Die neuen US-Zölle und der Handelskrieg gegen China stürzen die deutsche Autoindustrie tiefer in die Krise. Der VW-Konzern will sich mit Kürzungen, Entlassungen und Rüstungsbau retten.
Am Mittwoch veröffentlichte VW die ersten Quartalszahlen für 2025. Der Jahresstart lief nach eigenen Angaben „besser als erwartet“. Demnach konnten in Europa die Absatzzahlen um 29 Prozent gesteigert werden. Der Verkauf von E-Autos wurde im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt. Bei steigendem Umsatz sanken aber gleichzeitig die Gewinne im Vergleich zum Vorjahr um fast die Hälfte. Auch die US-Einfuhrzölle haben schon erste Einflüsse auf den Konzerngewinn.
Sinkend sind weiterhin auch die Verkäufe des Herstellers Porsche, der mehrheitlich zu VW gehört. Etwa halbiert haben sich die Verkäufe von Porsche-Sportwagen in China. Besser hingegen lief es bei den Absätzen in Nordamerika. Doch besonders der Markt in den USA dürfte für VW in den nächsten Jahren schwieriger werden.
US-Zölle treffen besonders deutsche Autobauer
In der vergangenen Woche kündigte die US-Regierung unter Präsident Trump höhere Zölle auf fast alle ausländischen Importe in die USA an. Die drastischen US-amerikanischen Zölle wurden zwar vorerst für 90 Tage pausiert, jedoch ist kein Ende des internationalen Handelskriegs abzusehen. Die chaotische Kehrtwende des Weißen Hauses am Mittwoch bedeutet, dass die EU bis Juli mit einem Zollsatz von 10 Prozent auf Ausfuhren in die USA konfrontiert sein wird und nicht mit dem 20-prozentigen „Gegenseitigkeitszoll“, der für wenige Stunden in Kraft war. Trumps 25-prozentige Zölle auf Stahl, Aluminium und Autos bleiben in Kraft.
Als einen der größten Pfeiler der deutschen Exportwirtschaft betrifft das in besonderem Maße die Automobilkonzerne, allen voran den größten Autobauer weltweit: VW. Die Zölle stiegen von 2,5 auf 25 Prozent. Zum Vergleich: Die europäischen Zölle auf Autos, die US-Autohersteller nach Europa exportieren, betragen nach wie vor 10 Prozent.
Branchenexperten beschreiben, dass der VW-Konzern mit seiner Marke Audi „am stärksten“ von den Zöllen betroffen sei. Der Volkswagen-Konzern produziert nur etwa 20 Prozent der in den USA verkauften Autos vor Ort. Audi, die Luxusabteilung von Volkswagen, stoppte daraufhin den Export von Autos aus Europa in die Vereinigten Staaten und wies die amerikanischen Händler an, alles zu verkaufen, was sie noch in ihren Läden haben.
Präsident Trump betonte, dass ihm die ungleiche Bilanz des Autohandels zwischen Europa und den USA ein Dorn im Auge sei. Knapp 780.000 Autos wurden im letzten Jahr aus Europa in die USA importiert, mehr als die Hälfte davon deutsche. Gleichzeitig kamen nur rund 271.000 US-amerikanische Autos nach Europa, große Teile davon aus Produktionsstätten deutscher Konzerne. Aktuell sind die USA das wichtigste Exportland der deutschen Autoindustrie.
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Konkurrenten ebenfalls unter Druck
Währenddessen sind in den vergangenen Handelstagen auch die Aktien der US-Autobauer Ford Motor, G.M. und Tesla gefallen. Deren Autos werden in den USA weniger stark nachgefragt – wegen des Kaufpreises oder der Qualität. Analyst:innen sind sich einig: Die Zölle werden die Unternehmen nicht dazu veranlassen, sofort neue Fabriken zu eröffnen oder geschlossene Anlagen wieder in Betrieb zu nehmen. Die Unternehmen werden diesen kostspieligen Schritt erst dann tun, wenn sie sicher sind, dass die Zölle von Dauer sind und sich die Investition von hunderten Millionen – oder Milliarden – Dollar in neue Produktionskapazitäten auszahlen würde.
