Zeitung für Solidarität und Widerstand

Nord Stream 2: Kommt ein neuer Gasdeal mit Russland?

Jahrelang haben sich Deutschland und die USA über das Pipeline-Projekt Nord Stream 2 auseinandergesetzt. Durch die Leitung sollte russisches Gas durch die Ostsee nach Mecklenburg-Vorpommern geliefert werden. Jetzt verhandelt ausgerechnet die Trump-Regierung mit Russland über eine Inbetriebnahme. Während die geschäftsführende Bundesregierung dies offiziell strikt ablehnt, gibt es aus der Union bereits positive Signale.

Verkehrte Welt: Die Pipeline-Projekte Nord Stream 1 und 2 waren lange Zeit einer der wichtigsten geopolitischen Streitpunkte zwischen den USA und Deutschland. Jetzt scheint ausgerechnet die US-Regierung das deutsch-russische Projekt wiederbeleben zu wollen – und zwar um selbst am Gasgeschäft mitzuverdienen.

Bei Nord Stream 1 und Nord Stream 2 handelt es sich um Unterwasser-Pipelines, mit denen russisches Erdgas durch die Ostsee ins deutsche Greifswald geliefert werden kann. Nord Stream 1 war seit September 2011 bis zum Ukraine-Krieg in Betrieb. Nord Stream 2 wurde im September 2021 fertig gestellt und ist bisher nie in Betrieb gegangen.

Vorangetrieben durch Schröder und Merkel

In die Wege geleitet hatten die Projekte die Bundesregierungen unter Gerhard Schröder (SPD) und Angela Merkel (CDU) zusammen mit dem russischen Staat. An der Nord Stream AG beteiligt sind der russische Energiekonzern Gazprom, die deutschen Unternehmen Wintershall und die PEG Infrastruktur AG (E.ON), die niederländische Firma Gasunie und die französische Engie, während die Nord Stream 2 AG zu 100 Prozent Gazprom gehört. Gerhard Schröder übernahm nach seinem Ausscheiden aus dem Amt im Jahr 2005 Aufsichtsratsfunktionen bei der Nord Stream 1 AG und wurde später Verwaltungsratschef der Nord Stream 2 AG – eine Funktion, die er bis heute bekleidet.

Die Regierung von Angela Merkel hatte die Pläne für den Pipeline-Bau gegen internationale Widerstände vorangetrieben. Diese kamen vor allem von Seiten osteuropäischer Länder wie Polen und der Ukraine sowie von den USA. Stein des Anstoßes waren die direkten Gaslieferungen von Russland nach Deutschland, ohne den Weg durch ein anderes osteuropäisches Land nehmen zu müssen. Hierdurch würden der Ukraine und Polen nicht nur lukrative Transitgebühren verloren gehen. Vielmehr hätte sich mit der Inbetriebnahme von Nord Stream 2 die strategische Energiepartnerschaft zwischen Deutschland und Russland qualitativ weiterentwickelt und damit die Kräfteverhältnisse in Europa zulasten der USA verändert. Letztere haben zudem ein Interesse daran, ihr eigenes Flüssiggas nach Europa zu verkaufen – was sie seit Beginn des Ukraine-Kriegs im Zuge der Sanktionspolitik gegen Russland auch verstärkt tun.

„Liberation Day“ – Trumps nächster Schritt im Handelskrieg

Den USA ein Dorn im Auge

Die USA torpedierten daher das zweite Projekt nach Kräften. Donald Trump verhängte während seiner ersten Amtszeit im Jahr 2019 Sanktionen gegen Firmen, die am damals fast fertigen Bau von Nord Stream 2 beteiligt waren. Sein Nachfolger Joe Biden war nicht weniger forsch in der Frage. Als er Anfang Februar 2022 während der sich anbahnenden Ukraine-Krise zusammen mit Bundeskanzler Olaf Scholz eine Pressekonferenz in Washington gab, erklärte er auf eine Frage nach dem Pipeline-Projekt: „Wenn Russland … mit Panzern und Truppen die Grenze zur Ukraine überquert, wird es Nord Stream 2 nicht mehr geben.“ Auf den Hinweis eines Journalisten, dass das Projekt unter der Kontrolle Deutschlands stehe, legte Biden nach: „Ich verspreche Ihnen: Das werden wir schaffen.“.

