Immer mehr Konzerne richten sich nach den USA und beenden Programme für mehr gesellschaftliche Vielfalt. Jetzt werden erste Auswirkungen in Deutschland spürbar. Für Aktivist:innen ist klar: Vielfalt ist für Konzerne nicht mehr als ein Marketing-Gag.
Die ColognePride veranstaltet jährlich die größte Christopher-Street-Day-Demonstration Deutschlands – letztes Jahr feierten dort über eine Million Menschen. Nun haben sich laut dem Vereinsvorstand von ColognePride mehrere Sponsoren zurückgezogen: manche geben weniger Geld, manche haben die finanzielle Unterstützung komplett beendet.
Ford Köln gegen Willen der Belegschaft
Zu denen, die ihr Sponsoring herunterfahren, gehört auch Autokonzern Ford. Nach außen hin gibt der Konzern neutrale Statements über die Wichtigkeit vielfältiger Ansichten ab und sagt, man werde den Kölner CSD auch dieses Jahr unterstützen. Durch anonyme Aussagen von Ford-Mitarbeiter:innen gegenüber dem Kölner Stadtanzeiger wird klar, dass es deutlich weniger wird. So gebe es auch Vorgaben, sich an dem Kurs des US-Mutterkonzerns auszurichten.
Ford USA hatte schon letztes Jahr Programme für Vielfalt, Gleichheit und Inklusion (DEI) abgeschafft und sich wie viele andere Großkonzerne den Vorgaben der Trump-Regierung gebeugt. Froh sind die Mitarbeiter:innen über diese Entwicklungen nicht. Es sei „kein gutes Signal“ und würde ihren „Werten widersprechen“.
Transfeindlichkeit in den USA: Die bunte Maske der bürgerlichen Demokratie fällt
Ford bekommt aktuell auch an anderen Stellen Druck durch die Belegschaft: 93,5 Prozent der IG Metall-Mitglieder bei Ford in Köln haben sich für einen Streik ausgesprochen, um mehr Druck in den stockenden Verhandlungen mit dem Unternehmen auszuüben. Hintergrund ist die unsichere Zukunft des Standorts Köln, da Ford Schuldenübernahmen gestrichen hat und auch betriebsbedingte Kündigungen nicht mehr ausschließen will. Die Belegschaft fordert vor allem Arbeitsplatzsicherheit und finanzielle Absicherung im Falle einer möglichen Insolvenz.
Mehr Profite für weniger DEI
Ähnlich ging die US-Tochter der Telekom, T-Mobile, vor. In einem Schreiben an die Federal Communication Commission (FCC) versicherte auch sie, ihre DEI-Programme zu beenden, und löste dementsprechend dafür geschaffene Räte auf. Dafür wurde von der FCC prompt die Übernahme des Kabelnetzbetreibers Lumos durch die Telekom genehmigt. Auch die Telekom äußerte sich gegenüber dem Kölner Stadtanzeiger ähnlich vage und betonte, wie schwierig diese Lage für das Unternehmen sei.
Kämpferische Stonewall-Proteste
Nicht erst jetzt wird vielen Aktivist:innen klar, dass sie sich nicht auf Konzerne wie Ford und die Telekom verlassen können. In den vergangenen Jahren stieg deshalb mit der zunehmenden Präsenz von eben diesen, aber auch anderen Institutionen wie der Bundeswehr oder konservativen Parteien wie der CDU, die Kritik an vielen CSD-Veranstaltungen. So kam es vermehrt zu selbstorganisierten und klassenkämpferischen Protesten auf und außerhalb der großen CSDs.
In Stuttgart wurde 2024 die sogenannte „Critical Pride” organisiert – eine Gegenveranstaltung zum CSD, der laut Organisator:innen zunehmend kommerzialisiert und für Werbezwecke missbraucht werde. Auch in anderen Städten wie Leipzig, Berlin, Frankfurt, Hagen, Wuppertal, Freiburg und Köln fanden kämpferische Stonewall-Proteste statt.
Stonewall-Kampftag 2024: „Rechte verteidigen, Freiheit erkämpfen!“