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Weitere Angriffe auf Migrant:innen und LGBTI+: Konzerne weichen Richtlinien zur Hassrede auf

Die Videoplattform YouTube hat quasi über Nacht die eigenen Richtlinien zu Hassreden verändert. Sie folgt damit Konzernen wie Meta und X. Darüber hinaus ist das Aufweichen von Bestimmungen Teil eines internationalen Trends, bei dem Konzerne insgesamt weniger bereit sind Maßnahmen durchzusetzen, die LGBTI+, Migrant:innen oder andere besonders unterdrückte Gruppen schützen oder schützen sollen.

„Gesellschaftsklassen“ und „Hautfarbe“ sind quasi über Nacht aus den schützenswerten Merkmalen der deutschen Richtlinien des Konzerns YouTube verschwunden. In der US-Fassung fehlt nun das Merkmal „Gender Identity“ (dt. Geschlechtsidentität). Darüber hinaus streicht der Konzern auch bestimmte Negativbeispiele aus seinen Richtlinien.

In den USA war auf YouTube bislang die Verwendung der Begrifflichkeiten „criminals and thugs“ zur Beschreibung einer spezifischen Personengruppe als ein Beispiel für Hassrede angeführt – das ist nun nicht mehr der Fall. Dasselbe ist passiert mit der Behauptung, Transpersonen seien „psychisch krank und brauchen Behandlung“. Ersteres wirkt zunächst politisch neutraler. Ähnliche Bezeichnungen verwendete der US-Präsident Donald Trump in der Vergangenheit allerdings auch, als er über eine Gruppe von Black Lives Matter-Protestierenden sprach.

Die Änderung der Richtlinien erfolgte in beiden Staaten weitestgehend unbemerkt, denn eine Ankündigung dazu erfolgte nicht. In Deutschland wurden die Richtlinien zwischen Dezember 2024 und April 2025 verändert, in den USA zwischen dem 29. Januar 2025 und dem 6. Februar 2025, vermutlich gleichzeitig.

Sperrpflicht von auffälligen Accounts fällt weg

Bei der Sperrung von Accounts fällt die Pflicht weg, sie nach drei Richtlinienverstößen zu sperren. Stattdessen stellt die Sperrung nur noch eine Möglichkeit dar. Auch die Funktion, nach der YouTube-Usern bei Grenzfällen von Hassrede die Möglichkeit zur Monetarisierung genommen wurd, ist gestrichen. Im Kontext des sonstigen Rechtsrucks der Video-Plattform, der sich auch in den Richtlinienveränderungen spiegelt, gilt die Aufweichung der Sperrungen vor allem bei rechten Inhalten und zeigt eine Verschärfung bei linken Contents. Sperrungen bleiben also weiterhin eine Möglichkeit, ihre Anwendung wird nur willkürlicher gestaltet.

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Die Dokumente seien „bewusst sehr weit und schwammig formuliert“, es sei fast unmöglich, sich darauf zu berufen, gibt Josephine Ballon von HateAid zu bedenken. Die Umsetzung der Regelungen sei deshalb „oftmals willkürlich und extrem intransparent“. Das sei auch schon vor den Regierungswechseln in den USA so gewesen.

Weniger Einschränkungen bei Hassrede, weniger Faktenchecks – offener Rechtsruck in der (Konzern-)Politik

YouTube folgt damit anderen Konzernen wie Meta oder X, die bereits in den vergangenen Monaten ihre Richtlinien zu Hassrede und Faktenchecks veränderten: Sowohl X als auch Meta schafften offizielle Faktenchecks ab und ersetzen sie durch sogenannte „Community Notes“. Im gleichen Atemzug kündigten sie die Veränderungen ihrer Richtlinien an. Inhaltsbeschränkungen zu den Themen Migration und Transgeschlechtlichkeit verschwinden sowohl bei Meta als auch bei X aus den Richtlinien. Meta erlaubt beispielsweise seit Januar, Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder ihres Geschlechts als „psychisch krank“ zu bezeichnen.

Die Rechtsentwicklung lässt sich nicht nur bei Medienkonzernen beobachten. Im Zuge des internationalen Rechtsrucks wird die Politik vieler Staaten zunehmend reaktionärer, mit ihr ein großer Teil der Monopole und Großkonzerne.

In den USA werden auch die Rechte von trans Personen immer weiter eingeschränkt: Bereits in den ersten Tagen seiner Amtszeit unterzeichnete Trump ein Dekret, das besagt, dass das Geschlecht eines Menschen nur noch mittels der Geschlechtszellen definiert werden solle, die der Körper produziert. Außerdem wurden bundesweit verschiedene Diversitätsprogramme abgeschafft und Beamt:innen, die im Zuge von Diversitätsprogrammen angestellt waren, wurden vorübergehend freigestellt.

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Andere Großkonzerne folgten dieser Tendenz, so beispielsweise McDonalds: die Fast-Food-Kette schaffte ihre Diversitätsrichtlinien kurzerhand ab. Von moralischen Zugeständnissen hat auch der Finanzsektor langsam genug – vor dem Hintergrund, dass man vermeintliche „Fortschritte auf dem Weg zur Klimaneutralität“ habe, verließen erst Anfang des Jahres mehrere US-Großbanken eine Klima-Allianz.

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