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Israels Offensive: Netanjahu will vollständige Kontrolle über Gaza

Israel hat am Sonntag die Offensive „Gideon’s Chariots“ gestartet. Nach intensivierten Angriffen in den vergangenen Tagen will Netanjahu nun minimale Lebensmittellieferungen zulassen. Doch der Gazastreifen soll weiterhin dem Erdboden gleichgemacht und Palästinenser:innen vollständig vertrieben werden.

In der vergangenen Woche sind laut Gazas Gesundheitsministerium mindestens 464 Menschen getötet worden. Alleine am Sonntag wurden mindestens 150 Menschen bei Luftschlägen getötet. Bis Montag Mittag kamen weitere 60 Tote hinzu. Nach offiziellen Zahlen sind seit Beginn des Krieges im Oktober 2023 mindestens 53,339 Palästinenser:innen getötet und 121.034 verletzt worden. Die Dunkelziffer liegt laut Schätzungen westlicher NGOs deutlich höher.

Grund für die intensivierten Angriffe ist die kürzlich gestartete Offensive „Gideon’s Chariots“ durch die israelische Armee. Am Sonntag bestätigte die israelische Armee den Beginn der Operation. Dabei sollen reguläre sowie Reservetruppen eine Bodenoffensive sowohl im nördlichen als auch im südlichen Teil Gazas anführen. Aus der Luft wird die Offensive ebenfalls unterstützt.

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Laut Berichten der Israel Defense Forces (IDF) wurden in der vergangenen Woche bereits über 670 Orte im Gazastreifen angegriffen, wobei Israel angab, es habe sich bei allen um „Hamas-Ziele“ gehandelt. Dabei soll auch Mohammed al-Sinwar, der aktuelle Führer des bewaffneten Arms der Hamas, getötet worden sein.

Minimale Nahrungsmittellieferungen

Nachdem Israel über Monate alle Hilfslieferungen blockiert hatte, zeigte sich Israels Regierung nun offen, kleine Mengen nach Gaza zu lassen. „Israel wird eine grundlegende Menge an Nahrungsmitteln für die Bevölkerung zulassen, um sicherzustellen, dass sich im Gazastreifen keine Hungerkrise entwickelt“, erklärte das Büro von Benjamin Netanjahu.

Doch laut Verteidigungsminister Israel Katz sei das Ziel weiterhin, die Offensive „Gideon’s Chariots“ zu Ende zu bringen und die Hamas zu zerstören. Er werde nur „das absolute Minimum an humanitärer Hilfe in den Gazastreifen lassen. Wir werden nicht zulassen, dass die Hamas diese Hilfe nutzt. Wir werden sicherstellen, dass diese Hilfe nicht mehr als das zum Überleben notwendige Essen umfasst“, so Katz.

Israel: Angriffe aufs Hilfsgüter und Ausweitung des Krieges

Ziele der Gaza Offensive

Zeitgleich finden Verhandlungen in Katar zwischen Israel und Hamas-Vertretern statt. Die Hamas kritisiert Israel, dass diese eine Freilassung der Geiseln wollen „ohne sich zum Ende des Krieges zu verpflichten“, so ein Vertreter.

Das Büro des Premierministers erklärte am 14. Mai, dass Netanjahu entschlossen sei, alle Kriegsziele Israels zu erreichen. Das bedeute die „Freilassung aller Geiseln, die militärische Niederlage der Hamas und das Versprechen, dass Gaza keine Bedrohung mehr für Israel darstellt“. Netanjahu selbst bekräftigte, dass jede Waffenruhe, die erreicht werde, nur vorübergehend wäre. Auch wenn die Hamas erklären würde, weitere Geiseln freizulassen, „nehmen wir sie – und dann gehen wir wieder rein. Aber es wird keinen Weg geben, wie wir den Krieg stoppen“, so Netanjahu.

Konkret sehen die Pläne der IDF vor, alle noch stehenden Gebäude dem Erdboden gleichzumachen und nahezu die gesamte Bevölkerung von zwei Millionen Menschen in ein einziges „humanitäres Gebiet“ umzusiedeln. Ein israelischer Beamter erklärte, dass die Alternative für die Palästinenser:innen sei, Gaza „freiwillig“ in Richtung anderer Länder zu verlassen – „im Einklang mit Präsident Trumps Vision für Gaza“.

