Friedrich Merz und Thomas de Maizière bereiten die Arbeiter:innenklasse darauf vor, künftig noch mehr „gefordert“ und noch weniger „gefördert“ zu werden. Der Anstieg des Mindestlohns und Steuersenkungen für Geringverdiener sind nicht mehr fix, und wir sollen für einen besser funktionierenden Staat mehr Ungerechtigkeit akzeptieren. – Ein Kommentar von Jens Ackerhof.
„Wir müssen uns alle gemeinsam ein bisschen mehr anstrengen, damit wir den Wohlstand unseres Landes erhalten können.“, so der künftige Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) im Interview mit der BILD. Thomas de Maizière (CDU), ehemaliger Innen- und Kriegsminister, wiederum erklärt der Zeit, dass man Ungleichbehandlung „in Maßen in Kauf“ nehmen müsse. Die Aussagen der beiden Politiker machen klar, was die künftige schwarz-rote Regierung für die Arbeiter:innenklasse bedeuten wird.
SPD gibt soziale Forderungen bereitwillig auf, um mitregieren zu können
Der BILD gegenüber beteuert Merz, dass bei den Koalitionsverhandlungen eine gute Atmosphäre geherrscht habe und er zuversichtlich auf die künftige Zusammenarbeit schaue. Schließlich habe die CDU ebenfalls ein Interesse an einer starken Sozialdemokratie als Volkspartei der politischen Mitte.
Dieses Interesse scheint auch nicht geheuchelt, schließlich beweist die SPD immer wieder, dass sie ihre wenigen sozialdemokratischen Wahlversprechen bereitwillig fallen lässt, um mit ihren Koalitionspartnern Politik für die Reichen und Konzerne zu machen. So soll die SPD dem Spiegel zufolge eine Erhöhung der Erbschaftsteuer, Kapitalertragssteuer, sowie einer Wiedereinführung der Vermögenssteuer gefordert haben. Nachdem Merz daraufhin mit dem Platzen der Verhandlungen gedroht hat, sind diese Forderungen nun wieder vom Tisch.
CDU und SPD: Sondierungspapier für mehr Krieg und weniger Arbeiter:innenrechte
Denn Merz beteuert im Interview, dass die Unternehmenssteuer gesenkt werden soll. Ganz anders sieht es jedoch mit der eigentlich im Koalitionsvertrag festgelegten Senkung der Einkommensteuer für kleine und mittlere Einkommen aus. Diese steht plötzlich noch gar nicht fest und sei abhängig vom Staatshaushalt.
Auch der Aussage von SPD-Chef Lars Klingbeil, dass der Mindestlohn auf 15 Euro pro Stunde steigen werde, widerspricht Merz. Die Erhöhung oder Senkung des Mindestlohns sei Aufgabe der Mindestlohnkommission, die autonom agiere. Obwohl Merz also nun zurückrudert bei Maßnahmen, die arbeitenden Menschen zumindest ein bisschen mehr Geld in der Tasche übrig ließen, geht er davon aus, dass Union und SPD dem Koalitionsvertrag zustimmen werden. Die neue Bundesregierung würde dann am 6. Mai ins Amt kommen.
Neuverschuldung für mehr Aufrüstung, Pläne für die Wehrpflicht
Merz‘ Beteuerungen, dass er eine Politik machen wolle, die den kommenden Generationen Chancen bieten soll, wirken halbherzig. Schließlich hatte er wenige Monate zuvor die Reformierung der Schuldenbremse abgelehnt, da dies auf Kosten der kommenden Generationen geschehen würde. Stattdessen wurde mit der SPD ein auf Verschuldung basierendes Sondervermögen beschlossen, von dem 500 Milliarden für die Bundeswehr vorgesehen sind.
SPD und CDU planen 500 Milliarden Sondervermögen für die Bundeswehr
Die kommende Generation kann sich also darauf „freuen“, in einer zunehmend militarisierten Gesellschaft aufzuwachsen. Sehr wahrscheinlich würde sie in dieser auch Militärdienst zu leisten haben. Denn während im jetzigen Koalitionsvertrag zunächst noch ein Wehrdienst auf Freiwilligenbasis vorgesehen ist, stellt Merz im Interview deutlich klar, dass daraus mehr werden könne. Auch eine Verfassungsänderung, die den Wehrdienst für Frauen verpflichtend macht, kann er sich vorstellen.
Diese Neuverschuldung sei notwendig gewesen, um die Verteidigung zu gewährleisten. Anstatt rosige Versprechen zu machen, solle die Bevölkerung darauf vorbereitet werden, finanzielle Einschränkungen sowie Einschränkungen ihrer Freiheiten zu akzeptieren. Dies wird durch die Präsenz des Feindes Russland gerechtfertigt, der einen hybriden Krieg gegen Deutschland führe.
