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80 Jahre Befreiung: Wem gehört das Gedenken?

Am Donnerstag jährte sich die Befreiung vom Faschismus Deutschlands zum 80. Mal. Im Bundestag gab es eine Gedenkstunde, in Berlin einen einmaligen Feiertag. Sozialist:innen gingen mit roten Fahnen auf die Straße. Sie zeigen, dass der 8. Mai ein Kampftag der Arbeiter:innen bleiben muss. – Ein Kommentar von Julius Strupp.

„Wir wissen auch, welchen Beitrag die Rote Armee dabei geleistet hat. […] Mindestens 13 Millionen dieser Soldaten und noch einmal eben so viele Zivilisten verloren ihr Leben, die Rote Armee hat Auschwitz befreit – all das vergessen wir auch nicht“, so Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei der Gedenkstunde an den 80. Jahrestag der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht.

Sozialistisches Gedenken trotz Fahnenverbot

Nur sechs Kilometer Luftlinie entfernt bleiben die Fahnen der Befreier jedoch auch in diesem Jahr verboten. Beim traditionellen Gedenken am Sowjetischen Ehrenmal im Treptower Park sind die Veranstaltungen an den Ehrenmalen für die Rote Armee seit Russlands Einmarsch in die Ukraine 2022 am 8. und 9. Mai jedes Jahr verboten worden. Damit soll die Lüge verbreitet werden, dass die Sowjetunion ein Produkt russischer Großmachtansprüche gewesen sei. Tatsächlich war sie eine freiwillige, sozialistische Staatengemeinschaft zahlreicher Völker – die dann eben auch gemeinsam den deutschen Faschismus besiegten. Ebenso wurde in diesem Jahr auch das Verteilen der aktuellen Ausgabe der linken Tageszeitung Junge Welt am Ehrenmal verboten.

Vergessen, verboten und verdreht: Die Fahne der Roten Armee

Dennoch fanden auch in diesem Jahr Gedenkaktionen statt. So veranstaltete die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschist:innen (VVN-BdA) einen Fahrrad-Sternkorso – ausgehend von verschiedenen Kundgebungen in den Berliner Bezirken hin zu einer zentralen Kundgebung am Bebelplatz. Auch in anderen Städten gab es Mobilisierungen, oft unter Teilnahme von klassenkämpferischen Organisationen.

In Hamburg nahm ein sozialistischer Block an einer Demonstration teil unter der Parole „Der 8. Mai hat es gezeigt: Das Grab des Faschismus ist der Sozialismus“. In Stuttgart schmückten Aktivist:innen des Solidaritätsnetzwerks ihren Stadtteil Cannstatt mit roten Fahnen. Auch in Köln, Wuppertal, Leipzig und anderen Städten organisierten klassenkämpferische Organisationen und Kommunist:innen Kundgebungen. In Leipzig wurde bei einer Ausstellung im „Sozialen Zentrum Clara Zetkin” im Westen der Stadt über den kommunistischen antifaschistischen Untergrundwiderstand in der Stadt während des Zweiten Weltkriegs aufgeklärt.

Tag der Befreier

Für Antifaschist:innen ist der 8. Mai seit jeher ein Tag der Befreiung, an dem sie den Sowjetsoldat:innen ihren Dank aussprechen. Die Rote Armee der Sowjetunion zahlte einen hohen Blutzoll, um zu erreichen, was der Widerstandsbewegung in Deutschland nicht gelungen war: Sie befreiten mit den Aliierten die Welt vom Hitlerfaschismus.

In Westdeutschland wurden sie lange nicht als Befreier gewürdigt. Noch heute wird nicht anerkannt, dass sie die Hauptlast im Kampf gegen den Faschismus getragen haben. Ebenso wenig wird erinnert, welche vorantreibende Rolle die Kommunist:innen gespielt haben – ob in der Roten Armee, als Partisan:innen oder im Untergrund. Ihre Fahnen werden stattdessen als russische Großmachtsymbole diffamiert und verboten.

Vor 80 Jahren verlor der Faschismus – und heute?

Doch auch das russische Regime, das den Tag der Besiegung für seine Zwecke nutzt, tritt das Erbe der Roten Armee mit Füßen. Kämpften damals noch Russ:innen und Ukrainer:innen Seite an Seite gegen den Faschismus, kämpfen sie heute in einem imperialistischen Eroberungskrieg gegeneinander.

Die kapitalistischen Länder versuchen also alle, den Sieg der sozialistischen Sowjetunion über den Faschismus zu verdrehen. Deshalb ist es wichtig, dass wir den 8. Mai als Kampf- und Feiertag der Arbeiter:innenklasse, der Antifaschist:innen und Kommunist:innen bewahren. Denn der Kapitalismus und seine Großkonzerne haben den deutschen Faschismus geboren, der Sozialismus hat ihn besiegt.

Julius Strupp
Julius Strupp
Autor bei Perspektive seit 2019, Redakteur seit 2022. Studiert in Berlin und schreibt gegen den deutschen Militarismus. Eishockey-Fan und Hundeliebhaber. Motto: "Für alles Reaktionäre gilt, dass es nicht fällt, wenn man es nicht niederschlägt."

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