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1. Mai: Revolutionäre Demos wachsen an – Polizei hält sich zurück

Zehntausende waren am 30. April und 1. Mai bei hunderten Demonstrationen auf den Straßen. Vor allem revolutionäre Demos am Mai-Abend konnten dabei teils starke Zuwächse verzeichnen. Zwar gab es bundesweit mehrere dutzend Festnahmen und Polizeiübergriffe, insgesamt blieben größere Konfrontationen jedoch aus. – Der Überblick.

Im ganzen Land haben rund um den internationalen Kampftag der Arbeiter:innenklasse zehntausende Menschen auf den Straßen demonstriert. Auch in diesem Jahr konnten nach Angaben der verschiedenen Veranstalter:innen insbesondere revolutionäre Demonstrationen einen deutlichen Anstieg der Teilnehmer:innenzahl verzeichnen.

In insgesamt über 40 Städten organisierten antikapitalistische und kommunistische Gruppen und Organisationen revolutionäre 1. Mai-Aktionen, beteiligten sich mit klassenkämpferischem Ausdruck an den Demonstrationen des DGB oder nahmen sich am Abend vor dem 1. Mai die Straße. Der Überblick:

30.000 beim revolutionären 1. Mai in Berlin

„Überwiegend friedlich“ – so bilanziert die Polizei den 1. Mai 2025. Und tatsächlich hielt sich die Polizei bei den revolutionären Demonstrationen in diesem Jahr auffällig zurück.

Der größte Aufzug fand wie jedes Jahr in Berlin statt. Die Veranstalter:innen sprechen von weit über 30.000, die Polizei von 18.000 Teilnehmer:innen – im letzten Jahr seien es noch 11.000 gewesen.

Thematisiert wurden auf der Demonstration durch Berlin-Neukölln vor allem die massiven Aufrüstungspläne der Regierung, die damit einhergehenden Kürzungen und die deutsche Beteiligung am Genozid in Palästina. Auch der Sozialabbau, den man gerade in Berlin in den letzten Jahren deutlich zu spüren bekommen hat, wurde angeprangert.

Auf der Kundgebung meldete sich dann auch Daniela Klette, der vorgeworfen wird, ein ehemaliges Mitglied der RAF zu sein, mit einem Grußwort aus dem Frauengefängnis im niedersächsischen Vechta zu Wort: „Solidarische Grüße an alle Unterdrückten und Ausgebeuteten und allen in der Legalität, der Illegalität oder den Gefängnissen, deren Sehnsucht ein gutes Leben für alle ist.“.

Für Überraschung sorgte bei Vielen außerdem ein Video, dass den SPD-Politiker Karl Lauterbach zeigt, wie er offenbar versehentlich in die revolutionäre Demonstration gerät. Unter Rufen wie „Ey, du Faschistenschwein!“, floh der Politiker in Begleitung einiger Personenschützer regelrecht vor den Demonstrant:innen.

Während der Demonstration war die Polizei am Protestzug wenig präsent, sodass vielfach Pyrotechnik weitgehend ungestört gezündet werden konnte. Zum Ende kam es dann jedoch zu einem Angriff der Polizei auf den Palästina-Block, als der Protestzug seinen Endplatz erreichte. Zudem wurden in der Nacht des 1. Mai am Ende noch Aktivist:innen, unter anderem von der antikapitalistischen Frauenorganisation ZORA festgenommen.

Polizeigewalt in Leipzig

Massive Repressionen erfuhren auch die Teilnehmer:innen der revolutionären 1. Mai-Demonstration in Leipzig. Mit weit über tausend Menschen lief der Aufzug durch die Stadt, begleitet von Pyrotechnik, Farbbeutel-Angriffen auf ein SPD-Büro und einem großen Polizeiaufgebot.

Auf einem, sich an die Demonstrationen anschließenden Stadtteilfest nahm die Polizei einzelne Personen aus der Menge fest. Das führte zu einer größeren Auseinandersetzung mit den restlichen Anwesenden, die aber abgewehrt werden konnte.

Erst auf der Abreise griff die Polizei erneut Teilnehmer:innen der Demonstration und des Festes an. Drei Personen wurden von der Polizei bewusstlos geschlagen, fünf später in der Gefangenensammelstelle (GeSa) festgehalten.

Große Demonstrationen in Hamburg und Nürnberg

Die zweitgrößte revolutionäre Demonstration fand in Hamburg statt: Hier gingen laut Veranstalter:innen 6.000 Menschen unter dem Motto „eine Welt zu gewinnen“ auf die Straße. Den umfangreichsten Block bildete der internationalistische Block, an dem sich zahlreiche revolutionäre, palästinensische und kurdische Gruppen beteiligten.

Immer wieder waren Parolen wie „Palästina, Kurdistan – Intifada Serhildan“ und auch die kriminalisierte Parole „from the river to the sea – palestine will be free!“ zu hören. Trotz alldem und obwohl auf der Demonstration dutzende Male Rauch- und Pyrotechnik gezündet wurde, gab es keine größeren Auseinandersetzungen mit der Polizei.

