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Rechter Angriff auf 14-Jährigen in Hamburg-Eppendorf

Ende März kam es in Hamburg-Eppendorf zu einem Übergriff auf einen 14-Jährigen, bei dem er von einem erwachsenen Mann gewürgt und geschlagen wurde. Auslöser war ein rotes Halstuch, das der 14-Jährige trug. Rechte Angriffe wie diese haben in den letzten Wochen und Monaten rasant zugenommen. – Eine Einordnung von Yara Sommer.

Juri* wartete an einer Bushaltestelle, während er einen Sticker des HSV abkratzte, als er von einem Mann, den er auf Mitte bis Ende Zwanzig und etwa 1,85m schätzt, angesprochen wurde. Dieser machte eine Bemerkung über seinen roten Schal und fragte, ob er was mit Fußball zu tun hätte. Noch bevor Juri sich richtig zu der Frage äußern konnte, wurde er von dem Mann gewürgt und geschlagen.

Bei dem Angriff auf Juri in Eppendorf geht es nicht nur um Fußball. Auch dieser Angriff war politisch motiviert. Der Täter sah einen ihm körperlich unterlegenen Jungen, der einen Sticker des HSV entfernte und einen roten Schal trug und griff sofort auf gewalttätige Mittel zurück. Niemand griff ein. „Er kam aus dem nichts, packte mich am Hals und presste mich gegen die Bushaltestelle. Er schrie mich an, ob ich etwas mit Fußball zu tun hätte“, berichtet Juri. Niemand versuchte, diesen offenen Angriff, am helllichten Tag, auf einen 14-Jährigen zu beenden oder zu verhindern.

Rechte Angriffe nehmen zu

Angriffe wie diese sind kein Einzelfall. In Brandenburg griffen am 1. März ebenfalls ca. 30 Neonazis das linke Jugendzentrum Jamm e.V. in Senftenberg an. Mit Steinen und anderen Waffen versuchten sie die Anwesenden anzugreifen und zu verletzen. Bereits mehrere Stunden vor dem Angriff konnten Genoss:innen beobachten, wie verdächtige Fahrzeuge die Gegend um das Jamm observierten. Nur durch die schnelle Reaktion der Veranstalter:innen im Jamm konnte schlimmeres verhindert werden. Auch hier kamen die Täter vermutlich aus der rechten Cottbuser Fußballszene.

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Im Februar diesen Jahres griffen rund 20 bis 30 Hooligans der faschistischen Hooligan-Gruppe KOB-Veille einen linken und migrantischen Kulturverein in Paris an, in dem zum Zeitpunkt des Angriffs ein antifaschistischer Filmabend von der sozialistischen und antifaschistischen Jugendorganisation Young Struggle stattfand. Während ihrer Flucht riefen die Täter „Paris est Nazi“, was übersetzt so viel bedeutet wie „Paris ist Nazi“.

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In allen Fällen wurde in Kauf genommen, dass Menschen sterben. Ob in Eppendorf, Paris oder Brandenburg, die Täter griffen immer mit dem Wissen an, dass sie womöglich schwere Verletzungen verursachen könnten. Doch was den Angriff in Hamburg-Eppendorf unterscheidet, ist, dass dieser spontan und nicht geplant war. Der Mann sah einen 14-jährigen Jungen, der nicht Teil seines politischen Weltbildbildes ist und hat sich im Recht gesehen, handgreiflich zu werden.

Das ist eine Form der „alltäglichen“ und spontanen Gewalt gegen Antifaschist:innen, die man nicht losgetrennt von gezielten und geplanten faschistischen Angriffen, sondern als deren Kontinuität verstehen muss. Der faschistische Aufschwung macht den öffentlichen Raum zu einem gefährlichen Ort für Migrant:innen, LGBTI+, Frauen und Antifaschist:innen.

Den Faschisten nicht das Spielfeld überlassen

Die faschistische Szene organisiert sich zunehmend im Fußball und gewinnt an Zuspruch in Stadien und Vereinen. Und die Fanszenen bleiben davon nicht unberührt. Während linke Politik immer weiter aus den Stadien vertrieben wird, fassen die Faschisten weiter Fuß. Gerade beim HSV, einem jahrelang eher unauffälligen Verein, wächst der faschistische Zuspruch stetig. Der feige Übergriff auf den Jugendlichen in Hamburg ist ein Beweis dafür.

Doch es sind nicht nur die neuen Rechten, mit ihren Rebrandings und Szenemerkmalen, die sich im Fußball rumtreiben. Die politische Situation in der BRD gibt auch den alten Rechten wieder Mut, sich in der Szene blicken zu lassen.

Aber auch die antifaschistische Jugend sieht sich zunehmend in der Pflicht sich den faschistischen und rechten Angriffen in allen Lebensbereichen zu widersetzen. Die erfolgreiche Blockade des Naziaufmarsches in Berlin am 22. März wurde zu einem großen Teil durch den organisierten Zusammenschluss tausender Jugendlichen ermöglicht.

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„Darauf muss jetzt aufgebaut werden“, sagt Juri. „Vor uns liegt eine Zeit der Unsicherheit, in der wir der Jugend eine Perspektive geben müssen. Wir gehen auf die Straße, reden mit den Menschen. Wir zeigen ihnen, auf wessen Seite sie in den Zeiten der Übernahme durch Faschisten stehen müssen. Aber nicht nur das. Wir lassen auch nicht zu, dass Angriffe wie diese unbeantwortet bleiben. Faschisten sollten sich nie wohl fühlen. Solche Angriffe sind real und häufen sich. Faschisten laufen Stolz durch Hamburg. Es reicht nicht mehr Bilder in der Insta-Story zu posten, es reicht nicht mehr, sich in Worten gegen den Faschismus zu stellen. Auf Worte müssen Taten folgen.“

*Name geändert

Faschistische Gewalt auf dem Vormarsch – was tun?

 

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