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So will Regierung die Rente mit 67 und den 8-Stunden-Tag angreifen

Mit der „Aktivrente“ und der Einführung einer Maximalwochenarbeitszeit plant die Koalition zwei größere Angriffe auf die Arbeiter:innenklasse. Dafür benutzt sie eine fiese aber altbewährte Taktik. – Ein Kommentar von Felix Zinke.

Schon seit langem fordern Kapital-Verbände und ihre Ökonom:innen die Aufweichung des Renteneinstiegsalters mit 67 sowie des Acht-Stunden-Tags.

Laut ihrem Koalitionsvertrag will die neue Bundesregierung aus SPD und CDU/CSU diesen Forderungen nun entgegenkommen. Dies geschieht zum einen durch die „Aktivrente“ und zweitens durch eine Abwandlung des Acht-Stunden-Tags hin zu einer wöchentlichen Höchstarbeitszeit.

Mit der „Aktivrente“ malochen bis ins Grab

In typischem Politiker-Schönsprech wurde im neuen Koalitionsvertrag die „Aktivrente“ festgelegt. Dabei geht es darum, dass Menschen, die über das Renteneinstiegsalter von 67 Jahren weiter arbeiten, auf die ersten 2.000 Euro Verdienst pro Monat keine Steuern zahlen müssen. Dies soll als finanzieller Anreiz dafür dienen, auch nach dem Renteneintritt „freiwillig“ weiter arbeiten zu gehen.

Dadurch wird es den Unternehmen ermöglicht, Arbeiter:innen noch länger für ihre Profite arbeiten zu lassen und dies gleichzeitig so flexibel zu halten, dass Renter:innen zum Teil weit über 70 Jahre arbeiten können.

Das Fiese daran ist, dass damit das reale Renteneintrittsalter nach hinten verschoben wird, während gleichzeitig der Schein der „Freiwilligkeit“ gewahrt wird. Tatsächlich sind jedoch die Renten für viele Menschen jetzt schon einfach viel zu niedrig. Bei einer Altersarmutsquote von ca. 20 Prozent handelt es sich also nicht einfach um einen Bonus auf eine verdiente Rente nach einem langem Arbeitsleben. Stattdessen könnte es für nicht wenige zur Überlebensnotwendigkeit werden, um bei den geringen Renten und steigenden Preisen noch von Monat zu Monat zu kommen.

Besonders betroffen von dieser neuen „Aktivrente“ sind aufgrund der höheren Altersarmutsquote die Frauen. Ihre Renten sind oftmals geringer, da sie sowohl geringere Löhne erhalten, als auch aufgrund von Haushalt und Kindererziehung oftmals in Teilzeit arbeiten. Die materielle Notwendigkeit macht somit aus einer „freiwilligen“ Arbeit über die Rente hinaus eine existenzielle „Alternative” zum nicht seltenen Flaschensammeln.

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Abbau von 40-Stunden-Woche und 8-Stunden-Tag in kleinen Schritten

Auch beim Acht-Stunden-Tag legt die Koalition die Axt an: Dies soll über den Umweg geschehen, statt einer täglichen eine wöchentliche Maximalarbeitszeit „im Einklang mit der europäischen Arbeitszeitrichtlinie“ festzulegen. Demnach dürfen Arbeiter:innen bis zu 48 Stunden wöchentlich arbeiten.

Was bedeutet das konkret? Man müsste zukünftig am Montag für 12 Stunden arbeiten und dann am Freitag kürzer. Dabei ist es bekannt, dass so lange Arbeitstage für uns Arbeiter:innen besonders belastend sind und das Unfallrisiko steigt. Vor allem für Arbeiter:innen im Schichtbetrieb (Bau, Pflege, Produktion) kann das richtig hart werden. Eine Tagesgrenze schützt also uns Arbeiter:innen vor besonderer Belastung, während eine Wochenmaximalarbeitszeit vor allem dem Kapital hilft.