So soll der Eindruck erweckt werden, dass Arbeiter:innen im gleichen Boot mit ihren Bossen sitzen. Schließlich hätten sie alle ein Interesse an einem Deutschland, das sicher vor Angriffen ist und sich souverän aus der nun seit 2019 andauernden Stagnation und Krise herausbewegen kann.
Wochenarbeitszeit, härtere Sanktionen für Arbeitslose, Zurückweisungen an der Grenze
Um die Wirtschaft zu stärken, sollen die Menschen daher auch flexiblere Arbeitszeiten akzeptieren: Statt einer Tagesarbeitszeit soll es daher von nun an eine Wochenarbeitszeit geben. Während Merz diese Flexibilität zwar als Vorteil für Arbeiter:innen verkaufen möchte, stellt er im Interview auch klar, dass damit nicht eine Vier-Tage-Woche bei Lohnausgleich gemeint sei, wie sie einige SPD-Politiker:innen gefordert hatten.
So will Regierung die Rente mit 67 und den 8-Stunden-Tag angreifen
Weil Merz den arbeitenden Menschen kaum materielle Verbesserungen versprechen kann, schürt er die Spaltung zwischen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund und die zwischen arbeitenden und arbeitslosen Menschen. Letztere sollen zukünftig mehr „gefordert“ als „gefördert“ werden: Während zwar bereits die Ampelregierung beschlossen hatte, dass eine „Totalverweigerung“ zu einer vollständigen Streichung der Grundsicherung mit Ausnahme der Miete führen könne, gelobt Merz, diese Härtefälle nun auch anwenden und Sanktionen erhöhen zu wollen.
Die Migrationspolitik, in der die Positionen aller im Bundestag vertretenen Parteien zunehmend rechts und migrantenfeindlich geworden sind, ist wohl einer der wenigen Bereiche, in denen Merz und die CDU ihre Versprechen erfüllen werden. So verspricht Merz im Interview, dass es bereits ab dem 8. Mai Zurückweisungen an der Außengrenze geben werde.
De Maizière will weniger „Vetorechte“ und einen stärkeren Staat
Dass die Deutschen sich auf Einschränkungen gefasst machen sollen, ist auch der Ton, den de Maizière im Interview mit der Zeit anschlägt: Der Staat müsse nicht „liefern“, schließlich sei er ja kein Pizzaservice. Auch wie die Bevölkerung einen Koalitionsvertrag bewertet, sei nicht wichtig. Schließlich wäre dieser „vier Wochen nach Verabschiedung aus dem öffentlichen Gedächtnis verschwunden“.
Vielmehr gehe es darum, einen effektiven und verlässlichen Staat zu haben. Da auch die Bürger:innen von solch einem Staat profitieren würden, müssten sie akzeptieren, dass sie in einigen Bereichen weniger Rechte haben. Auch ungerechte Behandlung in Einzelfällen sei gerechtfertigt.
De Maizière bleibt in dem Interview sehr vage und nennt kaum konkrete Änderungen, die im Staatswesen passieren müssen – abgesehen von einem schnelleren Genehmigungsverfahren. Allerdings kritisiert er, dass es im Verwaltungsrecht zu starke „Veto-Positionen“ gebe, beispielsweise im „Emissionsschutz, Datenschutz, Gewässerschutz, Denkmalschutz und so weiter“. Diese Veto-Positionen stellten eine Blockade für einen Staat dar, der eigentlich über mehr Macht verfügen sollte.
Keine Hindernisse für die Aufrüstung
Die Aussagen von de Maizière, so vage sie auch sind, müssen ebenfalls im Kontext des beschlossenen Sondervermögens für Infrastruktur und Aufrüstung verstanden werden: Der deutsche Staat muss möglichst schnell und unkompliziert eine Kriegswirtschaft aufbauen. Umweltauflagen dürfen ihn und deutsche Unternehmen nicht am Ausbau der Infrastruktur und Produktionskapazitäten hindern, und Datenschutzauflagen dürfen nicht den Ausbau der Repressionsapparate – wie beispielsweise der Polizei – im Weg stehen.
Merz und de Maizière wollen uns also darauf vorbereiten, künftig den Gürtel enger zu schnallen, mehr zu arbeiten und unsere persönlichen Freiheiten sowie den Umweltschutz gegenüber dem Ausbau des Staatsapparats und der deutschen Wirtschaft hinten anzustellen. Die einzigen Versprechen, die sie glaubhaft erfüllen können, sind diejenigen, die der Arbeiter:innenklasse aktiv schaden: mehr Abschiebungen und Grenzkontrollen und härtere Sanktionierung von Arbeitslosen.