Der Bundesparteitag der Partei Die Linke hat in Chemnitz stattgefunden. Dabei wurde der Fokus auf eine strategische Neuausrichtung gelegt. Themen wie Palästina, Aufrüstung und Kriegstüchtigkeit wurden dabei prominent diskutiert. – Eine Analyse von Felix Zinke.
Vom 9. bis 10. Mai fand in Chemnitz der Bundesparteitag der Partei Die Linke statt. Dieser wurde nach einer für die Partei sehr erfolgreichen Bundestagswahl abgehalten, in der sie am Ende mit 8,8 Prozent den Wiedereinzug in den Bundestag geschafft hatte und gleichzeitig 6 Direktmandate gewinnen konnte. Zudem konnte die Partei innerhalb eines Jahres ihre Mitgliederzahl von 55.000 auf 112.000 mehr als verdoppeln.
Allerdings findet dieser Parteitag auch unter der Betrachtung statt, dass seit der Bundestagswahl die Linkspartei vermehrt durch staatstragende und ihrer Wahlkampfrhetorik widersprechende Verhaltensweisen aufgefallen ist.
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Für die Kriegskredite
Da wäre zuerst die Abstimmung im Bundesrat für die Kriegskredite zu nennen: Hierbei haben die Minister:innen und Senator:innen der Linkspartei aus Bremen und Mecklenburg Vorpommern ohne Zwang für die Kriegskredite gestimmt. Dies stand dabei auch im Widerspruch zu der Gruppe im Bundestag und dem Parteivorstand. Von diesen wurden jedoch keine Konsequenzen für die Verantwortlichen gezogen.
Auch wenn sich hier laut TAZ mit Verantwortung für die Bundesländer herausgeredet wurde, war dies allerdings nichts Neues für Menschen, welche die Linkspartei in Regierungsverantwortung kennen. Seien es Abschiebungen, Wohnungsprivatisierungen oder Schließungen von Jugendclubs: die Linkspartei zeichnet sich dadurch aus, dass sie all diese Dinge in Regierungsverantwortung mitträgt.
Die Kriegskredite sind dabei nicht das einzige dieser Verhaltensweisen aus den letzten Wochen. Hinzu kommt ebenso die Unterstützung des „Kanzlers für Reiche“, Friedrich Merz, durch ihre Abstimmung für den zweiten Wahlgang am selben Tag. Auch wenn durch eine Abstimmung gegen den zweiten Durchgang am selben Tag die Wahl von Merz nicht verhindert hätte, ist es doch symbolträchtig, dass die Linkspartei, die sich im Wahlkampf noch mit der CDU und Merz anlegen wollte, ihm in dieser Situation die Wahl ermöglicht hat. Damit konnte Merz 3 Tage früher als vorher angesetzt zum Kanzler gewählt werden und somit auch einem möglichen noch größeren Image-Schaden entgehen.
Es hat von da an dann auch nur 2 Tage gebraucht bis zur Bekenntnis zur deutschen Staatsräson vom Vorstand der Linkspartei. In einem Beschluss des Parteivorstands am 8. Mai hatte dieser verkündigt, dass das Existenzrecht des Staats Israel, der gerade einen Völkermord in Gaza verübt, für die Partei nicht verhandelbar sei. Dieser Beschluss ist damit ein Bekenntnis zur deutschen „Staatsräson“, das als Vorwand genutzt wurde, um palästina-solidarischen Protest zum Schweigen zu bringen und Israel mit deutschen Waffen zu beliefern.
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Leitanträge auf dem Parteitag
So ist der Parteitag unter den vorher genannten Bedingungen gestartet. Aufgrund dessen waren viele dieser Themen auch in den Diskussionen der Partei wieder zu finden. Auf dem Parteitag selber wurde sich neben dem Leitantrag, der die strategische Ausrichtung der Partei für die nächsten 4 Jahre beschreiben soll, auch mit Palästina, den Kriegskrediten, der Aufrüstung und dem Klassenkampf beschäftigt.
Der Leitantrag ist hierbei aufbauend auf dem Wahlerfolg eine Neuausrichtung der Partei. Hierbei wird versucht, von Seiten der Partei mehr in Bewegungen einzugreifen, näher an den Arbeiter:innen zu sein und zu einer „sozialistischen Mitgliederpartei“ heranzuwachsen. Viele von diesen Ausrichtungen sind in gewisser Form auch begrüßenswert – sofern sie auch umgesetzt werden, um zumindest erste Anläufe einer neu aufflammenden Arbeiter:innenbewegung zu unterstützen.
