Das Jubiläum findet in Zeiten von Militarisierung und neuen Kriegsvorbereitungen statt. Die „Friedensmächte“ von damals sind die Kriegstreiber von heute, kommentiert Alexandra Magnolia.
Am 21. April 1945 erreichen die Soldat:innen der Roten Armee Berlin. Eigentlich ist die Niederlage Deutschlands zu diesem Zeitpunkt bereits entschieden, doch die Kämpfe in den Straßen Berlins dauern bis zum Abend des 2. Mai an. Fünf Tage später wird die bedingungslose Kapitulation der Deutschen Wehrmacht unterschrieben. Einen Tag später, am 8. Mai 1945, tritt sie in Kraft, der Krieg in Europa ist damit offiziell beendet.
Nach zwölf Jahren faschistischer Diktatur und sechs Jahren Krieg lag Deutschland größtenteils in Trümmern. Nicht von Anfang an wurde der 8. Mai als Tag der Befreiung gefeiert. In den ersten Jahrzehnten nach Kriegsende verband man bei reaktionären Kräften in Westdeutschland mit diesem Tag vor allem Niederlage, Besatzung und Zerstörung. Politisch hatte er keine große Relevanz.
Vor allem in Westdeutschland blieben viele besiegte Nazis schließlich auch in hohen staatlichen Positionen. Ehemalige Mitglieder der NSDAP oder SS traten einfach in andere Parteien ein, bekleideten Ministerämter oder saßen im Bundestag. Auch Lehrer:innen des NS-Staates wurden nur wenige Monate nach Kriegsende wieder eingestellt.
80 Jahre Winteroffensive der Roten Armee und der antifaschistische Befreiungskampf
Erst in den 1970ern bekam der Tag eine andere Bedeutung. Als Wendepunkt lässt sich das Jahr 1985 festlegen, das erste Mal kam es zu einer Debatte über den Tag. In einer Rede des ehemaligen Bundespräsidenten Weizsäcker wurde der 8. Mai zum ersten Mal als „Tag der Befreiung“ bezeichnet, was nicht nur für Zustimmung, sondern auch Kritik sorgte.
Im Gegensatz zu Westdeutschland wurde der 8. Mai in der DDR zunächst zum Feiertag. Er wurde als „Tag der Befreiung des deutschen Volkes vom Hitlerfaschismus“ begangen und war von 1950 bis 1967 ein gesetzlicher Feiertag. Im Zuge der Streichung von fünf Feiertagen entfiel der 8. Mai, wobei zu den runden Jubiläen 1975 der 9. Mai und 1985 nochmals der 8. Mai arbeitsfreie Tage waren. Vor allem der Sieg der Roten Armee und die Notwendigkeit eines konsequenten Antifaschismus standen hier im Fokus.
In den Jahren nach 1985 wurde es in der BRD immer gängiger, den 8. Mai als Tag der Befreiung zu begehen. Immer wieder gab es Versuche verschiedener Organisationen, einen offiziellen Feiertag einzuführen. Reden im Bundestag und offizielle Veranstaltungen sind heute gängige Praxis. Über einen oberflächlichen geschichtlichen Abriss, Sektgläser und gemeinsame Fotos gehen diese Veranstaltungen aber meist nicht hinaus. Das Reden davon, Krieg und Faschismus in Deutschland nicht wieder geschehen zu lassen, wird gerade in der Praxis widerlegt. Denn die faschistische Bewegung erstarkt immer mehr und Deutschland befindet sich mitten in den Vorbereitungen auf einen möglichen Krieg.
Krieg und Militarismus sind wieder auf dem Vormarsch
Der Zweite Weltkrieg war für die Arbeiter:innenklassen aller beteiligten Länder verheerend. Leid, Hunger und Tod waren ständige Begleiter. Den Millionen Menschen, die gelitten hatten, standen einige wenige gegenüber, die sich die Taschen voll gemacht haben. Deutsche Konzerne wie Thyssen, Krupp (heute ein Konzern) und IG-Farben (heute Bayer) haben Millionen durch Faschismus und Krieg gewonnen. Aber nicht nur in Deutschland, auch in Großbritannien, Frankreich und den USA war Krieg ein Millionengeschäft.
Seit der Krieg zwischen Russland und der Ukraine im Februar 2022 eskaliert ist, wurde viel von der Gefahr eines Dritten Weltkriegs gesprochen. Auch wenn es im ersten Moment wie Panikmache klang und ein erneuter Weltkrieg früher als unmöglich erschien, ist die Annahme nicht aus der Luft gegriffen. Die wiederkehrenden Wirtschaftskrisen, die der Kapitalismus mit sich bringt, sind mit der Zeit immer schwerwiegender geworden. Das haben wir auch in Deutschland gemerkt. Die gegenseitige Sanktionierung imperialistischer Staaten ist nur ein Beispiel für die aggressiven politischen Anworten der Staaten auf die Wirtschaftskrise. Verschiedene Länder befinden sich im Wettlauf, sich noch möglichst schnell in eine gute wirtschaftliche Ausgangslage zu bringen. Dass solche Wirtschaftskriege meist die Vorboten von militärischen Kriegen sind, wissen auch die Staaten selber.
Heute sehen wir in Deutschland, aber auch europaweit, wie sich die verschiedensten imperialistischen Länder auf einen möglichen Krieg vorbereiten. Wir sehen, wie die Unternehmen reagieren. In Deutschland soll das Automobilunternehmen „Volkswagen“ gemeinsam mit Rheinmetall Panzer produzieren. Ein großer Gewinn für das Unternehmen. Außerdem soll die Bundeswehr mit den verschiedenen Sondervermögen und Budgeterhöhungen den Bestand der Bundeswehr „aufstocken“. Eine große Summe Geld, die für Rheinmetall und Co. winkt.
