Die neue SPD-Arbeitsministerin Bärbel Bas hat vorgeschlagen, dass zukünftig auch Selbständige und Beamt:innen in die Rentenversicherung einzahlen sollen. Was ein kleiner Schritt in Richtung einer Sozialversicherung für alle wäre, lehnten CDU und CSU sofort ab. Worum geht es bei dem Plan?
Für die einen ein mutiger Vorstoß, für die anderen „populistischer Unfug“: Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas, die in Kürze SPD-Vorsitzende werden will, hatte am Wochenende die Einbeziehung von Selbständigen und Beamt:innen in die gesetzliche Rentenversicherung gefordert. Wie die Ministerin gegenüber der Funke-Mediengruppe äußerte, solle eine von der schwarz-roten Koalition vereinbarte Rentenkommission über die Ausgestaltung des Vorschlags diskutieren.
Der Hintergrund des Vorschlags
Bislang zahlen in Deutschland alle lohnabhängig Beschäftigten 18,6 Prozent ihres Bruttoeinkommens in die gesetzliche Rentenversicherung ein. Dabei greift jedoch eine Beitragsbemessungsgrenze von monatlich 7.300 Euro in Westdeutschland bzw. 7.100 Euro in den neuen Bundesländern. Das heißt, dass das darüber liegende Bruttoeinkommen bei den Rentenbeiträgen nicht wird. Dies betrifft z.B. zahlreiche Managergehälter.
Insgesamt zahlen in Deutschland 87,1 Prozent der Erwerbspersonen in die gesetzliche Rentenversicherung ein, der überwiegende Teile hiervon ist pflichtversichert (83,5 %, Zahlen von 2023). Bei den restlichen 12,9 Prozent, die nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sind, handelt es sich vor allem um Selbständige und Beamt:innen sowie geringfügig Beschäftigte und Erwerbslose. Statt der gesetzlichen Rente erhalten Beamt:innen eine staatliche Pension, die je nach Dauer ihres Staatsdienstes maximal 71,75 Prozent ihres letzten Grundgehalts betragen kann und heute im Durchschnitt bei 66,8 Prozent liegt. Selbständige wiederum sorgen in der Regel privat für ihr Alter vor.
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Zahl der Beitragszahler:innen sinkt
Aufgrund der Entwicklung am Arbeitsmarkt und des Übergangs der geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand wird die Zahl der Beitragszahler:innen in die Rentenversicherung in den kommenden Jahren deutlich sinken, während diejenige der Rentenbezieher:innen steigt. In der Folge wird der Staat entweder die Renten senken oder die Beiträge für Beschäftigte erhöhen müssen.
Union und SPD haben in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, das heutige Rentenniveau von 48 Prozent bis 2031 gesetzlich festzuschreiben.
Dabei handelt es sich um das Verhältnis zwischen einer fiktiven, standardisierten Rente aufgrund von 45 Jahren Beitragszahlung auf Basis eines durchschnittlichen Einkommens und dem Durchschnittseinkommen der Beschäftigten. In der Realität liegt die Rente vieler Arbeiter:innen im Ruhestand deutlich unter dem Rentenniveau. Dies gilt insbesondere für Frauen, die wegen Kindererziehung und Care-Arbeit häufig in Teilzeit und nicht durchgehend gearbeitet haben.
Bürgerversicherung light
Der Vorschlag von Bärbel Bas wäre ein kleiner Schritt in Richtung einer Bürgerversicherung, wie sie auch einige Sozialverbände fordern. Dabei würden alle Beschäftigten, egal ob Arbeiter:innen, Manager:innen, Beamt:innen oder Selbständige in alle Sozialversicherungen einzahlen – also auch zum Beispiel in die gesetzliche Krankenversicherung, die vor ähnlichen Finanzierungsproblemen steht wie die Rentenversicherung. Hier liegt der Anteil der gesetzlich Versicherten deutlich niedriger, da die Versicherungspflicht nur für Beschäftigte unterhalb eines Jahresbruttoeinkommens von 73.800 Euro gilt.
Sozialverbände dafür, Beamtenbund und Union dagegen
Die Präsidentin des Sozialverbands VdK Deutschland e.V., Verena Bentele, unterstützte den Vorschlag der Arbeitsministerin und erklärte gegenüber dpa, es sei „komplett aus der Zeit gefallen, dass sich Beamtinnen und Beamte sowie Politikerinnen und Politiker der solidarischen Rentenversicherung entziehen“. Der Deutsche Beamtenbund (dbb) dagegen bezeichnete den Vorschlag als „Zwangs-Einheitsversicherung“ und wandte ein, eine Einbeziehung von Beamt:innen in die gesetzliche Versicherung würde massive Zusatzkosten für den Staat verursachen.
Die Union, die traditionell hohe Wähleranteile bei Beamt:innen hat, lehnte den Vorschlag ebenfalls klar ab: CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann sagte gegenüber der Bild am Sonntag, „die Einbeziehung von Selbständigen und Beamten in die Rente“ löse „weder die Probleme in der Rentenversicherung“, noch sei sie „vom Koalitionsvertrag gedeckt“. Christoph Ahlhaus (CDU), Vorsitzender des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft (BVMW), bezeichnete den Vorstoß von Bas als „populistischen Unfug“: „Selbständige brauchen Entlastung, keine Zwangsmitgliedschaft in einer sturmreifen Staatsrente“.
Dass der minimale Schritt in Richtung Bürgerversicherung unter dieser Regierung Realität wird, ist also extrem unwahrscheinlich. Damit dürfte es sich bei dem Vorstoß eher um einen medienwirksamen Profilierungsversuch der neuen Ministerin handeln als um eine ernstgemeinte Maßnahme im Interesse von Beschäftigten.