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Kölner Grüne mit AfD und CDU gegen Obdachlosenunterkunft

Nach gemeinsamer Abstimmung von Grünen, AfD und CDU in der Kölner Kommunalpolitik gibt es wieder einmal Debatten um die „Brandmauer“. Doch das lenkt von der tatsächlichen Politik der Grünen der letzten Jahre ab – von CDU und AfD ganz zu schweigen. – Ein Kommentar von Lukas Mainzer.

In Zeiten von explodierenden Mieten, steigenden Lebenshaltungskosten und sinkenden Reallöhnen nimmt die Obdachlosigkeit in Deutschland weiter zu. Der Wohnungslosenbericht der Bundesregierung spricht sogar von einer Verdopplung der Menschen ohne eigene Unterkunft in den letzten zwei Jahren. Um dagegen Abhilfe zu schaffen, wollte die Stadt Köln für die nächsten zehn Jahre 33 Wohnungen in einem Neubau anmieten. Dort sollten dann Obdachlose untergebracht werden.

Bei der kommunalpolitischen Abstimmung darüber kam es nun aber zum Eklat: Die Bezirksvertretung von Köln-Porz – derjenige Stadtteil, in dem das Gebäude liegt – stimmte gegen die Anmietung. Neben CDU und AfD waren dabei die Stimmen der Grünen entscheidend. Das Vorhaben wurde mit einer Stimmengleichheit abgelehnt, weil zwei der vier Grünen-Vertreter:innen dagegen stimmten. Die SPD-Fraktion äußerte sich schockiert und sprach von einem „Einreißen der Brandmauer“.

Der Beschluss ist damit aber noch nicht final gescheitert und steht noch im Kölner Stadtrat auf der Tagesordnung. Die Grünen betonten, im Stadtrat für den Antrag stimmen zu wollen. Dennoch hat die Abstimmung überregional für Schlagzeilen und Aufregung gesorgt. Die Grüne Jugend etwa erklärte: „Wer gemeinsame Sache mit der AfD macht, hat in unserer Partei nichts verloren“. Ist die Brandmauer zwischen Grünen und AfD mit dem Beschluss in der Köln-Porzer Bezirksvertretung gefallen?

Mythos „Brandmauer“ – Ist sie gefallen oder stand sie nie?

Grüne machten schon in der Ampel AfD-Politik

Direkte politische Zusammenarbeit von Grünen und AfD gab es tatsächlich bisher eher selten. Während die einst von Friedrich Merz ausgerufene „Brandmauer“ zwischen Union und AfD längst gefallen ist, positionieren sich die Grünen weiterhin als größter Gegner der AfD.

Doch schon in der Ampel-Regierung gab es inhaltlich auch von den Grünen keine Distanz zur AfD. Der Verein Pro Asyl bilanziert nach knapp vier Jahren Regierung aus SPD, Grünen und FDP mehr Abschiebungen und eine Verschärfung des Asylrechts. Im Koalitionsvertrag hatte es noch geheißen, man wolle Deutschland zu einem „modernen Einwanderungsland“ machen. Doch der Wind drehte sich schnell.

In der Regierungszeit wurde unter anderem dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem (GEAS) zugestimmt, das Asylsuchende weiterhin an den EU-Außengrenzen festhält und sogar eine Inhaftierung von Kindern in sogenannten „Aufnahmelagern” dort ermöglicht. Grüne und SPD beteiligen sich bis heute an der von der AfD getriebenen Verschärfung der Rhetorik gegenüber Geflüchteten und Migrant:innen. Im August 2024 etwa beschloss die Grünen-Fraktion ein Positionspapier, das unter dem Stichwort „Zeitenwende im Innern“ konsequente Abschiebungen und mehr Befugnisse der Sicherheitsbehörden vorsieht.

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„Brandmauer“-Debatte als Ablenkungsmanöver

Die Frage, wer in einem einzelnen Beschluss mit wem abstimmt, kann sehr gut dabei behilflich sein, von inhaltlichen Fragen abzulenken. Die Debatte in Köln-Porz lenkt beispielsweise davon ab, warum es überhaupt nötig ist, in hoher Zahl Unterkünfte für Obdachlose von städtischer Seite bereitzustellen. Auch dort haben die Grünen in den letzten vier Jahren mit ihrer Politik im Sinne der Arbeitgeber:innen und Wohnungskonzerne dafür gesorgt, dass Menschen aus ihren Wohnungen verdrängt wurden und keinen Platz mehr im System haben.

Die angestoßene Kontroverse über die Grünen in der Kölner Lokalpolitik kann also als Scheindebatte zur Ablenkung betrachtet werden. Zwar zeigt sich auch die AfD immer offener faschistisch. Gleichzeitig bewegen sich die Parteien von Grünen bis CDU/CSU in dieselbe Richtung, um angesichts des gesellschaftlichen Klimas mit der AfD mithalten zu können. Dadurch machen sie gleiche Politik, welche die AfD selbst noch vor wenigen Jahren gefordert hat.
Mit dem Beharren auf der sogenannten Brandmauer können Grüne oder SPD somit perfekt davon ablenken, dass sie mittlerweile längst selbst rechte Politik machen. Der allgemeine Rechtsruck der Politik wird immer offensichtlicher. Dagegen wächst aber zum Glück auch der Widerstand in der Bevölkerung.

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