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Kampf um die Neuaufteilung der Welt
Auch die USA reagieren auf die Wirtschaftskrise. Die Präsidentschaft von Donald Trump und seine Handlungen sind nicht einfach der Ausdruck von „Wahnsinn“, wie manche behaupten. Auch sie sind aggressive strategische Antworten auf die aktuelle Situation. Die USA haben zwar noch immer eine Vormachtstellung im internationalen Wettkampf, doch die Situation hat sich in den letzten 80 Jahren verändert.
China rückt immer näher an die USA heran und auch europäische Länder haben deutlich aufgeholt. Schon im Jahr 2022 ging der Taiwan-Konflikt durch die Medien, weil erst China und dann die USA Militärübungen in der Nähe der Insel durchführten. Für kurze Zeit war die Lage so angespannt, dass über einen militärischen Krieg spekuliert wurde. Auch wenn es nie so weit kam, zeigte die Lage deutlich, wie es um das Verhältnis zwischen der USA und China steht.
Heute fallen die USA vor allem mit Machtansprüchen gegenüber Grönland und dem Panamakanal auf. Grönland ist die größte Insel der Welt, offiziell ein Teil von Dänemark. Auch wenn die Insel eine große Autonomie besitzt, ist sie nicht vollständig unabhängig. Dass Trump nun immer wieder ankündigt, die Kontrolle über Grönland haben zu wollen, hat vor allem militärische Hintergründe. Der kürzeste Weg von Nordamerika in die Arktisregion und nach Europa sowie Russlands Nordküste führt über Grönland. Deshalb ist es für Amerika von großer Bedeutung, die militärische Vormachtstellung auf Grönland zu haben. Trump hat bereits angekündigt, militärische Schritte nicht auszuschließen; für ihn muss dieser Deal zustande kommen.
Ein Bonus für die USA wäre außerdem die Vielzahl wertvoller Rohstoffe wie Öl, Erdgas, Seltene Erden und andere Bodenschätze, über die Grönland verfügt. Die dänische Regierung hat die Förderung von Öl und Gas aus Umweltschutzgründen verboten. Für US-amerikanische Unternehmen wäre die Insel jedoch eine wahre Goldgrube.
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Der Faschismus ist wieder da
Krise und Kriegsvorbereitung, das heißt in der Rechnung der Kapitalist:innen vor allem auch, dass die für Aufrüstung und Finanzspritzen notwendigen Milliarden woanders eingespart werden müssen. Unter dem Strich zahlen, wie eh und je, wir Arbeiter:innen mit Lohnverlusten, verlängerten Arbeitszeiten und sinkenden Lebensstandards dafür, dass in den Konzernen die Kassen weiter klingeln können. Gerade deshalb geht mit den wiederkehrenden Krisen und der Kriegslust des Kapitalismus immer auch der Faschismus einher. Heute ebnen deshalb faschistische Kräfte dem Kapital den Weg zurück zu einer uneingeschränkten Niederhaltung der eigenen Arbeiter:innen.
In immer mehr Ländern stehen mittlerweile faschistische Kräfte an der Spitze der Regierung oder üben zumindest einen großen Einfluss in der Politik aus: Meloni in Italien, Trump in den USA, Orbán in Ungarn, Netanjahu in Israel, Erdoğan in der Türkei und Modi in Indien. In Deutschland ist es die AfD, die zwar nicht in der Regierung sitzt, mit 20,8 Prozent jedoch die zweitstärkste Kraft im Bundestag ist. In neueren Umfragen liegt die AfD sogar bei knapp 25 Prozent. Damit liegt sie in den aktuellen Umfragen vor der CDU und wäre somit die stärkste Kraft.
Aber nicht nur das, auch sonst erstarkt die faschistische Bewegung in Deutschland. Rechtsextreme Gruppierungen treten öffentlich auf, verteilen Flyer vor Schulen und Universitäten. Zuletzt organisierten sie Demonstrationen in über 10 Städten in ganz Deutschland. Immer mehr Jugendliche ordnen sich der rechten Szene zu. Die Annahme, die Nazi-Szene in Deutschland bestehe aus ein paar Pediga-Anhängern in Dresden und Dortmund-Dorstfeld, ist längst überholt.
Aber nicht nur die rechte Szene hat sich gewandelt, die Politik insgesamt rückt immer weiter nach rechts, allen voran die Parteien im Bundestag. Den Forderungen der AfD steht die Politik von SPD, Grünen und Co. in nichts nach. Dass die angebliche Brandmauer gegen die AfD nie existierte, war spätestens nach der gemeinsamen Abstimmung von CDU und AfD zum neuen Sicherheitspaket klar. So gelingt es den Faschisten auch heute schon, ihre Hetze gegen Frauen, LGBTI+ und Migrant:innen und ihre Scheinlösungen gegen die kapitalistische Wirtschaftskrise zur Regierungspolitik zu machen – auch ganz ohne offizielle Regierungsbeteiligung.
Mythos „Brandmauer“ – Ist sie gefallen oder stand sie nie?
Dieser Text ist in der Print-Ausgabe Nr. 98 vom Mai 2025 unserer Zeitung erschienen. In Gänze ist die Ausgabe hier zu finden.