US-Sanktionen gegen die deutsch-russische Gas-Pipeline „Nord Stream 2“ – Was steckt dahinter?

Nach dem Kriegsausbruch, den westlichen Sanktionen gegen Russland und der Einstellung der Gaslieferungen durch Moskau wurden beide Pipelines im September 2022 durch Bombenanschläge schließlich schwer beschädigt. Recherchen des ZDF und des Spiegel legten später nahe, dass ein ukrainisches Kommando für die technisch komplizierten Unterwassersprengungen verantwortlich gewesen sein könnte.

Ukraine-Krieg: Intensive Verhandlungen um Waffenstillstand

Das nächste Kapitel?

Vor diesem Hintergrund erscheint es umso erstaunlicher, dass nun ausgerechnet die US-Regierung von Donald Trump mit Russland über eine Inbetriebnahme von Nord Stream 2 spricht und diese offenbar in die Verhandlungsmasse über ein Ende des Ukraine-Kriegs eingebracht hat. Wie die Berliner Zeitung Ende März berichtet hat, häuften sich Gerüchte über ein mögliches amerikanisch-russisches Geheimabkommen zu der Pipeline. Demnach hätten sich Vertreter:innen beider Staaten in der Schweiz getroffen – wo auch die beiden Nord Stream Unternehmen ihren Sitz haben – und dort über konkrete Geschäftsmodelle diskutiert. In einem solchen Modell könnten US-Investoren russisches Gas kaufen und es dann mit einem Preisaufschlag als „amerikanisches“ durch die Pipeline nach Deutschland liefern.

Die geschäftsführende Bundesregierung lehnt eine solche Inbetriebnahme zwar offiziell strikt ab. In den letzten Wochen melden sich jedoch vermehrt Politiker:innen vor allem aus der Union mit positiven Statements zu einem solchen Schritt zu Wort. Der baden-württembergische Bundestagsabgeordnete Thomas Bareiß (CDU) etwa zeigte sich in einem LinkedIn-Beitrag offen für eine „US-amerikanische Kontrolle“ über Nord Stream 2, wenn auch erst nach einem Ende des Ukraine-Kriegs. Und Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) brachte kürzlich eine Lockerung der Sanktionen gegen Russland ins Spiel. Vertreter:innen von SPD und Grünen widersprachen dem empört, letztere warfen der CDU eine „Moskau-Connection“ vor.

Das angeblich kategorische Nein der Bundesregierung zur Wiederbelebung von Nord Stream 2 scheint aber auch nicht die ganze Wahrheit zu sein: Wie die Deutsche Umwelthilfe Anfang Februar erklärt hat, hätte die Regierung nämlich einschreiten können, als im Januar ein Schweizer Insolvenzverfahren gegen die Nord Stream 2 AG verlängert wurde. Wäre es nicht zu dieser Verlängerung gekommen, hätten Gazprom und alle Investoren des Pipeline-Projekts die Kontrolle darüber verloren. Zu den Investoren zählt der großteils staatliche deutsche Energiekonzern Uniper. Die Umwelthilfe hält es deshalb für möglich, dass sowohl Uniper als auch die deutsche Regierung insgeheim noch auf eine Reparatur und Inbetriebnahme des Projekts spekulieren. Der voraussichtliche nächste Bundeskanzler Friedrich Merz hat sich zu Nord Stream 2 bislang nicht geäußert.

Damit dürfte die Zukunft der Gaspipelines erst einmal weiter die Geheimdiplomatie beschäftigen. Immerhin geht es dabei nicht nur um Gas, sondern um eine wichtige Säule der künftigen Machtarchitektur in Europa.

Perspektive Online
Perspektive Onlinehttp://www.perspektive-online.net
Hier berichtet die Perspektive-Redaktion aktuell und unabhängig

Mehr lesen

Perspektive Online
direkt auf dein Handy!