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Um die Offensive durchzuführen, hatte die IDF in den vergangenen Wochen Reservist:innen einberufen, um aktive israelische Soldat:innen im Westjordanland abzulösen. Dies steht auch im Einklang mit Netanjahus Plan, Gaza vollständig zu besetzen. Dazu sei ein Vorgehen nötig, das „nicht gestoppt werden kann“. Die Ausweitung der eingesetzten Streitkräfte soll dafür sorgen, diese Ziele zu erreichen.

Trumps Pläne für Gaza

Gegenüber der National Broadcasting Company (NBC) berichteten Vertraute der US-Regierung, dass diese an einem Plan zur ethnischen Säuberung Gazas arbeiten. Bis zu 1 Millionen Palästinenser:innen sollen nach Trumps Plänen dauerhaft von Gaza nach Libyen vertrieben werden. Regierungsbeamte hätten dazu auch die Idee diskutiert, Palästinenser:innen finanzielle Anreize zu bieten, um „freiwillig“ umzusiedeln.

Laut dieser Quellen würden bereits Gespräche mit der libyschen Regierung geführt. Als Gegenleistung würde die US-Regierung möglicherweise mehrere Milliarden Dollar an eingefrorenen Geldern freigeben.

Vor einigen Monaten sorgte Trump bereits mit einem Video auf seinen Social-Media-Kanälen für Entsetzen. In dem KI-generierten Video stellte er seine Pläne für ein „Trump Gaza“ vor. Während eine Stimme im Hintergrund „No more tunnels, no more fear. Trump Gaza is finally here!“ singt, stellt das Video in absurder Weise Trumps Pläne für eine Riviera am Mittelmeer unter US-Kontrolle dar: Wolkenkratzer, die am Meer in den Himmel ragen, eine riesige goldene Trump Statue, Elon Musk, der am Strand Geldscheine in die Luft wirft – und Trump, wie er Cocktail-schlürfend mit Netanjahu am Hotel-Pool sitzt.

Doch trotz der grundsätzlichen Unterstützung für die Ziele der Netanjahu-Regierung, stehen die USA nicht vollständig hinter der aktuellen Offensive. Stattdessen drängt die US-Regierung immer wieder auf einen Waffenstillstand und einen Geisel-Deal. Vize-Präsident Vance sagte nun sogar einen geplanten Besuch in Israel am Dienstag ab – offizielle aus logistischen Gründen. Doch ein ranghoher US-Beamter erklärte gegenüber Axios, dass der Grund der Absage die Ausweitung der israelischen Militäroperation in Gaza sei.

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Israels Beziehung zu Syrien

Doch nicht nur in Gaza, sondern auch in Syrien scheint es Veränderungen zu geben. Nach Trumps Besuch beim neuen syrischen Präsidenten Ahmad al-Sharaa hat Israel anscheinend ebenfalls Gespräche mit syrischen Offiziellen geführt. Trump hatte Sharaa in Saudi-Arabien getroffen und dort auf einen Beitritt zum Abraham-Abkommen (Friedensvertrag zwischen Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten) gedrängt – und gleichzeitig eine Aufhebung der Sanktionen gegen Syrien in Aussicht gestellt.

Bei einem Treffen in Aserbaidschan soll dann der Leiter der Operationsdirektion der IDF, Generalmajor Oded Basiuk, die Gespräche geführt haben. Eine Woche zuvor hatte Sharaa bereits erklärt, dass er indirekte Gespräche mit Israel führen würde, um die Angriffe auf Syrien zu beenden. Die israelische Zeitung Hareetz berichtete, dass Katar bereits seit Monaten die Vermittlerrolle in laufenden Gesprächen zwischen den beiden Staaten einnehmen würde.

Israel blickt mittlerweile zuversichtlicher auf eine Verbesserung der Beziehungen – obwohl sie, wie auch andere westliche Länder, den syrischen Präsidenten wenige Jahre zuvor noch als Terroristen verfolgten. Seit der Machtübernahme durch die Haiʾat Tahrir asch-Scham (HTS) ist in Syrien der Einfluss Irans zurückgegangen, der vor allem Assad während des Bürgerkriegs unterstützte. Stattdessen konnte die Türkei an Einfluss gewinnen. Und auch die USA versuchen ihre Beziehungen und ihren Einfluss zu vergrößern. Das zeigen auch die Gespräche zwischen Trump und Sharaa, die die ersten direkten Gespräche zwischen den beiden Ländern seit 25 Jahren waren.

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