Zeitung für Solidarität und Widerstand

TVöD: Pflicht zur Verfassungstreue für Auszubildende und Dual-Studierende

Die Übernahme von Auszubildenden und Dual-Studierenden wird im TVöD an die Bedingung geknüpft, sich „zur freiheitlich demokratischen Grundordnung“ zu bekennen. Politisch aktive junge Menschen werden hiermit von Bund und ver.di auf Staatslinie gebracht. – Ein Gastkommentar.

Im alten TVAöD § 16a hieß es noch gegenüber Auszubildenden, diese würden nach erfolgreich bestandener Abschlussprüfung bei Bedarf für die Dauer von zwölf Monaten in ein Arbeitsverhältnis übernommen, sofern nicht „im Einzelfall personenbedingte, verhaltensbedingte, betriebsbedingte oder gesetzliche Gründe entgegenstehen.“

Da der § 16a mit Ablauf des 31. Dezember 2024 außer Kraft getreten ist, gibt es nun eine Ergänzung. Darin heißt es (gemäß § 16a TVAöD unter Punkt 5. Übernahme von Auszubildenden und Dual-Studierenden) die Voraussetzung für die Übernahme ist, dass Auszubildende und Dual-Studierende des Bundes und anderer Arbeitgeber, in deren Aufgabenbereichen auch hoheitliche Tätigkeiten wahrgenommen werden, „sich durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlich demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen.“ Nun soll das Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung also auch für Auszubildende und Dual-Studierende gelten.

In einer Einigungsempfehlung zum TVöD vom 28. März wurde dann sogar die Formulierung vorgeschlagen, dass während der gesamten Ausbildungsdauer/Studiendauer „kein Zweifel am Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bestehen dürfe“, damit eine Übernahme erfolgen kann! Eine krasse Verschärfung, die einer Gesinnungsprüfung gleichkommt.

Der entsprechende Abschnitt 5 wurde dann in der Schlichtungseinigung vom 6. April umformuliert. Zwar wurde der deutlich schärfere Vorschlag aus der Einigungsempfehlung vom 28. März zurückgenommen, trotzdem muss die jetzt beschlossene Fassung als Freibrief für die Überwachung von Auszubildenden und Dual-Studierenden verstanden werden.

Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts umfasst die FDGO die Menschenwürde, das Demokratieprinzip und die Rechtsstaatlichkeit. Das Prinzip der Republik, des Bundesstaates und des Sozialstaates aus Artikel 20 des Grundgesetzes, die aber der Ewigkeitsklausel unterliegen, gehören dabei nicht zur FDGO.

Laut Wikipedia arbeitete die Politikwissenschaftlerin Ingeborg Maus heraus, dass die Loslösung einzelner Verfassungselemente aus dem Grundgesetz als überpositive Wertentscheidungen demokratische Transformationsprozesse verhindert habe und in der ideengeschichtlichen Tradition nationalkonservativer Staatsrechtslehre stehe.

Überpositives Recht meint in diesem Zusammenhang, dass etwas weit über das von Menschen geschriebene Recht hinausgeht. Selbst Volker Beck, der inzwischen wegen seiner berüchtigten übereifrigen Auslegung der deutschen Staatsräson pro Israel bekannt geworden ist, bezeichnete in einer Bundestagsrede von 1999, die Formel von der „freiheitlich-demokratischen Grundordnung“ als „Kampfbegriff zur Ausgrenzung missliebiger Kritiker“.

Der Radikalenbeschluss in den 1970er Jahren und die Einführungen der Extremismusklausel im Jahr 2011 verstärkten die Kritik an dem Kampfbegriff FDGO. So ermöglichte es die Extremismusklausel, Projekte gegen Rechtsextremismus als linksextremistisch zu kriminalisieren.

https://perspektive-online.net/2025/04/schwierige-zeiten-ver-di-kapituliert-in-den-tvoed-verhandlungen/

Der TVöD als Teil der Aufrüstung nach innen

Mit dieser Formulierung, die sich nun in der Einigung zum TVöD findet, wird die Anwendung dieses Kampfbegriffs auch gegen Azubis und Dual-Studierende im öffentlichen Dienst möglich. Dies muss abgelehnt werden, da dies staatlicher Repression Tür und Tor öffnet.

Die so geschaffene Angst wird eine demokratische Meinungsbildung behindern und entspricht autoritären Gesellschaftsmodellen. Auch das Netzwerk für eine kämpferische und demokratische ver.di sieht in der neuen Regelung im TVöD eine „Drohung für alle politisch interessierten und aktiven jungen Menschen“. Zuletzt habe man gesehen, wie etwa das „Liken“ eines Posts in den sozialen Medien, in dem das Vorgehen Israels in Gaza verurteilt wird, ausgereicht habe, „um eine öffentliche Kampagne gegen die Präsidentin der Technischen Universität Berlin auszulösen“.

Das zeige, „welche einschränkende Wirkung eine solche tarifvertragliche Klausel haben könnte“. Mit dem Paragraf 3 des Tarifvertrags der Länder (TVL), der weitgehend mit der neuen Passage im TVöD übereinstimmt, wurden unter anderem auch die Berufsverbote gegen die Lehramtsanwärterin Lisa Poettinger und gegen den Geoinformatiker Benjamin Ruß begründet. Im Fall von Lisa Poettinger reichte als Begründung ihre Teilnahme am „Offenen Antikapitalistische Klimatreffen München“ aus.

Klimaaktivistin droht Berufsverbot in Bayern

Das Berufsverbot gegen Benjamin Ruß wurde mit von ihm veröffentlichten Texten begründet, in denen er sich für die umfassende Wahrnehmung des Streikrechts und gegen das neue bayerische Polizeiaufgabengesetz (PAG) positionierte. Die nun mit Zustimmung von ver.di erfolgte Ergänzung des § 16a TVAöD wird vor allem zur Folge haben, dass kritische Meinungen und Äußerungen im Keim erstickt werden und muss im Zusammenhang mit der inneren Aufrüstung gesehen und vor allem abgelehnt werden.

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