Das vermeintliche „Chaos“ der US-Zölle hält die ganze Welt in Atem. Doch während Politiker:innen und Medienhäuser weltweit den Zollkrieg als eine Art Amoklauf von Donald Trump darstellen, liegt der Maßnahme ein strategischer Plan der USA zugrunde. Das Kunststück: Geostrategie mit Zöllen – Ein Kommentar von Thomas Stark.
„Ich weiß verdammt gut, was ich tue“, erklärte US-Präsident Donald Trump diese Woche bei einem Gala-Dinner seiner Republikanischen Partei in Washington. Am Mittwoch um 0.00 Uhr (US-Ostküstenzeit) traten dann die Zölle gegen knapp 90 Staaten in Kraft, die er in der vergangenen Woche bei einer groß inszenierten Pressekonferenz angekündigt hatte. Für die meisten Handelspartner der USA lagen diese zwischen 10 und 50 Prozent.
In der Nacht zum Donnerstag hat der US-Präsident allerdings bereits eine dreimonatige Aussetzung der von ihm verhängten Zölle für all die Nationen beschlossen, die mit seiner Regierung über eine Lösung verhandeln. Zugleich kündigte er an, die Zölle auf chinesische Waren auf insgesamt 125 Prozent anzuheben, nachdem China Gegenzölle beschlossen hatte.
„Liberation Day“ – Trumps nächster Schritt im Handelskrieg
Die Ankündigung Trumps hatte am Donnerstag und Freitag vergangene Woche ein weltweites Börsenbeben ausgelöst, das sich auch in die nächste Woche zog. Der amerikanische Börsenindex S&P 500 verlor in zwei Tagen 10,5 Prozent seines Wertes. Der DAX ist gegenüber seinem Rekordhoch in diesem Jahr um 17 Prozent eingebrochen. Die EU-Staaten einigten sich am Mittwoch auf erste Gegenzölle zwischen zehn und 25 Prozent auf eine genau abgestimmte Liste von Waren. Diese sollen ab nächste Woche Dienstag greifen. China erhebt ab diesem Donnerstag Sonderzölle von 84 Prozent auf alle US-Waren.
Die globale Wirtschaftspresse überbietet sich derweil darin, Trump angesichts der Zölle den Verstand abzusprechen. Die „handelspolitischen Vergehen“, die er anderen Nationen zur Begründung vorwerfe, seien „größtenteils herbeifantasiert“, schreibt das Handelsblatt. Der Londoner Economist nennt die Zölle „hirnlos“. Alle sind sich einig, dass sie wirtschaftliche Verwüstungen nach sich ziehen werden. Hinzu kommt, dass Trump auch australische Inseln mit Zöllen belegt hat, auf denen nur Pinguine und andere Tiere leben.
Tatsächlich liegt dem scheinbar anlasslos angezettelten Zollkrieg der USA ein Plan zugrunde, der schon länger von Beratern Trumps ausgearbeitet wurde. Dieser verbindet ausdrücklich die Handels- und Finanzpolitik der USA mit der Geostrategie des Landes.
Eine neue alte Weltordnung für die USA
Um zu verstehen, worum es dabei geht, muss man sich zunächst klarmachen, dass die internationale Finanzordnung – als zentraler Teil der wirtschaftlichen und politischen Weltordnung – ein Spiegelbild der gegenwärtigen globalen Machtverhältnisse ist.
In der Weltordnung, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg und später dem Zerfall des sowjetisch dominierten Ostblocks entwickelt hat, nahm die USA die Rolle als imperialistische Hegemonialmacht ein. Diese wird jedoch seit Jahren von aufstrebenden Mächten ernsthaft infrage gestellt, allen voran China.
US-Präsident Trump verfolgt offensichtlich das Ziel, die führende Position der USA durch eine neue globale Ordnung sicherzustellen, die alten stabilen Machtverhältnisse also wiederherzustellen. Das zeichnet sich z.B. in seinen Plänen ab, die USA zunehmend aus Europa zurückzuziehen und auf die Pazifikregion zu konzentrieren sowie Kanada, Grönland und den Panama-Kanal unter die Kontrolle der USA zu bringen.
In den ersten beiden Punkten führt Trump dabei eine Strategie fort und radikalisiert sie, wie sie bereits unter seinem Vorgänger Barack Obama eingeleitet wurde.
