Seit die Überschwemmungen in der spanischen Provinz Valencia im vergangenen Oktober 228 Menschenleben gekostet haben, protestieren die Menschen dort gegen ihre Regierung und ziehen sie zur Rechenschaft. Nun greifen sie zu neuen Mitteln.
Am 29. Oktober letztes Jahr kam es in der autonomen Region Valencia in Spanien zu heftigen Überschwemmungen. Das meterologische Phänomen „Dana”, das zu den Überschwemmungen geführt hatte, ist eng mit dem Klimawandel verbunden. In manchen Gebieten ist in wenigen Stunden das Äquivalent zu einem ganzen Jahr Regen gefallen.
Dennoch hätte man die katastrophalen Konsequenzen für die Bevölkerung Valencias abwenden können. Frühe Warnungen wurden konsequent ignoriert, die Bevölkerung erst Stunden später als möglich gewesen wäre informiert, als viele bereits durch die Wassermassen festsaßen. Durch das verspätete und falsche Handeln der regionalen Regierung kam es zu 228 Toten.
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Katastrophales Krisenmanagement
Im Mittelpunkt der Kritik steht der Landespräsident Carlos Mazón. Nicht nur hatte er in jüngster Vergangenheit den Katastrophenschutz zusammengestrichen und Unterstützung der zentralen Regierung abgelehnt – am Tag des Ereignisses war er über fünf Stunden Mittag essen und erschien dann zwei Stunden zu spät zu einer Notfallsitzung. So wurde die Entscheidung über die Warnung der Bevölkerung beträchtlich verzögert – dabei zeichnete sich die Katastrophe bereits am Morgen ab.
Nur wenige Tage nach der Überschwemmung legte Mazón die Notfallkoordinierungsstelle 8 Stunden lang lahm, um sich von seinen politischen Beratern briefen zu lassen, wie er sich vor der Öffentlichkeit präsentieren sollte.
Auffällig ist, dass sich der Polizeischutz von Mazón nicht nur in Schweigen hüllt, sondern zufällig auch noch die höchsten polizeilichen Auszeichnungen bekommt. Bis heute hat niemand Verantwortung für den Umgang mit den Überschwemmungen übernommen.
Ein Kampf mit langem Atem
Jeden Monat gehen die Menschen in Valencia zu zehntausenden auf die Straße, um für Gerechtigkeit für die Opfer, das Recht auf Wohnraum und den Rücktritt von Carlos Mazón zu demonstrieren. Auch die voranschreitende Privatisierung, die mit sozialen Kürzungen einhergeht, ist Thema der Demonstrationen.
Unter dem Motto „Mazón dimisión“ (Mazón Rücktritt) organisierte gestern ein Bündnis aus den klassenkämpferischen Gewerkschaften CGT, CNT COS und IV gemeinsam mit weiteren 200 sozialen Akteur:innen den ersten Generalstreik der Region. Zu den Aufrufenden gehörten auch diverse Nachbarschaftsorganisationen wie die Comités Locales de Emergencia y Reconstrucción (Lokale Notfall- und Wiederaufbaukomitees), die Teil der breitgefächerten Initiative Acord Social Valencià (soziales übereinkunft Valencia) sind. Sie hatten sich spontan nach der Flutkatastrophe gebildet.
Vielfältige Aktionen rund um den Streik
Schon in den Tagen vor dem Streik besetzten die Gewerkschaftler die Eingangshalle der valencianischen Arbeitgebervereinigung und organisierten Kundgebungen, z.B. vor dem valencianischen Regierungssitz.
Am Streiktag selbst gab es zahlreiche kämpferische Streikposten, die den Verkehr störten und sich die Straße nahmen. Es gelang den Streikenden in den frühen Morgenstunden, das Einkaufszentrum Mercavalencia und den Busverkehr zu blockieren, sowie zahlreiche Staus auszulösen. Gegen Mittag zog eine Demonstration, begleitet von einem großen Polizeiaufgebot, durch die Innenstadt mit dem Ziel, Geschäfte zu versperren.
Am Abend bildete eine Demonstration mit über 25.000 Teilnehmenden den Abschluss.
Streiks als Kampfmittel
Durch den Streik wollen die Gewerkschaften den politischen Druck erhöhen und den Kampf in die Arbeitswelt tragen, da gerade auf dem Weg zur oder von der Arbeit viele Kolleg:innen ums Leben kamen. In manchen Betrieben wurden Arbeiter:innen sogar gezwungen weiter zu arbeiten, trotz der tödlichen Überschwemmungen.
„Ein System, das entgegen jeder menschlichen Überlegung die Aufrechterhaltung der Produktion fordert, hat die valencianischen Arbeiter:innen gezwungen, weiter das Rad des Kapitals zu drehen.“, ordnet die anarchistische Gewerkschaft CNT die Geschehnisse ein.
Damit handelt es sich bei den Aktionen also um einen politischen Streik – also eine Kampfform, bei der es den Streikenden nicht (nur) darum geht, ihre eigenen Arbeitsbedingungen zu verbessern, sondern politische Ziele zu verfolgen. Damit nutzen Arbeiter:innen ihre stärkste Waffe, nämlich die Niederlegung der Arbeit und damit den Profitverlust der Kapitalist:innen, um den Klassenkampf voran zu treiben. Solche Streiks sind in Deutschland beispielsweise strikt verboten.
Obwohl sich so viele verschiedene Organisationen für den Streik zusammen getan haben beteiligten sich die zwei größten Gewerkschaften UGT und CCOO nicht. Die Streikenden bringen ihre Haltung dazu klar zur Sprache: „Es gibt keine anderen Weg: Entweder man ist mit den Unternehmer:innen oder mit der Arbeiterklasse.“