“ der letzten Monate hat sich die PKS 2024 gesondert mit „Gewaltdelikten mit Messer“ und „nichtdeutschen Tatverdächtigen“ auseinandergesetzt. Die Zahl der „Messerangriffe“ stieg um 10,8 Prozent. Die absolute Zahl der nichtdeutschen Tatverdächtigen sank jedoch um 1,1 Prozent.

Die Auswertungen von „nichtdeutschen Tatverdächtigen“ liefern weitere Erkenntnisse. Für eine sinnvolle Vergleichbarkeit rechnet das BKA zunächst die ausländerrechtlichen Verstöße heraus, da diese nicht von deutschen Staatsangehörigen begangen werden können, was den Vergleich extrem verzerren würde.

Nichtsdestotrotz: Die Zahlen zeigen, dass Nichtdeutsche und insbesondere nichtdeutsche Männer prozentual häufiger für Straftaten angezeigt wurden als Deutsche.

Das BKA gibt dafür selbst eigene Gründe an: Eine Bevölkerungsgruppe mit einem höheren Männeranteil führt einerseits in den meisten Fällen zu mehr Gewalt. Geflüchtete sind häufig junge einzelne Männer. Personen mit Migrationshintergrund sind zudem häufiger von Armut und prekärer Wohnsituation betroffen, was Kriminalität begünstigt.

Studien zeigen aber außerdem vor allem, dass Straftaten durch „migrantisch“ oder „fremd“ wahrgenommene Personen häufiger angezeigt werden. Auch die häufigeren Kontrollen von Migrant:innen durch Racial Profiling spielen hier eine Rolle. In einem Wort: Rassismus.

Medien und Politik berufen sich häufig auf vorgeblich zu hohe Zahlen von „Ausländerkriminalität“ und wollen eine rassistische Verbindung zwischen ethnischer Herkunft oder Religion und dem Hang zu Kriminalität ziehen. Die PKS zeigt jedoch selbst, dass es unter anderem die Umstände und materiellen Gegebenheiten sind, die zu Kriminalität führen, nicht Hautfarbe oder Geburtsort. 

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