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EU-Kandidat gewinnt Wahl in Rumänien

In Rumänien konnte der Pro-EU-Kandidat Nicuşor Dan die Präsidentschaftswahl für sich entscheiden. Die Wahl zeigt die Wut von Millionen Menschen in Osteuropa, aber auch, wie sich Großmächte aus Ost und West die Region untertan machen. – Ein Kommentar von Julius Strupp.

Am Sonntag hat sich der liberale und parteilose Kandidat Nicuşor Dan bei den Präsidentschaftswahlen in Rumänien durchgesetzt. Er erhielt in der Stichwahl 53,6 Prozent der Stimmen, sein nationalistischer, als „pro-russisch“ geltender Kontrahent George Simion 46,4 Prozent. „Ein überraschendes Ergebnis, das in der EU mit Erleichterung aufgenommen wurde“, schreibt der englische Guardian.

So ordnete die deutsche EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen den Ausgang der Präsidentschaftswahl als gut für ein „starkes Europa“ ein, EU-Ratspräsident António Costa sprach von einem „starken Zeichen der Verbundenheit der Rumänen mit dem europäischen Projekt“. Dan, der bisher Bürgermeister der Hauptstadt Bukarest war, bezeichnete die Abstimmung vor dem zweiten Wahlgang als „Kampf zwischen einem pro-westlichen und anti-westlichen Rumänien“.

Wahl im November annulliert

Dass die westlichen Regierungen diesen „Kampf“ gewinnen würden, war dabei alles andere als sicher. Nicht nur kam der Sieg von Dan für viele Beobachter:innen überraschend. Bereits im November letzten Jahres hatte eine erste Runde der Präsidentschaftswahlen stattgefunden, die dann Anfang Dezember vom rumänischen Verfassungsgericht annulliert werden sollte.

Rumänische Präsidentschaftswahlen annulliert: Russische Manipulationen und eine tiefe Krise

Der Grund: Dem siegreichen rechten Kandidaten Călin Georgescu wurde eine massive Wahlbeeinflussung von außen zu seinen Gunsten vorgeworfen. Aus Russland seien im Zuge des Wahlkampfs eine Social-Media-Offensive orchestriert, sowie 85.000 Hackerangriffe verübt worden. Die USA boten ihre Hilfe bei den Ermittlungen an, die bis heute nicht abgeschlossen sind. Vorgeworfen werden dem Ex-Kandidaten unter anderem Falschangaben über Wahlkampfausgaben, illegale Nutzung digitaler Technologien sowie Förderung faschistischer Gruppen.

Eine Recherche des unabhängigen rumänischen Magazins Snoop von Ende Dezember legt sogar nahe, dass es eine von der konkurrierenden PNL (Nationalliberale Partei) bezahlte Influencer-Kampagne zu Gunsten Georgescus gegeben haben könnte.

Georgescu wurde für die Wahl gesperrt. Für ihn stieg der ehemalige Fußball-Hooligan George Simion in den Ring, der seinerseits ankündigte, Georgescu im Fall seines Wahlsiegs zum Ministerpräsidenten machen zu wollen. Simion ist Vorsitzender der rechten AUR (deutsch: Allianz für die Vereinigung der Rumänen), die in Rumänien und Moldawien aktiv ist und für ein Großrumänien eintritt.

Was bedeutet Dans Wahlsieg?

Für die in Rumänien dominanten westlichen Imperialisten, vor allem Deutschland, ist das Ergebnis natürlich eine Erleichterung. Der Sieg eines „pro-russischen“ Kandidaten konnte nun auch an der Wahlurne verhindert werden, nachdem man zuvor mit größeren Keulen (Verfassungsgericht) hantieren musste.

Rumäniens Rechte: Gerangel um Georgescu

Dennoch bringt der Sieg von Nicuşor Dan keine Zufriedenheit mit den politischen Verhältnissen in Rumänien und Osteuropa zum Ausdruck. Die Rumän:innen, die eine „tiefgreifende Veränderung“ des Landes wollten, hätten diese Wahlen gewonnen, so der designierte Präsident nach seinem Triumph.