Das Kernproblem bei diesen Forderungen ist allerdings die unklare Zielsetzung: Es soll möglichst versucht werden, Reformen zu erkämpfen, um das Leben der Arbeiter:innen zu verbessern und ggf. in einer unklaren Zukunft auf dem Boden des Grundgesetzes einen „demokratischen Sozialismus“ aufzubauen. Dies ist allerdings auch nichts grundsätzlich Neues in der Partei.
Die Linkspartei ist eine klare Vertreterin des Reformismus, der einen nicht revolutionären Weg zum Sozialismus verspricht. Die Geschichte hat jedoch immer wieder eindrücklich gezeigt, dass sich reformistische Parteien entweder in das System integrieren lassen – siehe SPD und Bündnis90/Die Grünen – oder in der Bedeutungslosigkeit verschwinden. Dabei zeigt die Geschichte und Gegenwart der Linkspartei eine Tendenz zur Anpassung an das bestehende System.
Damit kommen wir zu einem zweiten Punkt, der auf dem Parteitag entschieden wurde: Dieser Punkt sind mögliche Konsequenzen in Form von Rücktritten derjenigen Minister:innen und Senator:innen, die den Kriegskrediten zugestimmt haben. Mit einer knappen Mehrheit und Unterstützung des Parteivorstands wurde entschieden, dass die betroffenen Personen nicht zum Rücktritt aufgefordert werden sollen und somit keine Konsequenzen auf den Bruch der Parteilinie folgen.
Gleichzeitig wurde davor auf dem Parteitag selbst ein Antrag gegen „Aufrüstung und Kriegstüchtigkeit“ verabschiedet. Dies ist an sich erst einmal ein Fortschritt, da sich jetzt die gesamte Partei offiziell gegen die Aufrüstung stellt. Jedoch zeigt das Ausbleiben von Konsequenzen beim Verlassen der Parteilinie, dass – wenn es darauf ankommt – die Entscheidung unklar ist.
Palästina und die Linkspartei
Innerhalb der Linkspartei ist das Thema Palästina bis heute ein umkämpftes. Es gibt zum einen sehr starke Vertreter:innen der palästina-solidarischen Bewegung vor allem in den Jugendorganisationen der Partei und auf der anderen Seite eine immer kleinlauter werdende Anzahl von israel-solidarischen Menschen in der Partei. Dazu kommt auch noch das Ziel der Parteifunktionär:innen, mittelfristig auf Bundesebene und aktuell auf Landesebene regierungsfähig zu sein. Unter diesen Gegebenheiten ist die unklare Haltung gegenüber Palästina und Israel in der Partei vermutlich zu erklären.
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Dies zeigte sich auch auf diesem Parteitag: Auf der einen Seite wurde die Forderung aus der palästina-solidarischen Bewegung mit einer knappen Mehrheit aufgenommen, sich an die Jerusalemer Definition für Antisemitismus zu orientieren. Diese wurde als Gegenentwurf zu der IHRA-Arbeitsdefinition entwickelt, die Kritik an Israel als antisemitisch definiert. Zudem wurde ein Antrag gegen „Vertreibung und Hungersnot“ und für das Völkerrecht angenommen.
Auf der anderen Seite schafft es die Partei bis jetzt noch nicht, offen auszusprechen, dass es sich bei der Situation in Gaza um Völkermord und ethnische Säuberungen handelt – eine Realität, die erst kürzlich durch die Eroberungspläne der israelischen Regierung noch offensichtlicher geworden ist.
Was lässt sich jetzt daraus schließen?
Der Bundesparteitag der Linken hat gezeigt, dass die Partei im allgemeinen ein neues Selbstbewusstsein zeigt und in einigen Punkten wieder zusammenkommen konnte. Andererseits hat der Parteitag auch gezeigt, dass die Partei bei den kritischsten Fragen nur schwer zu einer gemeinsamen Position kommen kann und sich in der Regel in Kompromissen verliert, die sich zwischen staatstragend und linker Opposition verliert.
Es wird dabei aber auch abzusehen sein, dass die Linkspartei in der Zukunft sehr viel aktiver auch außerhalb des Parlaments werden wird – auch wenn für sie der Wahlkampf weiterhin ihre Strategie bestimmen wird.
Im allgemeinen gibt der Parteitag einen Ausblick auf eine Linkspartei, die zwar inhaltlich noch die alte ist, aber in ihrer Form einen stärkeren Fokus auf Bewegungen und Kampagnen setzen wird. Dabei wird sie sich in der fortlaufenden Krise des Kapitalismus durchgängig in dem immer intensiveren Spannungsfeld zwischen Klassenkampf und Stütze für den Staat befinden, das zu dynamischen Veränderungen der Partei – wie zuletzt die Abspaltung des BSW – führen kann.