Die Gewerkschaft Ver.di erzielt in den Tarifverhandlungen für die Arbeiter:innen im öffentlichen Dienst laut eigener Aussage ein „schwieriges Ergebnis in schwierigen Zeiten“. Was die DGB-Gewerkschaft als Verhandlungserfolg darstellt, ist ein weiterer harter Schlag ins Gesicht unserer Klasse. – Ein Kommentar von Mohannad Lamees.
Vor der Tarifverhandlung im Herbst 2024 hatte Verdi noch Forderungen aufgestellt, die eine Entgelterhöhung von 8 Prozent, mindestens aber 350 Euro monatlich und Zuschläge für besonders belastende Tätigkeiten beinhaltet hatten. Schon ein Abschluss gemäß dieser Forderungen hätte kaum gereicht um die Reallohnverluste der letzten Jahre für die 2,5 Millionen Arbeiter:innen im öffentlichen Dienst auszugleichen. Doch das Ergebnis, das Ver.di nun seinen Mitgliedern zur Abstimmung vorlegt, verfehlt selbst die eigenen Ziele deutlich.
Nach drei gescheiterten Verhandlungsrunden mit den Kommunalverbänden und dem Innenministerium, mehreren Warnstreiks und einer Schlichtungsrunde lässt sich Verdi auf eine stufenweise Erhöhung der Entgelte um 5,8 Prozent ein. Einher geht das mit einer langen Tariflaufzeit von 27 Monaten, in denen die sogenannte „Friedenspflicht” herrscht, Streiks also rechtlich nicht erlaubt sind.
Ver.di setzt die Politik des Kapitals um
Friedenspflicht und „schwieriges Ergebnis“ für die Arbeiter:innen – das bedeutet vor allem, dass sich die 2,5 Millionen Arbeiter:innen im öffentlichen Dienst und alle anderen, deren Verträge an diesen Tarif angelehnt sind, auf weitere Verluste und Senkung der Lebensqualität einstellen müssen.
Die Gewerkschaft verzichtete ganz bewusst darauf, tatsächlich alle zur Verfügung stehenden Mittel im Streit für ein besseres Ergebnis abzurufen: Weder wurde auf eine vierte Verhandlungsrunde beharrt, noch wurden die Warnstreiks in den verschiedenen Bereichen des öffentlichen Diensts so aufeinander abgestimmt, dass sie ihre volle Wirkung entfalten können. Auch die Möglichkeit, die Verhandlungen als gescheitert und einen unbefristeten Streik zu erklären, hätte Ver.di gehabt.
Die DGB-Gewerkschaft macht sich mit dieser Politik einmal mehr zur Handlangerin des Kapitals und beweist, dass ihr der „Frieden“ zwischen Arbeiter:innen und ihren Bossen wichtiger ist als angemessene Löhne, Entlastung, Zuschläge und weniger Arbeitszeit. Dieser „Frieden“ nutzt jedoch nur dem Kapital. Ruhe im eigenen Staat und sich unterordnende Arbeiter:innen geben den deutschen Kapitalist:innen die Möglichkeit, Wirtschaft, Staat und Gesellschaft Schritt für Schritt auf die kommenden kriegerischen Auseinandersetzungen um die anstehende Neuverteilung der Welt und die Sicherung ihres Einflusses und Profits vorzubereiten.
Während also CDU und SPD momentan noch darum feilschen, wie sehr mit ihrer kriegsvorbereitenden Politik in der kommenden Regierungszeit einzelne Teile unserer Klasse angreifen, setzt Verdi bereits Angriffe auf unsere Klasse in die Tat um.
Es ist kein Zufall, dass sich im Tarifabschluss nun auch die Möglichkeit der Mehrarbeit gegen Entgelt und damit die Aufweichung der 40-Stunden-Woche für alle, die auf diese Mehrarbeit wegen sinkender Reallöhne de facto angewiesen sein werden, wiederfindet. Genau die gleiche Forderung steht auch im Sondierungspapier von CDU und SPD. Ver.di – das zeigt sich deutlich – ist keine Vertretung unserer Klasse, sondern ein Anhängsel derjenigen, die unsere Klasse unterdrücken.
Wer kämpft für uns?
Ver.di ist dabei keine Ausnahme. Auch andere DGB-Gewerkschaften funktionieren so, dass sie nicht unsere, sondern letztlich immer nur die Interessen des Kapitals durchsetzen und uns mit Zugeständnissen abspeisen. Wenn die DGB-Gewerkschaften aber nicht konsequent für uns kämpfen, wer tut es dann?
Für unsere Interessen, für faire Löhne und faire Arbeitsbedingungen können wir nur selbst einstehen. Wir selbst sind es, die uns in den Betrieben vernetzen und zusammenschließen müssen, wir selbst können Forderungen aufstellen, wir selbst können Druck aufbauen. Die Gewerkschaften werden sich vielleicht unseren Forderungen anschließen – doch es kann gut sein, dass sie uns dann, wenn wir unsere eigenen Interessen vertreten, davon abbringen wollen. Denn auf welcher Seite sie wirklich stehen, das zeigen sie immer wieder: Auf der Seite des Kapitals.