Dabei geht es weniger darum, dass der neue Präsident diese Veränderung wirklich bringen wird – auch er wird vermutlich die Abhängigkeit Rumäniens von den dominanten Mächten in der EU fortsetzen.
Möglicherweise kann er dennoch auf umfangreichere „Unterstützung“ aus Berlin und Brüssel hoffen, für welche die Kontrolle über Rumänien und Osteuropa grundsätzlich von großer Bedeutung ist, um sich gegen Russland in Stellung zu bringen. Die Wahlen haben ihnen gezeigt, wie knapp der Konkurrenzkampf zwischen westlichem und russischem Kapitalismus werden kann.

Dennoch bestätigt die Wahl von Dan eben auch die Unzufriedenheit und die Wut über diese Zustände. Beide Kandidaten, die es in die Stichwahl geschafft haben, haben einen entschiedenen „Anti-Korruptionswahlkampf“ gemacht. Dabei werden vor allem die beiden großen Parteien PSD (Sozialdemokraten) und PNL mit der Korruption im Land gleichgesetzt. Die Wut über diese wird noch dadurch verstärkt, dass sie seit 2021 in wechselnden Konstellationen (teilweise noch mit der ungarischen Partei UDMR) gemeinsam regieren.
Doch genau diese Regierung will Dan fortsetzen, der mit den „vier pro-westlichen Parteien“ im Parlament Gespräche über eine Regierungsbildung führen will. Neben PSD, PNL und UDMR ist damit auch die USR (deutsch: Union Rettet Rumänien) gemeint, die Dan einst mitgegründet und geführt, aber wieder verlassen hatte.

Osteuropa: Spielfeld der Imperialisten

Gleichzeitig konnte auch in Rumänien die Angst vor einem faschistischen Präsidenten eine größere Anzahl an Wähler:innen mobilisieren: Mit 65 Prozent war die Wahlbeteiligung so hoch wie seit 1996 nicht mehr – und mehr als 11 Prozentpunkte höher als beim ersten Wahlgang.

Osteuropa – Spielplatz der Imperialist:innen, Pulverfass des Widerstands

Im Ergebnis wird in Rumänien wohl alles bleiben, wie es ist. Eine pro-westliche Regierung wird das Land weiter im Dienste der NATO und der führenden Mächte in der EU gegen Russland in Stellung bringen, während die herrschende Elite sich die Taschen voll macht und das Volk keinen Cent sieht. Doch auch andersherum, bei einem Wahlsieg eines pro-russischen Kandidaten, hätte es wohl kaum anders ausgesehen.

Die Länder Osteuropas sind aktuell von Konzernen und Regierungen aus Ost und West umkämpft wie lange nicht mehr: Dieser Konkurrenzkampf zwischen deutschem, österreichischem, russischem oder US-Kapitalismus wird dabei auf dem Rücken der Arbeiter:innen und Völker der Region ausgetragen. Sie zahlen die Zeche für Hochrüstung, Korruption, Kriegsgefahr und die gebrochenen Versprechen nach dem Ende des Ostblocks.

Doch dagegen regt sich durchaus Widerstand. Das zeigen die Massenproteste gegen die durch Privatisierung und Korruption verursachten „Unglücke“ in Griechenland, Serbien und Mazedonien der letzten Monate.
Dieser Kampf gegen die kapitalistischen Eliten, ob sie es nun mit Brüssel oder Moskau halten, ist der einzige Weg nach vorne – in Rumänien, in Osteuropa, überall.

Julius Strupp
Julius Strupp
Autor bei Perspektive seit 2019, Redakteur seit 2022. Studiert in Berlin und schreibt gegen den deutschen Militarismus. Eishockey-Fan und Hundeliebhaber. Motto: "Für alles Reaktionäre gilt, dass es nicht fällt, wenn man es nicht niederschlägt."

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