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Merz Regierungserklärung: „konventionell zur stärksten Armee Europas“

Friedrich Merz hat in seiner Regierungserklärung für mehr Krieg und Neoliberalismus geworben. Auch das Klima und die deutsche Staatsräson spielten eine Rolle. Alte Politik, neu verpackt, mit einer Schleife für die Bundeswehr. Die Rechnung geht auf uns. – Ein Kommentar von Vinzent Kassel.

Neu-Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) wurde ein historischer Denkzettel verpasst, indem er, zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, nicht direkt im ersten Wahlgang von den Bundestagsabgeordneten zum Kanzler gewählt wurde. Erst im zweiten Wahlgang konnte er ausreichend Stimmen sammeln, um zum 10. Bundeskanzler ernannt zu werden. Gestern Mittag gab er seine erste Regierungserklärung.

Eine knappe Stunde stand er am Rednerpult des Bundestages und versuchte sich staatsmännisch zu geben. Dabei versprachen seine Politikvorhaben eine düstere Zukunft.

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Einstimmen auf schwierige Zeiten für „uns alle“

Selbst für seinen Amtsvorgänger Scholz findet er plötzlich versöhnliche Worte, habe er doch „Deutschland durch Zeiten außergewöhnlicher Krisen geführt.“

Trotz der enormen Herausforderungen verspricht uns Merz „Wohlstand für alle“. Mit „alle“ sind allerdings nicht diejenigen gemeint, die nach Deutschland flüchten. Die Merz-Regierung verfolgt eine noch härtere Migrationspolitik als die Vorgänger-Regierung. Die Merz-Regierung steht für die direkte konsequente Rückweisung aller Asylsuchenden. Das EU-Recht, an das er sich zukünftig offiziell halten wolle (bzw. offiziell halten muss), untersagt zwar eine Zurückweisung ohne vorherige Prüfung. Merz‘ Versprechen, das Asylrecht zu verschärfen, klingt jedoch noch in den Ohren.  

Und auch diejenigen, die auf Bürgergeld angewiesen sind, müssen sich weiterhin Sorgen machen. Das plant er nämlich möglichst abzuschaffen beziehungsweise umzustrukturieren. Auch der Merz-typische Ruf nach mehr Neoliberalismus durfte natürlich nicht fehlen. Unternehmen sollen mehr abschreiben dürfen, Steuern würde er am liebsten senken und das Allheilmittel gegen eine rezessive Wirtschaft: Mehr Arbeit!

Die Arbeiter:innenklasse soll den Karren aus dem Dreck ziehen, dafür möchte die neue Regierung auch das lästige Hindernis namens Achtstundentag beseitigen. Und wenn wir Arbeiter:innen nach einer 12-Stunden-Schicht noch Überstunden machen, sollen diese sogar steuerfrei belohnt werden. Vielen Dank Blackrock-Fritze. 

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Deutschland soll „stärkste Armee Europas“ werden

Bei anderen Themenfeldern wird sich aber auch unter Kanzler Merz wenig überraschend nichts ändern. Deutschland ist auf Krieg getrimmt und das unterstreicht er nochmals mit der Forderung: „Die Stärkung der Bundeswehr steht dabei für uns an erster Stelle. Die Bundesregierung wird zukünftig alle finanziellen Mittel zur Verfügung stellen, die die Bundeswehr braucht, um konventionell zur stärksten Armee Europas zu werden.“

Die deutsche Solidarität, das heißt die materielle Unterstützung durch den deutschen Staatshaushalt mitsamt der herrschenden Staatspropaganda, gilt weiterhin uneingeschränkt der Ukraine und Israel. Im Ukraine-Krieg wolle Deutschland jedoch keine Kriegspartei sein. Stattdessen bot sich Merz als Vermittler an, welcher allerdings uneingeschränkt die Ukraine unterstützt. Darauf, wie diese Unterstützung konkret aussehe, ging er nicht ein.

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„Staatsräson“ bleibt unantastbar

Bezüglich des Gaza-Kriegs wedelt Merz fleißig mit der Staatsräson-Fahne. Keinerlei Kritik am Vorgehen des israelischen Staats, dagegen immer die gleichen bestens einstudierten Sätze: „Wir verurteilen den Angriff der Hamas.“, „Wir stehen an der Seite Israels.“, „Wir setzen uns für den Frieden ein.“, „Wir erwarten eine bessere humanitäre Versorgung in Gaza.“ – gegen den Krieg getan wird auch hier nichts.

Das Leid des palästinensischen Volkes wird auch in der neuen Bundesregierung kein Gehör finden. Ja, die Palästinasolidariät wird wohl noch stärker kriminalisiert und bekämpft werden. Bei solch einem Freifahrtschein für Israel wird der von Merz geforderte Frieden erst eintreten, wenn es kein Gaza, keine Palästinenser:innen und keine Palästinafrage mehr gibt, so scheint es.

Klima mit mehr Wirtschaft retten

Neben den Arbeiter:innen kündigt Merz auch noch einen zweiten Verlierer an, nämlich das Klima. An den deutschen und europäischen Klimazielen halte man fest. Doch um sie zu erreichen, werde man „neue Wege einschlagen“ müssen. Zentraler Baustein soll die CO2-Bepreisung sein: „ein marktwirtschaftlicher Ansatz, der Anreize setzt.“

Neoliberale Klimapolitik klingt vielleicht für Merz plausibel, bleibt aber ein bestens attestierter Widerspruch. Ohne eine radikale Wende, wie beispielsweise ein Ende der kapitalistischen Produktions- und Konsumgesellschaft, werden die europäischen Klimaziele nicht erreicht. Das kommt dem Bundeskanzler nicht in die Tüte. Im Vordergrund steht eine florierende Wirtschaft, denn „weder uns als Land noch dem Klima“ sei geholfen, wenn „Unternehmen ihre Produktion aufgrund hoher Kosten oder kleinteiliger Vorgaben ins Ausland verlagern.“ Mit Klimarettung hat das rein gar nichts zu tun.

Die einzig wahre Oppositionspartei

Wirklich überzeugen konnte Merz mit seiner Rede scheinbar nicht. Selbst der Koalitionspartner SPD stellt sich auf Streit ein und kündigt an, die Regierungsarbeit „selbstbewusst“ zu begleiten. Die Opposition wählte dabei noch deutlichere Worte. Katharina Dröge von den Grünen echauffiert sich über die dauerhaften Grenzkontrollen und die geplante Abschaffung des Lieferkettengesetzes. Der Fraktionschef der Linken, Sören Pellmann, geht noch einen Schritt weiter und bezeichnet Merz‘ Vorhaben als „hoffnungslos“.

Trotz all der kritischen Worte wird der Gros der Opposition dennoch nichts gegen die Regierungslinie unternehmen oder ausrichten können. Gegen alle diese Vorhaben muss sich daher die wahre Opposition auf der Straße formieren. Für Gaza, fürs Klima, für Frieden, für unsere Rechte und für eine gerechte Gesellschaft.

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Vinzent Kassel
Vinzent Kassel
Perspektive Autor seit 2024. Schwäbischer Student mit einem Faible für Geographie und Sport. In der Freizeit hauptsächlich in der Kurve anzutreffen, aber auch immer wieder mal auf der Straße bei Demos aktiv.

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