Zeitung für Solidarität und Widerstand

Kein Ende des Genozids in Palästina, kein Ende der Repression gegen die Palästinasolidarität

Hörsaal-Besetzungen sind seit vielen Jahren eine Aktionsform der Studierendenbewegung. Seit Beginn des aktuellen Krieges in Gaza im Oktober 2023 wird sie besonders von palästinasolidarischen Aktivist:innen angewendet. Angesichts der Lage in Gaza wird der Widerstand fortgesetzt. Migrant:innen droht der deutsche Staat dafür jetzt mit Abschiebungen. – Ein Kommentar von Marc Bremer.

Im Januar diesen Jahres schien Deeskalation in Sicht: Bilder aus Gaza von Menschen, die den Waffenstillstand feierten, Demonstrationen in Deutschland unter dem Motto: „Victory Parade“. Doch blieb die Hoffnung auf ein Ende des Krieges vergeblich. Der israelische Staat hatte noch Interesse den Krieg weiterzuführen, immerhin waren die angegebenen Ziele noch nicht erreicht.

Militärische Fortschritte in Gaza waren überschaubar, die Hamas konnte immer noch erstaunlich viel Widerstand leisten, mehrere Geiseln waren noch nicht befreit. Keine Position also, aus der Israel Gaza dauerhaft besetzen, die Palästinenser:innen vertreiben und somit die eigene Macht ausbauen könnte. Und da auch der Druck von den Unterstützern aus dem Weißen Haus und Brüssel sich in Grenzen hielt, war der Waffenstillstand nach knapp zwei Monaten auch wieder Geschichte.

Mit einer klaren Ansage, sprich Bombenangriffen mit 400 Toten und den Worten „Das ist erst der Anfang“, begann Israel die erneute Offensive. Seitdem entwickelt sich die Situation vor Ort rasant. Verteidigungsminister Katz spricht von einer „letzten Warnung“ und „noch nie da gewesener Gewalt“. Wie diese aussehen könnte, mag man sich mit den Bildern des bereits geschehenen Genozids während der vergangen 18 Monate im Kopf nicht vorstellen. Doch fast wie um zu beweisen wie grausam es sein könnte, liefern israelische Medien gleich einen Plan des Militärs dafür mit: Alle Bewohner:innen Gazas, die nicht fliehen konnten oder nicht schon tot sind, sollen in Lager gesperrt werden. Diese „humanitären“ Lager sollen langfristig angelegt werden.

Sicher ist nur das Leid

Wenn die israelischen Behörden von Sicherheits- oder humanitären Zonen sprechen, stellt sich die Frage, von welcher Sicherheit sie sprechen. Für die Bewohner:innen Gazas kann von Sicherheit oder Humanität keine Rede sein. Die Situation scheint nach dem Ende des Waffenstillstandes die schlimmste seit Anfang des Krieges zu sein. Seit Mitte März sind knapp 500.000 Menschen innerhalb Gazas auf der Flucht.

Mehrere Hilfsorganisationen gaben vor Kurzem zur aktuellen Lage einen Bericht heraus. Sie beklagen eine Situation, in der sie „scheitern müssen“. Es fehlt an allem; die Krankenhäuser, die noch irgendwie funktionieren sind viel zu voll, medizinische Güter sind Mangelware. Auch an anderen humanitären Gütern, wie Essen oder Hygiene herrscht akuter Mangel. Mangel der nicht sein müsste. Vor den Toren Gazas stauen sich LKWs mit Hilfslieferungen. Während in Gaza ge- und verhungert wird, macht Israel deutlich, dass, wie Innenminister Katz betont, „keine humanitäre Hilfe nach Gaza“ kommt.

Schaut man sich diese Berichte an, mag das Gefühl von Ohnmacht nahe liegen. Was und wie lässt sich etwas tun, um gegen eine solche Brutalität, eine solche Ungerechtigkeit vorzugehen? Doch auch Wut dürfte bei vielen Menschen entfacht werden, wenn sie sehen, dass Regierungen in Deutschland und auf der ganzen Welt dieses Leid zulassen und unterstützen.