Angehender Grönland-Raub: Imperialismus kennt keine Freunde
Der US-Dollar und die Weltfinanzordnung
Eine tragende Säule der US-Welthegemonie ist die Rolle des US-Dollars als Weltleit- und Reservewährung. Diese hat er schon seit dem Zweiten Weltkrieg, als die USA das Vereinigte Königreich als Führungsmacht der kapitalistischen Welt abgelöst haben. Der US-Dollar wird nach Angaben der renommierten Denkfabrik Brookings heute bei 58 Prozent aller internationalen Zahlungen verwendet und sein Anteil an den weltweiten Währungsreserven beträgt rund 60 Prozent, gefolgt vom Euro mit 20 Prozent.
Die Tendenz ist in beiden Fällen zwar fallend – 1977 betrug der Dollaranteil an den Währungsreserven noch 85 Prozent. Es ist jedoch derzeit keine Währung in Sicht, welche die Rolle des Dollars langfristig einnehmen könnte: Der chinesische Yuan spielt international nur eine geringe Rolle, weil China ihn durch strikte Kapitalverkehrskontrollen vom Weltmarkt abschirmt.
Und der Euro ist in seiner Bedeutung dadurch limitiert, dass er von konkurrierenden kapitalistischen Ländern verwendet wird, die sich z.B. nicht gemeinsam verschulden wollen. Auch das eigene Zahlungssystem der BRICS-Staaten, inklusive Russland, lässt wohl noch einige Zeit auf sich warten. Doch die Entwicklung zeigt seit Jahren ganz klar in Richtung Ablösung der US-Dollar-Dominanz.
In der Nachkriegszeit war der Wert des Dollars im sogenannten Bretton-Woods-System zunächst noch ans Gold gekoppelt und die Währungen führender kapitalistischer Länder wie die westdeutsche D-Mark standen in einem festen Wechselkurs zum Dollar. Die Goldbindung hob der damalige US-Präsident Richard Nixon 1971 auf – und zwar fast zeitgleich mit der überraschenden Aufnahme diplomatischer Beziehungen zur Volksrepublik China, der im folgenden Jahr Nixons Handschlag mit Mao Tse-Tung in Peking folgte.
Beide Maßnahmen (seitdem auch bekannt als „Nixon-Schock“) führten langfristig zur Etablierung der globalen Handels- und Finanzordnung, wie sie heute noch fortbesteht: Die Lösung vom Gold und die Einführung freier Wechselkurse zwischen den kapitalistischen Staaten haben es ermöglicht, dass Staaten sich ohne Rücksicht auf die Aufrechterhaltung ihres Währungskurses frei verschulden konnten.
Der internationale Kapitalverkehr explodierte seitdem förmlich, ebenso wie die weltweite Verschuldung von Staaten, Unternehmen und Privatpersonen. Lag diese 1970 noch etwa auf dem Niveau des Weltbruttoinlandsproduktes, ist die Verschuldung bis heute auf mehr als das 3,3-fache des globalen BIP angestiegen. In Zahlen sind das etwa 315 Billionen US-Dollar. Allein seit 2020, als die führenden kapitalistischen Länder Billionen Dollar zur Bewältigung der Corona-Pandemie in die Wirtschaft pumpten, ist die absolute Verschuldung noch einmal um 21 Prozent gestiegen. Die USA hatten im Jahr 2023 Staatsschulden in Höhe von 30,8 Billionen Dollar, was 111 Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes entsprach.
Diese Entwicklung auf den Finanzmärkten seit den 1970er und 80er Jahren war wiederum davon begleitet, dass die USA und andere kapitalistische Länder Teile ihrer Industrien abwickelten und stattdessen Industriewaren aus anderen Teilen der Welt importierten.
Spätestens nach dem Zerfall der Sowjetunion und dem Ende des Ostblocks 1989-91 etablierte sich schließlich ein internationalisiertes System der Kapitalakkumulation mit der Herausbildung globaler Produktionsketten: Vielfach verblieben nur noch das Design und die High-Tech-Endfertigung von Autos und anderen komplexen Produkten in den imperialistischen Ländern, während einfache Bauteile, Vorprodukte und günstige Massenware in China, Taiwan und Südostasien produziert wurden.
Es ist also wenig dran an der heutigen Angstmacherei in Deutschland und den USA gegenüber China beispielsweise – die sogenannte „Deindustrialisierung“ war geplant und in Friedenszeiten viele Jahre profitabel für die Finanzzirkulation im Westen. Dienstleistungen, besonders im Bankensektor und der Tech-Industrie boomten. Doch was, wenn der ehemalige Zulieferer China zum Aspiranten eines Welthegemons aufsteigt?