Wie groß revolutionäre Demonstrationen auch in Städten unter der Grenze von einer Million Einwohner:innen sein können, zeigte die revolutionäre Demonstration in Nürnberg, die mit 4.700 Teilnehmer:innen größer als je zuvor war. Pressesprecherin Daniel Meier dazu: „Während das kapitalistische System von Krise zu Krise stolpert, dennoch die Reichen immer reicher, die Armen immer ärmer werden, alte Konflikte wieder aufbrechen und die extreme Rechte weltweit an immer mehr Regierungen beteiligt wird, halten wir die einzige menschliche Alternative hoch: Organisieren von Gegenmacht, gegen Kapital und Nation.“

Über 30 linke und revolutionäre Organisationen, Gruppen und Initiativen beteiligten sich unter der Parole „Heraus zum revolutionären 1. Mai – Für die soziale Revolution – Gemeinsam gegen Sozialraub, Faschismus und Krieg!“ an der Demonstration.

„1. Mai Kampftag“: Auch in Köln, Frankfurt und Stuttgart Tausende auf den Straßen

Auch in Stuttgart ist die revolutionäre Demonstration mit 1.700 Teilnehmer:innen im Vergleich zum letzten Jahr deutlich gewachsen: Es war die größte revolutionäre Mai-Demo in der Stadt seit über 20 Jahren. Für die Veranstalter:innen gilt dies als ein starkes Zeichen – gerade weil die Demonstration in den letzten beiden Jahren von der Polizei brutal zerschlagen wurde.

In Frankfurt waren laut Polizeiangaben 2.000 Menschen auf der Straße. Während der Demonstration entrollte der revolutionäre Block ein riesiges Transparent über den Köpfen der Teilnehmer:innen, auf dem „Krieg dem Krieg“ zu lesen war. Zwar durfte die Demonstration nicht ihre ursprüngliche Route einschlagen, konnte aber ohne größere Zwischenfälle beendet werden.

Die revolutionäre 1. Mai-Demonstration in Köln konnte mit 2.500 Teilnehmer:innen deutlichen Zuwachs verzeichnen. Auf der Demo selbst gab es vielfältige Aktionen, es wurden Rauch, Pyrotechnik und eine Feuerwerksbatterie gezündet. Immer wieder solidarisierten sich die Teilnehmer:innen mit politischen Gefangenen, wie dem Antifaschisten Zaid, der in Köln-Ossendorf inhaftiert ist.

Auch gegen die Kölner Polizei konnte man sich durchsetzen: Die Parolen „Deutsche Polizisten – Mörder und Faschisten“ und „from the river to the sea – palestine will be free“ wurden kriminalisiert, was die Demonstration nicht daran hinderte, sie trotzdem zu rufen.

Nach dem offiziellen Ende der Demonstration setzten sich einige hundert Personen noch zu einer Spontandemonstration in Bewegung. Die Polizei versuchte diese zunächst aufzuhalten, scheiterte aber am Widerstand der Teilnehmenden und zog sich schlussendlich zurück.

Weitere revolutionäre Demonstrationen mit mehreren hunderten Teilnehmer:innen gab es unter anderem in Augsburg, wo die Polizei den Aufzug am Anfang schikanierte und nicht laufen lassen wollte.
Auch in Hannover, Mannheim, Ingolstadt, Wuppertal und anderen Städten fanden revolutionäre 1. Mai-Demonstrationen statt.

Hunderttausende bei DGB-Aktionen

Bereits am Vormittag des 1. Mai haben sich zudem laut Angaben des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) rund 310.000 Menschen an dessen traditionellen Demonstrationen beteiligt. Es habe über 420 Veranstaltungen gegeben.

In vielen Städten gab es zudem eigene klassenkämpferische und antikapitalistische Beteiligungen, die mitunter größere Teile der DGB-Demonstrationen ausmachten. Einige hatten zuvor revolutionäre Kundgebungen abgehalten, um sich anschließend der DGB-Demo anzuschließen, wie beispielsweise in Freiburg.

In den „revolutionären“, „antikapitalistischen“ oder auch „internationalistischen“ Blöcken wurde vielfach ein kämpferischer Ausdruck auf die Straße gebracht und sich somit auch von der Partystimmung abgesetzt, die etwa von den Lautsprechwagen des DGBs verbreitet wurde. In Rosenheim wurde etwa aus der Demonstration heraus ein Haus besetzt.

In einigen Städten kam es dabei auch zu Auseinandersetzungen mit Ordner:innen des DGB. In Dresden drängten diese einen internationalistischen Block aufgrund ihrer Palästina-Solidarität ab, er führte anschließend eine eigene Spontandemonstation durch. In Leipzig wurde ein israel-kritisches Schild zum Stein des Anstoßes für Reibereien. Der DGB hatte sich seit dem Vökermord in Gaza immer wieder unkritisch auf Seiten des israelischen Staats positioniert.

