Die Bundeswehr braucht dringend Zuwachs und die Regierung eine Bevölkerung, die ihren Kriegskurs hinnimmt und befürwortet. Wie das aussehen kann, diskutiert Militärexperte und Bundeswehr-Professor Carlo Masala im Podcast „Politik mit Anne Will“. Seine Sicht auf junge Wehrpflichtige spricht Bände. – Ein Kommentar von Anna Müller.
Carlo Masala ist nicht nur Professor für Internationale Politik an der Bundeswehr-Universität München, sondern auch Autor. Über sein neuestes Buch „Was, wenn Russland gewinnt – Ein Szenario“ sprach er zuletzt im Podcast mit Anne Will. Auf 116 Seiten wird ein Welt-Szenario beschrieben, in dem Russland den Krieg „gewinnt“.
Das wäre für ihn auch dann der Fall, wenn Russland zum jetzigen Zeitpunkt besetzte Gebiete behalten würde. Er beschreibt eine Welt voller „Kampfschwimmern aus einem Atom-U-Boot“, mit Terroranschlägen auf Rüstungsmanager in Deutschland und vieles mehr, was die deutsche Bevölkerung dazu bewegen könnte, die Aufrüstung der BRD zu begrüßen.
Besonders wird die Bedeutung der Aufrüstung herausgestellt, um stets bereit zu sein, sich gegen den Feind zu verteidigen.
Kriegstüchtige Gesellschaften
Eine „resiliente Gesellschaft“ – bei ihm also eine Bevölkerung, die sich auf den Kriegsfall vorbereitet und auch bereit ist, für ihr Vaterland zu sterben – scheint dabei besonders wichtig. Skandinavische Länder, darunter besonders Finnland, sollen dabei als Vorbild dienen. In Finnland sind Männer von Beginn des Jahres, in dem sie 18 Jahre alt werden, bis zum Ende des Jahres, in dem sie 60 Jahre alt werden, dazu verpflichtet, ihr Land zu verteidigen.
In der Podcast-Folge am Mittwoch, 2.4., geht es jedoch um mehr als nur den Roman. Diskutiert wird auch darüber, wie die personelle Aufstockung der Bundeswehr vonstatten gehen könnte. Eine Musterungspflicht wird dabei von Will und Masala als notwendig und sinnvoll erachtet. Diese solle dann für Männer wie auch Frauen gelten.
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Damit sind auch sie ganz auf Linie des geschäftsführenden Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), der die Musterungspflicht nach schwedischem Vorbild als Orientierung nehmen will. Das schwedische Modell sieht vor, dass ein Drittel eines Jahrgangs von 18-Jährigen zur Musterung geladen wird, von denen wiederum ein kleinerer Teil tatsächlich einberufen wird. Dadurch hat der Staat jedoch einen Überblick darüber, wer im Falle des Falls zur Verfügung steht oder potentiell stehen würde.
Lücken füllen und sterben
Warum es eine Musterungspflicht braucht, ist für Masala auch völlig klar: Man müsse sich nur einmal ansehen, wie es im Ukraine-Krieg laufe. Sollte die Bundeswehr mit etwa 200.000 Soldat:innen in den Krieg ziehen, würde nach einigen Monaten ein Drittel tot oder verletzt – also nicht mehr einsatzfähig – sein. Dann braucht es neues Kanonenfutter, das die Lücken auffüllen kann.
Dafür benötigt die Bundeswehr aber einen Überblick darüber, wer das überhaupt machen könnte. Durch die Musterungspflicht würde man wissen, wen man überhaupt potentiell in die Lage versetzen könnte, schnell an der Front zu stehen. In drei bis vier Monaten Ausbildung könnte man bereits die Grundlage erlernen – also das lange Marschieren und treffsichere Schießen.
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Allen, die sich nach einer derartigen Grundausbildung weiter verpflichten, könnte man alles Weitere beibringen. Die Anzahl derer belaufe sich wahrscheinlich auf 5 bis 10 Prozent, was für die Bundeswehr vorerst völlig ausreichend wäre. Eine breite gesellschaftliche Debatte beispielsweise darüber, ob auch Frauen zur Musterung verpflichtet werden sollten, hält Carlo Masala für falsch, da man wenig Zeit habe und dies zusammengefasst nicht zum richtigen Ergebnis führen würde.
Die Diskussion zeigt insgesamt auf, dass die Jugend für die Kriegstreiber:innen tatsächlich nicht mehr ist als menschliches Material, das für die Kriegsinteressen an der Front verheizt werden soll. Um das durchsetzen zu können, bietet sich bereits ein breites Spektrum an Propaganda:
Von Angst schürenden Romanen – wie dem von Masala – oder einem progressiveren Anstrich des Militärs, oder die ach so feministische Einberufung von Frauen zum Sterben an der Front, wie es sie in Teilen Skandinaviens oder Israel gibt – derzeit ist jedes Mittel recht, um die Jugendlichen für ihre künftige Stellung an der Ostflanke zu begeistern.