Vor vier Jahren wurde der AfD-Politiker Matthias Helferich durch seine Eigenbezeichnung als „das freundliche Gesicht des NS“ bekannt. Derzeit geleakte Chats von ihm und ihm nahestehenden Personen zeigen verstörende Bezüge zum NS. Ein Parteiausschlussverfahren wird von der AfD derweil unter den Tisch gekehrt.
Trotz eines Parteiausschlussverfahrens und einer vorher bestehenden Ämtersperre in der AfD hat Matthias Helferich es geschafft: Am 25. Februar 2025 zog er als Mitglied der AfD-Fraktion in den Bundestag ein. Bereits in der Union, der er früher angehörte, lief ein Parteiausschlussverfahren gegen den heute 46-Jährigen. Auch hatte er bereits ein Verfahren wegen des Straftatbestands der Volksverhetzung am Hals.
Doch die Ausschlussverfahren in der Union und AfD wurden nicht weitergeführt und sein Strafprozess endete mit einem Freispruch. Auch die 2021 von Tino Chrupalla und Beatrix von Storch (beide AfD) bestätigte Ämtersperre scheint heute nie da gewesen zu sein. Doch Helferich selbst ist immer noch der Faschist, der er damals schon war.
„Das freundliche Gesicht des NS“: Höcke und seine AfD-Vertrauten im Bundestag
Helferich ganz privat
Wie der Spiegel unter Berufung auf Recherchen der Autonome Antifa Freiburg und des antifaschistischen Kollektivs Recherche Nord berichtet, lässt sich eine Sache feststellen: Positive Bezüge zum Hitlerfaschismus sind alles andere als ein Ausrutscher für den Bundespolitiker. Eine Vielzahl an Chatnachrichten, E-Mails sowie Fotomaterial belegen das.
Nachrichten an Kameraden aus der faschistischen Burschenschaft Frankonia, in der er selbst früher Mitglied war, zeigen dies besonders eindrücklich. Das Material umfasst einen Zeitraum bis ins Jahr 2015.
Aussagen wie „Du hast noch meine gesamte Rassenkunde-Literatur, du jüdischer Langfinger.“ wurden in Mails gefunden. Diese beginnt er außerdem gerne mit „Heilchen“ als Anrede. Zum Abschied erklärt er, dass er die Anrede „Holocaustleugner_In“ bevorzuge. Dazu kommen gereimte Verse, wie etwa „Advent, Advent, ein Asylantenheim brennt. Erst eins, dann zwei, dann drei, dann vier, dann steht der Helferich vor der Reichstagstür. Und wenn das Fünfte brennt, hast du die Revolution verpennt!“ – sie schockieren nun ganz Deutschland.
Höcke, Helferich und H.
Doch Helferich steht nicht alleine da mit seinen offenen Bezügen zum Nationalsozialismus: Er selbst ist ehemaliger Teil des heute aufgelösten völkisch-nationalen Flügels, damals unter der Führung Björn Höckes. Dabei handelte es sich um eine besonders radikale Fraktion innerhalb der AfD, die noch weniger gemäßigt im Vergleich zu anderen Teilen der Partei war. Sie spielte eine große Rolle dabei, die AfD noch offener, noch weiter nach rechts zu bewegen. Flügelführer Höcke selbst gab in den letzten beiden Wahlkampfphasen etwa die SA-Parole „Alles für Deutschland“ aus.
Politisch steht Helferich auch dem faschistischen Vordenker, Publizisten und Aktivisten Götz Kubitschek nahe. Im März hielt dieser einen Vortrag im Wahlkreis des AfD-Politikers. Einige Wochen zuvor hatte Helferich den Chef-Ideologen der Neuen Rechten – gleichzeitig Geschäftsführer des Verlags Antaios – in den Bundestag eingeladen.
Und auch im Umfeld Helferichs gehören Aussagen wie „am besten NSDAP wählen“ zum guten Ton dazu. Der Neonazi Robert H. etwa betreibt selbst faschistische Chatgruppen, in denen er derartige Nachrichten verfasst. Andere dort fragen nach Buchempfehlungen zur Rassenlehre. Dort sagt H. unter anderem selbst mehrfach, Angestellter Helferichs zu sein und prahlt, ihn gut zu kennen.
Interessant sind etwa Diskussionen in der Chatgruppe namens „Patriotische Gemeinschaft“. H. Stellt dort klar: „Wie Matthias [Helferich] gesagt hat wir wollen die BRD als Institution erst einmal beibehalten aber diesen Staat nachhaltig verändern. Hat Hitler mit der Weimacherrepublic auch so gemacht.“
Sich eindeutig auf Nazis in der Öffentlichkeit zu beziehen bzw. zu zitieren sei deswegen eher unklug. Er warb dort immer wieder für die AfD und die mittlerweile aufgelöste Jugendorganisation Junge Alternative (JA). Auch Aussagen wie „Ein fröhliches Heil bekommst du bei uns aber auch hinter verschlossener Türe zu hören oder das man ein Weißeseuropa braucht und ein Deutsches Deutschland sagen wir sogar nüchtern ohne Bier oder Schnaps“ sind dort zu lesen.
Nach außen freundlich, nach innen NS?
Die „Werbung“ von Robert H. für AfD und die JA scheint es auch ganz gut zu treffen. Denn – auch, wenn es immer wieder geschieht – werden klare Bezüge zum NS eher nur von besonders „völkisch-nationalen“ Teilen der faschistischen Partei getätigt. Ideen zur Deportation von Migrant:innen sind dann jedoch schon Teil der Parteilinie.
Ein möglicher Grund dafür wären die von H. geschilderten taktischen Erwägungen. Antisemitische Beleidigungen wie „Judenschwein“ oder „jüdischer Langfinger“ lösen zu Recht in der Breite der Bevölkerung großes Entsetzen und Abscheu aus. Die gewöhnliche rassistische Hetze wird währenddessen immer extremer salonfähig und ist eben schon nicht mehr so negativ konnotiert für viele.
Helferich behauptet indes, Robert H. nur flüchtig zu kennen. Zudem sei er Opfer eines Hack-Angriffs gewesen, bei dem all die Chats manipuliert worden seien. Er selbst habe diese Dinge jedoch nicht geschrieben. Die Chatgruppe von H. soll ihm ebenfalls nicht bekannt gewesen sein.
An diejenigen, die vielleicht auch seinen Aussagen noch skeptisch gegenüber stehen, appelliert er, man müsse nun „solidarisch zusammenstehen, Partei und Vorfeld“. Denn „wer sich distanziert, verliert“.