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Kapitalimport als Machtmittel
Eine zentrale Rolle in der US-Hegemonialstrategie ab den 1970er Jahren und der Architektur der globalen Produktions-, Handels- und Finanzbeziehungen spielte China. Der Deal, der sich zwischen den beiden Ländern herausbildete, lässt sich in etwa wie folgt zusammenfassen: Die USA verschuldeten sich bei China und kauften von dort billige Industriewaren, z.B. Elektronik.
So konnte China eine eigene Industrie aufbauen, während die USA durch billige Importe den Lebensstandard ihrer Arbeiter:innenklasse heben konnte. Dabei wurde die Volksrepublik so stark mit US-Staatsanleihen, also Schuldscheinen des amerikanischen Staates, geflutet, dass China hierdurch in eine Abhängigkeit von der Finanzmacht der USA geriet. Ähnliche Geschäftsbeziehungen bauten die USA auch zu Europa und vielen anderen Ländern der Welt auf. Sie importierten mehr von dort als sie exportierten und verschuldeten sich zudem bei diesen Ländern. Die USA „importieren“ also Kapital und sicherten damit die Stabilität im eigenen Land sowie ihre eigene Vormachtstellung.
In der Folge basiert das internationale Finanzsystem noch heute auf dem US-Dollar und US-amerikanischen Staatsanleihen: Andere Staaten und private Unternehmen kaufen und halten permanent „Treasuries“ (US-Staatsanleihen). Das funktioniert, solange der Dollar im internationalen Zahlungsverkehr unabdingbar ist und die US-Staatsanleihen als sicherste Anlageklasse der Welt gelten. Der Markt für diese Anleihen ist so groß (Anfang 2020 befanden sich etwa fast 17 Billionen Dollar davon im öffentlichen Umlauf), dass sie zu jeder Zeit zügig verkauft werden können und damit auch im Wert stabil bleiben.
Die USA können sich wiederum nahezu unbegrenzt verschulden, weil weltweit permanent eine Nachfrage nach US-Dollars und US-Staatsanleihen besteht, nämlich um länderübergreifend Waren zu kaufen und Zahlungen zu bedienen. Diese „unbegrenzte“ Nachfrage nach Dollar führt aber auch dazu, dass der Preis des US-Dollar konstant hoch ist und auch während Wirtschaftskrisen nicht substanziell fällt.
Dieses System ermöglicht es den USA, ihre Finanzmacht im Konkurrenzkampf mit anderen Staaten als Waffe einzusetzen, vor allem durch Sanktionen, wie das Einfrieren von Vermögenswerten und den Ausschluss vom US-Finanzsystem (wie seit 2022 gegen Russland verhängt).
Dieses System hat für die USA jedoch auch einen Preis. Genau dies ist der Punkt, den das Trump-Lager und ökonomische Berater des US-Präsidenten heute immer wieder betonen und zur Begründung ihrer Zollpolitik heranziehen: Ist der Dollar nämlich teuer, kosten auch US-Industriewaren in anderen Ländern mehr. Dies wiederum, so die Argumentation, schwächt die Konkurrenzfähigkeit der Exportindustrien der USA – und damit die US-Industrie insgesamt.
Das Kunststück
Es ist eine Binsenweisheit, dass jede internationale Ordnung ihre Zeit hat und irgendwann an ihre Grenzen stößt. Dies gilt für jede bisherige internationale Handels- und Finanzordnung in der Geschichte des Kapitalismus. Im Falle der dollarbasierten, globalisierten Finanzordnung der letzten Jahrzehnte sind diese Grenzen durch drei Entwicklungen gegeben, die eng miteinander verbunden sind:
- Erstens ist die weltweite Verschuldung und speziell die US-Staatsverschuldung so massiv angewachsen, dass seit Jahren die Frage diskutiert wird, wie lange diese Situation noch tragbar ist bzw. wann die Verschuldung in irgendeiner Form bereinigt werden muss.
- Zweitens ist der Anteil der USA am globalen Bruttoinlandsprodukt in den letzten Jahrzehnten deutlich zurückgegangen, nämlich von ca. 40 Prozent (1960) auf aktuell 26 Prozent (2024).
- Drittens ist die Industrie in den USA wie in anderen führenden kapitalistischen Ländern zurückgegangen. Statistiken der International Labour Organization geben den Anteil der Industriebeschäftigten an allen Erwerbstätigen in den USA mit 19,3 Prozent an. Trumps ökonomischer Chefberater Stephen Miran sieht in einem ausführlichen Paper von 2024 sogar ein Sinken des Anteils der Industriearbeiter:innen an den US-Beschäftigten von ca. 20 Prozent (1980) auf unter 10 Prozent (2024).
