Die Frühjahrsprognose der deutschen Wirtschaft ist ernüchternd. Schon wieder Stagnation. Doch die Wirtschaftsweisen zeigen der Bundesrepublik Deutschland einen Weg aus der Krise. In wessen Interesse?
Die sogenannten „Wirtschaftsweisen“, das wirtschaftliche Beratungsgremium der Bundesregierung, haben auf der Bundespressekonferenz am 21. Mai ihre Frühjahrswirtschaftsprognose vorgestellt. Nach dem Motto „die schlechten Nachrichten zuerst“ prognostizieren sie eine Stagnation der deutschen Wirtschaft, also ein Nullwachstum. Das wäre dann das dritte Jahr in Folge ohne Wirtschaftswachstum.
Die Gründe dafür verorten sie zum einen bei der Zollpolitik der USA seit dem Amtsantritt von Donald Trump. Für die exportorientierte deutsche Wirtschaft sind die USA ein wichtiger Absatzmarkt. Zum anderen wird die deutsche Bürokratie verantwortlich gemacht. Die Sachverständigen finden es deshalb wichtig, Bürokratie abzubauen und deren Wiederaufbau zu vermeiden. Allerdings befindet sich die deutsche Wirtschaft schon lange in einer anhaltenden Krisensituation.
Pleitewelle? Dauerkrise? – Wie steht es um die deutsche Wirtschaft?
Sozialleistungen kürzen, in Unternehmen investieren
Doch die Weisen wollen auch gute Nachrichten überbringen. Das Sondervermögen und die Lockerung der Schuldenbremse sollen unser Segen sein. Denn wenn das Geld investitionsorientiert und nicht konsumorientiert ausgegeben wird, sei ihrer Meinung nach ein Wachstum zu erwarten. Mit investitionsorientierten Ausgaben sind unter anderem Rüstungsausgaben gemeint, mit konsumorientierten zum Beispiel Ausgaben für Sozialleistungen.
Wer sich nun fragt, wie der Sachverständigenrat mit eventuellen Sozialkürzungen umgeht, den soll die Antwort von Prof. Dr. Achim Truger beruhigen: „Wenn Wirtschaft wieder gut läuft, wenn Beschäftigung wieder steigt, sollte sich auch die soziale Situation verbessern.“ Die Arbeiter:innen sollen sich also gedulden und weiter und am besten mehr arbeiten. Dafür werden auch Vorschläge gemacht, wie etwa mehr Investitionen in die Kinderbetreuung, damit junge Mütter schneller wieder als Arbeitskraft ausgebeutet werden können.
Was bedeuten diese Prognosen für uns Arbeiter:innen?
In erster Linie wird uns eine Zukunft aufgezeichnet, in der wir mehr und länger arbeiten sollen. Die Abschaffung des 8-Stunden-Tages, die Einführung der flexiblen Rente und vielleicht sogar die Streichung von Feiertagen werden von den Kapitalist:innen als notwendige Schritte für uns alle bezeichnet, damit wir es gemeinsam aus der Krise schaffen.
„Gemeinsam“ ist der Begriff, der besonders stark das Vokabular der Bundesregierung, der DGB-Gewerkschaften oder eben der Wirtschaftsweisen prägt. Die aufgeführten Maßnahmen zeigen aber, dass die Krise eindeutig auf dem Rücken der Arbeitenden ausgetragen werden soll. Denn der 8-Stunden-Tag ist eine Errungenschaft einer kämpferischen Arbeiter:innenbewegung von vor mehr als 100 Jahren. Diese Errungenschaft soll mit der neuen Bundesregierung faktisch den Arbeiter:innen einfach so wieder genommen werden.
Abschaffung des 8-Stunden-Tages, arbeiten im Alter – Was ist unsere Antwort?
Rentner:innen sollen durch die flexible Rente 2.000 Euro steuerfrei dazuverdienen können. Doch die Höhe des steuerfreien Satzes kann die Altersarmut in diesem Land nur sehr bedingt lösen.
Den Kapitalist:innen hingegen soll die stärkere Laissez-faire-Politik zugutekommen. Diese soll durch den bereits erwähnten Bürokratieabbau stärker etabliert werden. So hat es bereits die Große Koalition in ihrem Koalitionsvertrag mit der Abschaffung des Lieferkettengesetzes festgehalten. Das Gesetz hat den Anspruch, sicherzustellen, dass bei den Importen von Rohstoffen und Vorprodukten Menschenrechts- und Umweltstandards eingehalten werden.
Freie Bahn für die Wirtschaft: GroKo streicht Lieferkettengesetz
Ein weiteres Instrument der „Machen-lassen“-Politik ist die geplante Einführung des Industriestrompreises. Für energieintensive Unternehmen soll der Strompreis auf niedrigem Niveau gedeckelt werden. Dadurch machen Energieunternehmen mehr Gewinne und sind international konkurrenzfähig. Die Arbeiter:innen dürfen als Steuerzahler:innen für die Differenz aufkommen.
Der Ton der neuen Bundesregierung und ihrer Wirtschaftspolitik ist somit gesetzt. „Unternehmen und Bürger einfach mal machen [lassen]“, so beschreibt es Prof. Dr. Veronika Grimm, eine der fünf Wirtschaftsweisen. Kapitalist:innen sollen zukünftig mit mehr Freiheiten, also schlechteren Arbeitsbedingungen, Arbeiter:innen stärker ausbeuten dürfen, um die deutsche Wirtschaft wieder auf Kurs zu bringen.