Palästinenser:innen sollen zum „freiwilligen Auswandern“ oder in Lager gezwungen werden, die IDF ermordete zeitgleich 15 Notfallsanitäter:innen im Gaza-Streifen. Währenddessen wollen Merz, Orbán und weitere Länder Netanjahu vor dem Internationalen Strafgerichtshof schützen.
In Ungarn muss sich Netanjahu keine Sorgen machen, nach dem Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) abgeführt zu werden. Am Mittwoch kündigte Fidesz, die derzeit regierende Partei Ungarns, an, dass Ungarn aus dem Internationalen Strafgerichtshof austreten werde. Ministerpräsident Viktor Orbán begründet den Austritt damit, dass der Internationale Strafgerichtshof ein „politisches Werkzeug“ geworden sei und Ungarn darin nicht mitmischen wolle. Die Maßnahme kommt im Zuge von Benjamin Netanjahus Staatsbesuch in Ungarn: derzeit treffen sich Viktor Orbán und der amtierende Ministerpräsident Israels in Budapest, um das politische Bündnis zwischen Ungarn und Israel zu stärken.
„In der Einladung garantiere ich, dass das Urteil des Internationalen Strafgerichtshofs in Ungarn keine Auswirkungen auf ihn haben wird. Wir werden ihm nicht folgen.“, verkündete Orbán im ungarischen Staatsfunk – und damit ist er nicht allein: Sowohl Frankreich, Italien und Polen haben sich ähnlich zu dem Urteil geäußert.
Welche Interessen stehen hinter dem Staatsbesuch?
Netanjahu lobt Orbán für seinen Mut und seine Prinzipienfestigkeit: „Das ist wichtig, nicht nur für uns, sondern für alle Demokratien … es ist wichtig gegen diese korrupte Organisation aufzustehen“. Dabei ist es bekannt, dass Orbán und seine Partei gerne mal Antisemitismus als politisches Mittel nutzen – sowohl mit der Relativierung des Holocausts durch Gaskammer-Vergleiche, als auch mit antisemitischen Erzählungen einer angeblichen Wahleinflussnahme durch den US-amerikanischen Multimilliardär und Philantropen George Soros.
Damit zeigt sich, dass wohl weder Orbán noch Netanjahu das Ziel haben, die Völkerfreundschaft zwischen Israel und Ungarn auszubauen. Vielmehr geht es um außenpolitische Interessen und die Stärkung des Bündnisses zweier rechtsautoritärer Staaten.
Freiwillige Ausreise oder Abschiebung?
Auch unser künftiger Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) scheint das Urteil gegen Netanjahu eher als Herausforderung anzusehen: „Ich halte es für eine ganz abwegige Vorstellung, dass ein israelischer Ministerpräsident die Bundesrepublik Deutschland nicht besuchen kann.“, kommentierte Merz schon Ende Februar. So sichert er Netanjahu zu, Mittel und Wege zu finden, um ihm einen Besuch Deutschlands nach der Regierungsbildung zu ermöglichen. Dabei warnt der Internationale Strafgerichtshof Merz: Alle Mitgliedstaaten des Internationalen Strafgerichtshofs müssen Netanjahu für Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen festnehmen.
Doch auch weit darüber hinaus unterstützt Deutschland Israels Gaza-Pläne: Die „freiwillige Ausreise“ als Vorschlag von Trump wird mit deutscher Mithilfe umgesetzt. Trump stellte das „Angebot“ auf, alle oder nahezu alle Bewohner:innen Gazas umzusiedeln, um Gaza mit amerikanischer Aufsicht neu aufzubauen. Diesen Vorschlag setzt Israel nun Stück für Stück um. Dazu gehörte zuletzt auch der Ausflug dutzender Gaza-Bewohner:innen nach Deutschland, unter ihnen 19 deutsche Staatsbürger. Israel betitelte diese Maßnahme klar als Teil der „freiwilligen Ausreise“, auch wenn Deutschland sich bisher gegen diese Formulierung stellt.
Unsere geliebte deutsche Staatsräson: Wenn Palästina-Solidarität zur Abschiebung führt
IDF: Lager in Gaza
Für diejenigen, die nicht aus Gaza ausreisen können oder wollen, scheint die israelische Regierung nun neue Pläne zu schmieden: Auf X berichtet der rechte israelische Journalist Yinon Magel, dass Israel plane, eine „neue humanitäre Zone“ im Gaza-Streifen aufzubauen, die langfristig genutzt werden solle.
Passend dazu droht der israelische Verteidigungsminister Israel Katz in einer Videobotschaft: „Bewohner Gazas, das ist eure letzte Warnung.“… „Die Attacken der Luftstreitkräfte gegen die Hamas Terroristen waren nur der erste Schritt. Die nächste Phase wird viel harscher werden und ihr werdet den ganzen Preis zahlen. Bald wird die Evakuation der Bevölkerung in den Kampfgebieten fortgeführt. Sollten die israelischen Geiseln nicht befreit und die Hamas nicht vom Gebiet Gazas entfernt werden, wird Israel mit noch nie da gewesener Gewalt agieren“, heißt es weiter.
Mit der Unterstützung Amerikas für den Plan sollen alle Bewohner:innen Gazas in die neue Zone evakuiert werden, ohne Platz für Revolte. Diese Lager sollen dauerhaft von IDF-Soldat:innen überwacht werden und alle, die diese „humanitäre Zone“ betreten wollen, würden von der IDF kontrolliert.
Zwischen den Zeilen liest sich deutlich: Israel plant im Gaza-Streifen ein Lager für Palästinenser:innen aufzubauen, in dem sie ständig durch IDF-Soldat:innen überwacht werden. Alle, die nicht „freiwillig ausreisen“ oder sich in das Lager begeben, müssen damit rechnen, getötet zu werden.
Einer nach dem anderen ermordet
Auch die Lage für medizinische Hilfskräfte verschärft sich immer weiter: 15 Notfallsanitäter:innen wurden laut UN am 23. März einer nach dem anderen von der IDF ermordet und in ein Massengrab geworfen. Darunter befanden sich Mitarbeiter:innen der UN und des Palestinian Red Crescent – einer Hilfsorganisation, die auch in Kriegsgebieten für medizinische Versorgung sorgt. Laut dem Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) waren die Sanitäter:innen auf einer Mission, ihre angeschossenen Mitarbeiter:innen zu retten. Die Fahrzeuge waren klar als Rettungswagen gekennzeichnet.
„Einer nach dem anderen wurden getroffen, sie wurden geschlagen. Ihre Leichen wurden in diesem Massengrab gesammelt und begraben.“, berichtete Jonathan Whittall, Leiter der OCHA in Palästina. Die Notfallsanitäter:innen wurden noch in ihrer Arbeitskleidung mit ihren Handschuhen ausgegraben.
Die IDF versucht jetzt, diese Morde zu rechtfertigen: Die Fahrzeuge sollen nicht klar erkennbar gewesen sein und keine Scheinwerfer oder Notsignale geleuchtet haben. Zudem soll der Einsatz nicht mit der IDF koordiniert worden sein.