Bereits im vergangenen Jahr erhöhte die EU ihre Zölle auf chinesische Autos auf bis zu 35 Prozent. Dies wurde gegen den Willen Deutschlands durchgesetzt, da deutsche Autobauer von Exporten nach China abhängig sind und dort auch eigene Fabriken aufgebaut haben, die selbst Autos nach Europa exportieren. Dazu zählen insbesondere E-Autos. Schon damals erklärte die Autolobby, sie befürchte „Rückstoßeffekte, die den Zugang zum chinesischen Markt erschweren.“ Die eingebrochenen Exportzahlen von VW nach China zeugen von den verschärften Handelsbeziehungen.
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IG Metall verhandelt Reallohnverluste
Der VW-Konzern hat trotz Rekordgewinnen längst auf Krisenmodus umgeschaltet. Die Leitung legte Mitte 2024 einen Plan vor, um Milliarden Euro in den kommenden Jahren einzusparen: vor allem durch Entlassungen und Werkschließungen. Die Verhandlungen begann VW mit dem Aufkündigen von Beschäftigungsgarantien. Ende 2024 wurden nach monatelangen Verhandlungen mit Betriebsräten und der IG Metall die geplanten Werksschließungen vorerst wieder zurückgenommen.
Den Verhandlungen fallen jedoch 35.000 Stellen bis zum Jahr 2030 – damit ein Viertel der Belegschaft in Deutschland – zum Opfer. Zudem verzichten die Gewerkschaften für zwei Jahre auf Gehaltserhöhungen, was einen Reallohnverlust bedeutet. In der Auseinandersetzung mit der Gewerkschaft beharrte die Porsche-Familie darauf, die milliardenhohen Dividendenauszahlungen des Unternehmens nicht zu senken, und konnte sich am Ende durchsetzen.
Doch beim Abbau von 35.000 Stellen gab es bereits bei den ersten 370 Mitarbeiter:innen im Stammwerk Wolfsburg eine Panne: Deren Verträge sollten bis zum 15. April auslaufen, jedoch gelten die Arbeitsverträge nach rechtlicher Überprüfung als unbefristet. Nach der neu vereinbarten Beschäftigungssicherung gelten diese Verträge jetzt dauerhaft und können nicht betriebsbedingt gekündigt werden.
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Aufrüstung als Ausweg aus der Krise
VW sieht seine Rettung neben Einsparungen bei der Arbeiterschaft auch in der deutschen Aufrüstung. Eine Delegation um Rheinmetall-Chef Armin Pappberger besuchte im März das VW-Werk in Osnabrück. Aktuell werden in dem Werk mit 2.300 Mitarbeiter:innen Autos für die Marken Volkswagen und Porsche hergestellt. Von aktuell vier Modellen soll bis Mitte 2027 nur noch eines dort hergestellt werden.
Vor der Einigung mit Betriebsräten und IG Metall Ende 2024 war das Werk eines des am stärksten von Schließung bedrohten. Beim Treffen zwischen Rüstungs- und Autoindustrie wurde über eine Ausweitung der Kooperation zwischen der VW-Tochter für Nutzfahrzeuge MAN und dem Panzerbau für Rheinmetall „ergebnisoffen diskutiert“. Auch die Gewerkschaft IG Metall stellte sich nicht prinzipiell gegen die Rüstungskooperation und erklärte das Interesse an einer Übernahme als Zeichen für die „Zukunftsfähigkeit des Standortes“.
Ob das Werk komplett von Rheinmetall für den Bau von Panzern und Waffen übernommen wird, oder ob dort nur militärische Nutzfahrzeuge als Kooperation gebaut werden, ist noch offen. Fest steht jedoch: die milliardenschwere Aufrüstung Deutschlands kommt den strauchelnden Autokonzernen wie VW zugute und bietet einen Ausweg aus der Krise.
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