Miran ist es auch, der im selben Artikel das Zollkonzept entwickelt hat, das die US-Regierung nun eifrig in die Tat umsetzt. Seine Argumentation ist dabei die, dass die USA zwar auf der Grundlage des aktuellen Systems ihre Rolle als Finanzmacht ausüben können. Dies werde für die USA, deren Anteil an der Weltwirtschaft sich verringert, aber eine immer größere Herausforderung, immer teurer und untergrabe ihre Hegemonialstellung auf andere Weise:
Durch die Schwächung der US-Industrie würde nämlich die militärische Vormacht der USA in der Welt langsam erodieren. Um militärisch langfristig mit der aufstrebenden Weltmacht China mithalten zu können, müssten die USA ganze Produktionsketten wieder ins eigene Land zurückholen, die sie in den vergangenen Jahrzehnten in andere Teile der Welt ausgelagert hatten.
Es gebe aktuell also einen geostrategischen „Tradeoff“ zwischen der Finanzmacht der USA und ihrer Wettbewerbsfähigkeit als Exportland, Industriestandort und Militärmacht. Zudem verschärfe die Schwächung der Industrie die Lage der US-Arbeiter:innen und schaffe damit eine brennende soziale Frage, die den gesellschaftlichen Hintergrund von Trumps Wahlsiegen und seiner MAGA-Bewegung bilde.
Ziel müsse es laut Miran nun sein, das Kunststück zu vollbringen, die Überbewertung des US-Dollar zu reduzieren, ohne dabei die Rolle des Dollars als Weltreservewährung und damit Säule der US-Finanzmacht zu zerstören. Der heutige US-Finanzminister Scott Bessent argumentierte im Oktober vergangenen Jahres in eine ähnliche Richtung. Ihm zufolge müssten die USA „politische Maßnahmen ergreifen, um die Ursachen der Ungleichgewichte in der internationalen Wirtschaft zu korrigieren.“. Dazu müssten sie „ihre Sicherheits- und Wirtschaftsbeziehungen enger miteinander verknüpfen“.
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Zölle als Druckmittel in Verhandlungen
Die Grundidee der neuen Zollpolitik der US-Regierung, wie sie sowohl Miran als auch Bessent schon im vergangenen Jahr vorgeschlagen haben, ist es, andere Staaten durch die Zölle zu Verhandlungen zu zwingen. Als Ergebnis dieser Verhandlungen sollen diese Staaten einen Teil der „Kosten“ übernehmen, die den USA aus ihrer Rolle als globaler Finanzmacht und Lieferant der begehrten Dollars entstehen. Was Miran vorschwebt, ist eine Vereinbarung mit Partnerländern, bei der diese z.B. Teile ihrer Dollar-Reserven verkaufen und sich im Gegenzug verstärkt an den Kosten für US-Sicherheitsgarantien beteiligen.
Dies nennt er in Anlehnung an frühere internationale Vereinbarungen und Trumps Anwesen in Florida: „Mar-a-Lago-Accord“. Würden die anderen Länder sich einer solchen Einigung jedoch verweigern, könnten die USA auch einseitig „Benutzergebühren“ für ihre Staatsanleihen erheben, etwa in Form von Steuern auf deren Zinsen. Wichtig wäre es in jedem Fall, die Zölle gleichzeitig auf alle zu erheben, damit einige Staaten nicht Teile ihrer Produktion in andere Länder verlegen können, um diesen zu entgehen. Â
Trumps Show vor der Presse in der vergangenen Woche und die Einführung globaler Zölle an diesem Mittwoch dürfte als der erste Schritt in diesem Plan zu verstehen sein und erst einmal dem Zweck dienen, andere Staaten an den Verhandlungstisch zu zwingen. Diese Strategie ist in einigen Fällen bereits aufgegangen: Als eines der ersten Länder meldete sich Vietnam in der vergangenen Woche zu Wort und bot den USA ein neues Wirtschaftsabkommen ohne Zölle an. Auch die EU bot Trump bereits einen Null-für-Null-Zoll-Vereinbarung für alle Industrieprodukte an. Dies lehnten die USA jedoch ab, da der so wichtige EU-Agrarsektor ausgespart wurde. Die Verhandlungen sind in vollem Gange.
Währenddessen führt diese Strategie auch zu nachteiligen Gegenbewegungen. So hat China ein historisches Freihandelsabkommen mit Japan und Südkorea geschlossen, um ihre Volkswirtschaften zu schützen. Die ist ein Problem für die US-Geostrategie, da Japan und Südkorea nach Australien zu den wichtigsten US-Bündnispartnern im Pazifik zählen.
