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Regierung will schwedisches Wehrpflicht-Modell, um Kanonenfutter aus uns zu machen

Im neuen Koalitionsvertrag wurde die Einführung einer Wehrpflicht nach „schwedischem Modell“ beschlossen. Für die Herrschenden ist klar: wer Kriege führen will, braucht Soldat:innen, die in ihnen sterben. Diese Form der Wehrpflicht soll ihnen das nötige Kanonenfutter beschaffen. – Ein Kommentar von Matthias Goeter.

Kaum ein Thema scheint in Deutschland den Herrschenden derzeit so am Herzen zu liegen wie weitere Aufrüstung und Militarisierung. Sei es Scholz’ Zeitenwende, der Operationsplan Deutschland, Lobby-Organisationen die Kriegsszenarien entwerfen oder die jüngste Öffnung der Schuldenbremse für Militärausgaben – verbunden mit einem weiteren Sondervermögen für die kriegswichtige Infrastruktur.

Deutschland sollte erklärtermaßen wieder in der Lage sein, Krieg zu führen. Neben obigen Aspekten spielt dabei auch die Frage nach einem konstanten Zustrom an Soldat:innen für die Kriege der Herrschenden eine wichtige Rolle. Im Kontext der allgemeinen Scharfmacherei und unmittelbaren Kriegsvorbereitungen hat dabei auch die Wehrpflicht eine große Bedeutung. Im Koalitionsvertrag der neuen Regierung steht nun, dass in Deutschland ein Wehrpflichtmodell nach dem Vorbild Schwedens eingeführt werden soll.

Wie sieht dieses aus? Alle jungen Menschen aller Geschlechter werden gemustert (in Deutschland sollen es nur Männer sein). Das heißt, es wird geschaut, inwiefern sie sich für den Militärdienst eignen. Doch eingezogen wird man nur, wenn sich nicht genügend Freiwillige zum Dienst gemeldet haben. Damit dies geschieht wird der Militärdienst mit vielen Vorteilen versehen.

Es soll also auf das Prinzip „Freiwilligkeit“ durch weitere Aufwertung der Bundeswehr gesetzt werden – jedoch mit der Möglichkeit die Daumenschrauben auch mehr anzuziehen und Menschen die man für geeignet hält, dennoch einzuziehen, wenn doch nicht genug Jugendliche Lust auf Kanonenfutter haben.

Umstrittene Wehrpflicht

Die Positionen zur Wehrpflicht in der Bevölkerung gehen im Allgemeinen auseinander. Während eine Mehrheit der Bevölkerung sie befürwortet, wird sie insbesondere in den Altersgruppen, die im Zweifel in den Krieg gepresst werden, klar abgelehnt.

Laut einer NDR-Umfrage seien dabei die „überzeugendsten Argumente“ für eine Wiedereinführung der Wehrpflicht, dass diese eine „wichtige persönliche Erfahrung für junge Menschen“ sei, eine „Erhöhung der Verteidigungsbereitschaft“ notwendig sei sowie eine „zunehmende Wichtigkeit für den Katastrophenschutz“ bestehe.

Was damit gemeint ist, flankierte der Spiegel jüngst in einem Essay: „Ein hervorragendes duales Studium, Geld verdienen, Sinnvolles tun. Etwas, das größer ist als man selbst.“ Vielleicht sei unsere Freiheit nicht am Hindukusch (dem Einsatzort der Bundeswehr in Afghanistan) verteidigt worden, „aber ganz bestimmt im Baltikum.“.

Nüchtern und ohne jegliche ideologische Gedankenakrobatik argumentiert hingegen Carlo Masala, Professor an der Universität der Bundeswehr in München. In einem Krieg sei nach einigen Monaten ein Drittel der Bundeswehr verwundet oder Tod. Entsprechend braucht es die Wehrpflicht, um zu gewährleisten, dass weiterhin genug Soldat:innen zur Verfügung stehen, um weiter Krieg zu führen – sprich als Kanonenfutter zu dienen.

„Nach 6 Monaten ein Drittel gefallen oder verwundet“ – Bundeswehr-Professor will Musterungspflicht, um Reihen aufzufüllen

Wehrpflicht als Klassenfrage

Wer dann am Ende auf den zukünftigen Schlachtfeldern für deutsche Kapitalinteressen sterben darf, ist eine Frage der Klassenherkunft. In den USA sind es vor allem Menschen aus der Arbeiter:innenklasse, die mit der Hoffnung auf bessere Chancen und Arbeit in die Armee eintreten. Auch Russland mobilisiert aktuell vor allem ärmere Bevölkerungsschichten aus den Provinzen und von diversen gesellschaftlichen Minderheiten.

Auch historisch waren es nicht die „Reichen und Wichtigen“, die in ihren eigenen Kriegen an der Front starben, sondern zum größten Teil die einfache, arbeitende Bevölkerung.

In der Ukraine ist es nur eine Frage des Geldes, sich von der Musterung, sowie der Einberufung und damit dem quasi sicheren Tod frei kaufen zu können. Ansonsten gibt es auch genug „wichtige“ Aufgaben und Pöstchen im Hinterland, die besetzt werden müssen und – natürlich rein zufällig und nicht so beabsichtigt – für die eigene Sicherheit sorgen.

Diese Doppelmoral wurde dabei auch jüngst bei deutschen Politiker:innen sichtbar. Auf die Frage, ob sie denn ihre Kinder in den Krieg ziehen lassen würde, weicht Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge nur aus.

Ursula von der Leyen, von 2013 bis 2019 Verteidigungsministerin und mittlerweile als EU-Kommissionspräsidentin verantwortlich für milliardenschwere Aufrüstungsprogramme der EU, würde zwar wie „jede andere Mutter“ um ihre Kinder bangen, aber die eigenen sind – verbunden mit einem süffisanten Lächeln – ja nicht bei der Bundeswehr.

Bundeskanzler in spé Friedrich Merz posiert zwar gern im Eurofighter und Verteidigungsminister Boris Pistorius in Tarnkleidung, die eigenen Kinder leben jedoch sicher und weit weg von den Kriegsplänen ihrer Väter.

Wenn also die Herrschenden selbst ihre Kinder nicht in den Krieg schicken wollen? Wieso sollten wir als Eltern unsere Kinder zu Kanonenfutter verarbeiten lassen? Wieso sollten wir als Jugendliche uns diesem „schwedischen Modell“ beugen?

Für uns als Arbeiter:innenklasse – ob jung oder alt – kann das nur bedeuten, das kommende „schwedische Modell“ zu bekämpfen und damit die Kriegspläne der Politik zu sabotieren.

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