Trotz allem aktiv werden

Und diese berechtigte Wut zeigt sich seit dem Beginn der israelischen Offensive in zahlreichen Ländern. Universitäten wurden besetzt, wöchentliche Demonstrationen, Störaktionen bei Politiker:innen oder Unternehmen. Eine Protestbewegung, die mit einer zumindest in Deutschland vorher kaum bekannten Entschlossenheit auftrat, die der erdrückenden Lage in Gaza geschuldet ist, die auch die deutsche Unterstützung des Genozids anprangert. Und eine Bewegung, welche die volle Härte des deutschen „Rechts“ abbekommt.

So wurden direkt im Oktober 2023 mit großer Willkür Demonstrations- und Organisationsverbote durchgesetzt. Die Protestbewegung ließ sich davon nicht aufhalten. Letztes Jahr gab es vor allem an den Universitäten Protest. Viele Universitäten wurden besetzt und daraufhin brutal polizeilich geräumt. Als wäre das nicht genug, setzt der Staat seit letztem Sommer auch immer mehr gerichtliche Mittel als Repression ein. Mittlerweile gab es mehrere, oft willkürliche, Urteile. So wurde die geografische Darstellung Palästinas als in Fragestellung des Existenzrechts Israels ausgelegt. Die Gerichtsprozesse sind politisch und werden so geführt.

Gerade zu den Protest-Aktionen an den Berliner Universitäten gibt es mittlerweile fast jede Woche einen Gerichtsprozess. Mit diesen Prozessen einher geht oft eine provozierende Schikane: Termin und Raum werden kurz vor Beginn verlegt, Sicherheitsabschnitte mit Gitterabsperrungen eingerichtet, Kontrollen für Besucher:innen zur Regel.

Nun wurde das staatliche Vorgehen gegen Studierende auf eine neue Stufe gesetzt: Vier internationale Studierende sollen abgeschoben werden. Als Grund wird ihr Aktivismus gegen den Genozid in Palästina angegeben. Dabei wurde keine:r der Aktivist:innen für eine Straftat verurteilt. Noch absurder wird die Geschichte wenn man die Herkunftsländer der vier Studierenden anschaut: USA, Polen und Irland. Denn Abschiebungen sind für den deutschen Staat ja erst einmal nichts besonderes. Doch dass es EU- und US-Bürger:innen trifft, ist eine Besonderheit.

Mitte April stoppte das Verwaltungsgericht fürs Erste eine Abschiebung. Argumentiert wird damit, dass das Landesamt für Einwanderung (LEA) beim „Verwaltungsverfahren bereits seiner Amtsaufklärungspflicht nicht in ausreichendem Maße nachgekommen“ sei. Behörden-Deutsch für: Das LEA hatte nicht alle Akten angefordert, schauen wir mal, wie es weiter geht.

Die Abschiebungen scheinen jetzt gestoppt, denn vermutet wird, dass die erste Entscheidung auch eine Auswirkung für die restlichen Prozesse haben wird. Doch klar ist, dass die Repressionen von staatlicher Seite nicht aufhören werden solange weiter Studierende Widerstand leisten und auch Abschiebungen stehen weiter als mögliche Drohung im Raum.

Im April kam es nach längerer Zeit in Berlin dennoch wieder zu einer Hörsaalbesetzung. Die Forderungen der Teilnehmer:innen als Reaktion auf die drohenden Abschiebungen der Studierenden: „Free Palestine means No Borders – Stoppt alle Abschiebungen“. Die erneute Hörsaalbesetzung, sowie eine verstärkte Präsenz auf den Straßen in den letzten Wochen, kann ein Zeichen sein für ein Wiederaufflammen der Palästina-Bewegung. Angesichts der Lage in Gaza sowie der Verbindung mit dem Kampf gegen Unterdrückung in Deutschland müssen wir gemeinsam für Erfolge kämpfen.

Dieser Text ist in der Print-Ausgabe Nr. 98 vom Mai 2025 unserer Zeitung erschienen. In Gänze ist die Ausgabe hier zu finden.

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