Das Börsenbeben in der vergangenen Woche dürfte bei diesem Vorgehen ebenso einkalkuliert gewesen sein wie die öffentliche Wahrnehmung der ganzen Maßnahme als ein exzentrischer Alleingang Trumps. Die bizarre Pressekonferenz des früheren Reality-TV-Stars nebst der Verhängung von Zöllen auf Pinguininseln ist Teil einer Show, die seit vergangener Woche das Internet beschäftigt und potentielle Verhandlungspartner verwirrt. Es (Trump) erfüllt damit auch einen politischen Zweck in den anstehenden Verhandlungen.
Wie erfolgversprechend ist der US-Plan?
Ob der Zollkrieg der US-Regierung am Ende auch zum gewünschten Ziel führt, ist natürlich keinesfalls sicher. Selbst Miran sieht in seinem Paper nur einen „engen Pfad“ zur Neuordnung des globalen Handels- und Finanzsystems durch die Trump-Regierung. Es ist eine allgemeine Erkenntnis, dass kein noch so guter Kriegsplan das erste Gefecht überlebt. Und dieses hat spätestens mit den Gegenzöllen Chinas und der EU begonnen. Das Ergebnis des Handelskrieges wird am Ende wie häufig in der Geschichte vermutlich eines sein, das keine der beteiligten Parteien angestrebt hat.
Ein realistisches Szenario ist zum Beispiel, dass der Handelskrieg eskaliert und Teile der Weltwirtschaft dauerhaft in eine schwere Krise stürzt. Das Handelsblatt spuckte am vergangenen Freitag Gift und Galle gegen Mirans finanzpolitische Vorschläge, ohne dabei tiefer auf seine geostrategische Argumentation einzugehen. Es warf dabei aber z.B. die berechtigte Frage auf, ob die US-Notenbank in einem der nächsten Schritte die Notversorgung anderer Staaten mit Dollars einstellen könnte?
Mit dieser Notversorgung hatte die Fed zuletzt während der Corona-Pandemie einen Zusammenbruch ganzer Volkswirtschaften verhindert. Die Einstellung dieser Notversorgung wäre nicht weniger als eine historische Zäsur und könnte noch ganz andere Beben durch die Wirtschafts- und Finanzwelt jagen als die der vergangenen Woche.
Es wäre auch nicht das erste Mal, dass ein mächtiges kapitalistisches Land durch einen einseitigen Schritt eine globale Krise mit dem Ziel hervorruft, weniger geschwächt als konkurrierende Länder daraus hervorzugehen. Im Jahr 1931 etwa hob das Vereinigte Königreich als damals führende Weltfinanzmacht unter dem Druck der Finanzmärkte die Golddeckung des Pfund-Sterling auf und wertete diesen damit drastisch ab. In der Folge mussten Frankreich und Deutschland ebenfalls protektionistische Maßnahmen ergreifen, welche die Länder in eine immer tiefere Wirtschaftskrise rissen. In Deutschland begünstigte dies den Übergang zur faschistischen Diktatur im Jahr 1933.
Ebenso realistisch ist es heute, dass der Zollkrieg vor allem zu heftigen wirtschaftlichen Verwerfungen in den USA führt, welche die ländliche Arbeiter:innenklasse und die Farmer:innen und damit wichtige Teile der republikanischen Wählerbasis ins Elend stürzen. Davor warnen inzwischen auch republikanische Politiker. Trump wischte die Befürchtungen beim republikanischen Gala-Dinner am Dienstag mit der Bemerkung weg, die Partei würde bei den Kongresswahlen 2026 mit einem „Erdrutschsieg“ gewinnen.
Nicht zuletzt könnte der Zollkrieg die Widersprüche unter Trumps engsten Verbündeten weiter anfachen. Schon seit seinem Amtsantritt gibt es Berichte über starke Spannungen zwischen den US-Tech-Oligarchen um Elon Musk, die wenig geschäftliches Interesse an Handelsbarrieren wie Zöllen haben, und Vertreter:innen von Trumps MAGA-Bewegung. Die Tech-Konzerne sind momentan besonders stark vom Börsencrash betroffen.
In dieser Woche eskalierte dann eine öffentliche Fehde zwischen Elon Musk und Peter Navarro, einem weiteren Architekten von Trumps Zollpolitik. Navarro warf Musk vor, dessen Autokonzern Tesla montiere nur Fahrzeuge aus fremden Zulieferungen. Musk nannte Navarro „dümmer als ein Sack Ziegel“. So albern dieser Streit auch wirkte, so sehr traf er doch auch den Kern der geostrategischen Herausforderung, vor der die USA gerade stehen.