Während der Hochphase des israelischen Völkermords an den Palästinenser:innen kämpfen diese um die Teilnahme an der FIFA-Weltmeisterschaft 2026. Denn Fußball ist so sehr ein sportliches Ereignis wie ein kulturelles und politisches. Über die Bedeutung des Fußballs für Palästina – Ein Kommentar von Phillipp Nazarenko.
Dass Israel mit seinem Bombenterror, seinen gezielten wie willkürlichen Ermordungen und seinen Hungerblockaden bewusst auch die kulturellen Institutionen Palästinas angreift und zerstört, ist weitläufig bekannt. Dabei macht die Besatzungsmacht weder Halt vor Universitäten noch vor Moscheen, und auch Fußballclubs und Stadien bleiben nicht verschont – ganz zu schweigen von den Menschen, die dort spielen und trainieren.
In den Bombenkratern und Ruinen Gazas, in denen weiterhin Millionen Menschen um das tägliche Überleben kämpfen, hat der Palästinensische Fußballverband (PFA) im März ein Video gedreht, in dem er die Namen seiner Nationalmannschaft vorstellt, welche für die Qualifizierung um die Fußballweltmeisterschaft 2026 antreten soll.
Das Video zeigt junge Palästinenser:innen, welche die Bilder der Fußballer in den Ruinen ihrer Heimat finden, um sie anschließen auf wohl einem der letzten verbleibenden Fußballplätze Gazas aufzuhängen. Fußball, das bedeutet für viele Menschen in Gaza und darüber hinaus Hoffnung und sicher auch Stolz. Einerseits eine Hoffnung, dass die Spieler die Botschaften über ein lebendes und widerständiges Palästina in die ganze Welt tragen. Aber teilweise auch viel simpler, nämlich dass der Fußball als Spiel oft die einzige Ablenkung und Entspannung für Jugendliche wie Erwachsene darstellt.
Doch auch der Fußball ist nicht immun gegen Völkermord. So berichtet der PFA, dass seit dem 7. Oktober Israel insgesamt 408 palästinensische Athlet:innen, inklusive 270 Fußballspieler:innen ermordet habe. Der palästinensische Fußball wird dadurch gleich mehrfach bedroht. Einerseits, weil seine Spieler:innen ermordet und seine Stadien zerbombt werden. Andererseits ist die Finanzierung zusammengebrochen, und die FIFA, welche eigentlich ihre Mitgliedsvereine finanziell unterstützt, wenn sie aus Kriegsgründen nicht spielen können, lässt die PFA ausbluten.
Besonders hart trifft das den palästinensischen Frauenfußball, der sich vor dem Völkermord in Gaza gerade in einer frühen Phase seiner Entwicklung befand. Die Gründung von Frauenfußballteams und ihre internationale Teilnahme an Wettkämpfen sind erst einige Jahre alt. Sie entwickeln dabei enorme gesellschaftliche und politische Strahlkraft und wirken patriarchalen Rollenbildern entgegen. Doch es gehört zur bitteren Realität im Westjordanland, dass Trainings und Spiele palästinensischer Frauen- und Jugendmannschaften von israelischen Tränengasgranaten und Schallbomben unterbrochen werden.
Die Politik im Sport
Dass Sport und die dazugehörige Fankultur generell politisch sind, davon zeugen unzählige Beispiele der letzten Jahre, gute wie schlechte – besonders im Fußball. So gelang es den Bundesliga-Fans 2024, mittels kreativer und starker Proteste den Einstieg unliebsamer Investor:innen zu verhindern, die den Fußball weiter kommerzialisiert hätten.Bei der EM 2024 nutzte Merih Demiral seinen Moment auf der großen Bühne leider, um den Wolfsgruß der faschistischen türkischen „Grauen Wölfe“ zu machen und somit die Politik des türkischen Faschismus ins Stadion zu tragen.