Schritte hin zur Aufweichung der 40-Stunden-Woche gibt es schon seit längerem. Sie wurden bereits im Jahr 2022 von dem damaligen BDI-Chef Siegfried Russwurm gefordert. Denn zwei Stunden Mehrarbeit bedeuten eben auch zwei Stunden zusätzlich, die aus jede:m einzelne:n Arbeiter:in herausgepresst werden können. Hier will die Koalition nun nachhelfen, in dem die Zuschläge für Mehrarbeit steuerfrei seien sollen.

Auch hier wird das Ganze als „freiwillig“ dargestellt, während der ökonomische Zwang weiter besteht. Denn mehr zu arbeiten, wird in einer Zeit von dauerhaften Preissteigerungen und zu geringen Löhnen zu einer immer häufigeren Notwendigkeit für viele Arbeiter:innen werden.

Dass zeigte zuletzt auch der Abschluss des TVöD. Dieser glänzte mit einem Reallohnverlust, einer Laufzeit von 27 Monaten und der Einführung der „freiwilligen“ 42-Stundenwoche. Das dies in Anbetracht des Reallohnverlusts eine sehr eingeschränkte Freiwilligkeit ist, zeigt die Ähnlichkeit zu der Taktik der Aktivrente. Zudem wurde mit dem Schlichtungsergebnis ein hart und teils blutig erkämpftes Zugeständnis mit einem ersten Schritt aufgelöst.

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Mit einem Fuß in die Tür gegen unsere Rechte

Sowohl bei der Aktivrente als auch der 42-Stunden-Woche wird eine weitverbreitete psychologische Verkaufstaktik angewendet: Das sogenannte „Foot in the Door”-Prinzip (deutsch: „Fuß in der Tür“-Prinzip) beschreibt hierbei ein Kalkül, das Gegenüber mit einer kleinen, kaum merklichen Forderung dazu zu bringen, Angriffen nachzugeben, die man nicht akzeptieren würde, wenn man das größere Ziel kennen würde. Zum gegenwärtigen Beispiel: wenn das Kapital das Ziel hat, dass es bald wieder normal ist, dass wir 48 Stunden die Woche arbeiten, besteht der erste Schritt dieser Taktik darin, Arbeiter:innen dazu zu bewegen, 41 oder 42 Stunden Wochen auf „freiwilliger“ Basis zu akzeptieren.

Ähnliche Verwendungen dieser Methode können wir auch in anderen Bereichen der Bundespolitik beobachten: seien es die Wiedereinführung der Wehrpflicht in kleinen Schritten, der scheibchenweise Abbau des Sozialstaats oder die Repression gegen immer größer werdenden Teile unserer Klasse. Diese Salami-Taktik hat sich bisher für den deutschen Staat bewährt, da sie durch ihre kleinen kaum merklichen Veränderungen größeren Widerstand bisher verhindern konnte.

Jedoch zeigen die sogenannte „Zeitenwende 2.0“ mit seinen enormen Kriegskrediten und der geplante Ausbau des Überwachungs- und Repressionsapparat im Koalitionsvertrag, dass die kleinen Schritte nicht mehr ausreichen. In der sich zuspitzenden Weltlage wollen der deutsche Staat und das Kapital nicht hinten anstehen, weshalb sie die Angriffe auf unsere Klasse mit immer größeren und weiter ausufernden Schritten vorantreiben. Dies geschieht, um in den kommenden Konflikten um die Neuaufteilung der Weltordnung ganz vorne mitspielen zu können. Die Leittragenden dieser Politik sind vor allem die Arbeiter:innen, Renter:innen, Schüler:innen, Studierenden und Arbeitslosen.

Felix Zinke
Felix Zinke
Perspektive Autor seit 2024. Berlin Informatikstudent und Werki in der IT. Schwerpunkte: internationale Kämpfe und Imperialismus.Begeisterter Radfahrer.

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