Protest gegen pro-Kriegs-Haltung des DGB

Zuletzt hatte der DGB mit besonders regierungstreuen und pro-militaristischen Aufrufen für Unruhe unter Gewerkschafter:innen gesorgt. In seinem Aufruf zum Ostermarsch stellte er sich hinter die Aufrüstungsbemühungen für die deutsche Bundeswehr. Selbst in seinem 1. Mai-Aufruf gab es nur dezente Kritik an den GroKo-Plänen zur Abschaffung des Acht-Stunden-Tags. Mehr noch: IG-Metall Chefin Christiane Benner erklärte keine Woche vor dem 1. Mai, dass ein Scheitern der neuen Regierung „ein Desaster“ wäre.

Diese unkritische Haltung lassen sich nicht alle Gewerkschafter:innen gefallen: In Düsseldorf spannte eine Gruppe an Aktivist:innen ein Transparent vor der Bühne der Mai-Abschlusskundgebung auf mit der Aufschrift: „Keller – Kriegstreiber, „Arbeitgeber“ – Runter von der Bühne“. Dahinter stand verdutzt der Oberbürgermeister Stephan Keller von der CDU.

Auch faschistische Kräfte nutzten den Tag der Arbeiter:innenklasse für sich, um diesen zu einem Tag der „nationalen Arbeit” umzudeuten. In Gera sammelten sich rund 1.000 Nazis, die von etwa genau so vielen antifaschistischen Gegendemonstrant:innen begleitet wurde. Im thüringschen Suhl versammelten sich etwa 230 Personen – bei einem Gegenprotest von etwa 50 Personen. Auch in Gelsenkirchen demonstrieren ca. 200 Rechte. Die Polizei ging dabei hart gegen Antifaschist:innen vor, die sich den Nazis in den Weg stellen wollten.

Der 1. Mai ging schon am Vorabend los

Auch am Vorabend des 1. Mai hatte es zudem in verschiedenen Städten revolutionäre Demonstrationen und Aktionen gegeben: In Berlin versammelten sich rund 1.000 Personen unter dem Motto „Löhne erhöhen, Mieten senken, Frieden schaffen“ bei einer Demonstration durch den Wedding. Auch in Kiel kamen rund 400 Personen zu einer kämpferischen Vorabend-Demonstration zusammen.

Zwischen 50 und 150 Personen demonstrierten jeweils bei kleineren Aktionen in Regensburg, Dessau, Marburg Darmstadt, Erlangen oder Lüdenscheid. Teilweise gab es hier zum ersten Mal revolutionäre Mai-Aktionen. Auf einer Demonstration mit rund 200 Personen in Düsseldorf wurde aus dem Protestzug heraus das ungarische Konsulat mit Farbbeuteln attackiert und zudem das Front-Transparent gewechselt, sodass dort zu lesen war: „Free all Antifas!“. Ungarn führt derzeit einen Prozess gegen Maja, und auch andere Antifaschist:innen sind von Auslieferung dorthin bedroht. Ebenfalls in Stuttgart hatte es im Vorfeld des 1. Mai einen Farbangriff auf das ungarische Konsulat gegeben.

Polizei verfolgt Befriedungstaktik weiter – gelingt es Revolutionär:innen, die Mobilisierungserfolge zu nutzen?

Der 1. Mai ist traditionell einer der Höhepunkte der klassenkämpferischen und kommunistischen Bewegung in Deutschland. Hier werden verschiedenste Kämpfe zusammengeführt und die eigenen Kräfte besonders stark mobilisiert. Im letzten Jahr hatte derweil die Repression gegen Kriegsgegner:innen und die linke Bewegung zugenommen – sei es bei der Verfolgung von Antifaschist:innen, der Kriminalisierung der Palästina-Bewegung oder durch Organisationsverbote. Zuletzt hatte auch der Polzeimord an Lorenz A. vor wenigen Tagen bundesweit für Aufmerksamkeit und Protest gesorgt.

In dieser Gesamt-Gemengelange schien sich die Polizei an mehreren Orten dafür entschieden zu haben, etwas Spielraum zu lassen und Solidarisierungseffekte von breiteren Demonstrationsteilnehmenden, Bevölkerung und klassenkämpferischen Kräften zu verhindern. Tatsächlich sind vielerorts Auseinandersetzungen dieses Jahr ausgeblieben. Zugleich zeigt gerade das wachsende Potenzial revolutionärer 1.Mai-Demonstrationen, dass mit der klassenkämpferischen Bewegung auch in Zukunft zu rechnen ist, wenn es dieser gelingt, seine Mobilisierungserfolge für dauerhafte Aufbauarbeit zu nutzen. Das wird sich dann auch in den zukünftigen 1. Mai-Aktionen zeigen.

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