Während der WM 2022 in Katar war es die algerische Nationalmannschaft, die wiederum den palästinensischen Freiheitskampf offen zelebrierte und so ein fortschrittliches Signal der Solidarität setzte. Übrigens zeigten sich seitdem mehrere Fußball-Stars öffentlich palästinasolidarisch, so z.B. Mohamed Salah aber auch Spieler wie Anwar El Ghazi, der im Nachspiel dessen gegen den FSV Mainz gerichtlich vorgehen musste.
Mainz 05: Kündigung nach Palästina-Solidarität rechtswidrig
Auch in anderen Sportarten zeigt sich, dass Sportler:innen ihre Plattform nutzen, um Solidarität kundzutun – und dafür Repressionen in Kauf nehmen. Der Kniefall des Football-Stars Colin Kaepernick während der US-Nationalhymne aus Protest gegen den Rassismus in den USA zur Zeit der Polizeimorde und der folgenden Black Lives Matter Proteste 2016. Er musste danach seine Karriere beenden. Kürzlich berichtete zudem der ehemalige NBA-Star Dwight Howard in einem Interview davon, wie der NBA-Vorsitzende und Agenten ihn aufgefordert hätten, seinen Tweet „Free Palestine“ zu löschen. Womit wir wieder beim Thema wären.
Im November letzten Jahres randalierten und hetzten dann israelische Hooligans in Amsterdam gegen Palästinenser:innen. Allen voran deutsche Medien konstruieren aus der Antwort der Amsterdamer Stadtgemeinschaft „antisemitische Pogrome“. Tatsächlich ging die Gewalt damals von den insgesamt 3.000 angereisten israelischen Fans aus, wie Marius Becker auf Perspektive-Online detailliert berichtete.
Israelische Hooligans randalieren in Amsterdam – Medien konstruieren antisemitische Pogrome
Die FIFA und der selektive Ausschluss
Die PLA fordert daher von der FIFA einen Ausschluss des Israelischen Fußballverbandes (IFA). Dabei beruft sich der PLA auf die eigenen Satzungen der FIFA, wonach so ein Ausschluss geboten ist, wenn ein Land „Diskriminierung“ oder „Menschenrechtsverletzungen“ begeht. Die Entscheidung vor dem FIFA-Council wird jedoch schon seit geraumer Zeit vertagt und gilt als eher unwahrscheinlich. So positioniert sich der Deutsche Fußballbund (DFB), welcher in diesem hohen Rat der FIFA vertreten ist, natürlich strikt pro-israelisch.
Dabei sind zeitlich begrenzte Ausschlüsse von Fußballverbänden durch die FIFA gar nicht so selten, wie sie vielleicht scheinen. In den letzten Jahren kam es so zum Beispiel zum zeitweiligen Ausschluss von Vereinen aus Indien, Kenia oder Simbabwe. Alles mit der Begründung von staatlicher Einflussnahme auf die Verbände. Einen internationalen Aufschrei – weder positiv noch negativ – gab es hierzu nicht.
Einen anderen Präzedenzfall stellt hier aber der Ausschluss der russischen und der belarussischen Mannschaften vom internationalen Spitzensport durch die FIFA im Jahr 2022 dar. Grund hierfür war der russische Einmarsch in die Ukraine, bzw. naheliegend eine entsprechende Lobbyarbeit der ukrainischen Seite.
Von diesem Ausschluss und seiner Berechtigung kann man halten, was man will. Tatsache ist aber, dass kein anderes Land (vor allem kein westliches) für vergleichbare Verbrechen von internationalen Sportevents je ausgeschlossen wurde. So haben beispielsweise amerikanische bzw. NATO-Kriege im Irak oder in Afghanistan nicht zu einer entsprechenden sportpolitischen Ächtung geführt. Auch Israel kann hier als Paradebeispiel eines Staates gelten, der trotz tausendfacher Kriegsverbrechen bisher unbehelligt geblieben ist.
Unabhängig davon, ob es der PLA gelingt, den israelischen Fußball zu sanktionieren, zeigt sich anhand der aktuellen Ereignisse die politische Relevanz des Spitzensportes.                            Â
„Mittelfinger für den Frauenfußball“ – Brandbrief an FIFA