Im Bürgerkrieg in Myanmar befinden sich die oppositionellen Kräfte in einer Offensive auf dem Land. Doch für eine Übernahme der von der Militärjunta kontrollierten Städte wird es wohl nicht reichen. China spielt derweil ein doppeltes Spiel und kooperiert in eigenem Interesse mit beiden Seiten.
Nach nunmehr vier Jahren Bürgerkrieg in Myanmar ist kein Frieden in Sicht. Aktuell kämpfen Anti-Junta Kräfte gegen die Militärdiktatur des südostasiatischen Landes. Die Anti-Junta Kräfte bestehen einerseits aus den Peoples Defense Forces (PDF) der weggeputschten ehemaligen Regierungspartei Nationale Liga für Demokratie (NLD), die nun eine Gegenregierung bildet. Hinzu kommen zahlreiche liberale bis fortschrittliche Organisationen und vor allem bewaffnete Gruppen ethnischer Minderheiten.
Viele dieser ethnischen Gruppen kämpfen seit Jahrzehnten gegen den Zentralstaat. Die Gebiete ihrer Milizen sind schwerer zugänglich bzw. im Hochland gelegen. Die verschiedenen Völker haben diese Regionen nun erfolgreich selbst befreit und kontrollieren auf dem Boden ihre Heimat. Aus der Luft kommt es aber seit Beginn der Bürgerkriegs zu brutalen Luftschlägen auf Dörfer, Schulen und Krankenhäuser. Die Militärdiktatur der Armee Myanmars, „Tatmadaw“ genannt, attackiert so die Familien und die Massenbasis der Opposition und der ethnischen Milizen.
Sie kontrolliert zwar immer weniger Fläche – schätzungsweise 21 Prozent – und ist aus vielen Grenz- und Bergregionen fast vollkommen zurückgedrängt. Dennoch kontrolliert die Tatmadaw noch die drei großen Städte. Aktuell ist die Opposition der Anti-Junta-Kräfte zwar in der Offensive. Ob die mit der PDF verbündeten Milizen ihre Heimat verlassen und zusammen die befestigten Städte stürmen werden, bleibt abzuwarten. Die PDF wird die Junta nicht allein besiegen können, obwohl es auch innerhalb der großen Städte zu bewaffneten Aktionen kommt.
Einige ethnische Milizen sandten 2023 noch Grüße an den kurdischen Befreiungskampf. Die 1988 zerbrochene Kommunistische Partei, deren Splitter zum Teil dann eben jene, bis heute kämpfenden ethnischen Milizen bildeten, hat sich wiederbewaffnet und kämpft gegen die Junta. Ein von Internationalist:innen, die in Rojava gekämpft haben, gebildetes antifaschistisches Bataillon ist ebenfalls aktiv.
China bespielt alle Seiten
Öffentlich wird die Junta nach wie vor von China gestützt, das eine lange Grenze im Norden und Osten mit Myanmar teilt. Durch Myanmar hat China einen Zugang zum Indischen Ozean – und einige chinesische Pipelines verlaufen durch das Land. Bei den Feierlichkeiten zum Sieg über den deutschen Faschismus am 9. Mai in Moskau trafen sich auch der chinesische Staatspräsident Xi Jinping und die Tatmadaw-Führer und hielten zum ersten mal nach Jahren wieder ein öffentliches Treffen auf höchster Ebene ab.
China ist mittlerweile der größte Waffenlieferant der Junta und übt auch politischen Druck auf die ethnischen Milizen aus, um diese von Offensiven abzuhalten oder an den Verhandlungstisch mit der Junta zu bringen. So wird seit Herbst letzten Jahres ein wichtiger Kommandeur der Myanmar National Democratic Alliance Army (MNDAA) in China festgehalten. Mehrere von China beeinflusse Milizen haben sich auf einen temporären Waffenstillstand eingelassen, bzw. sind gar nicht erst in den Krieg eingetreten.
Gleichzeitig kooperiert China auch mit einigen oppositionellen ethnischen Milizen und kann sich so alle strategischen Optionen offen halten. Auf diese Weise versucht China, Myanmar unter seiner Kontrolle zu halten – egal wie der Bürgerkrieg ausgehen wird. Myanmars Minen, Wälder und Felder und die Textilindustrie beliefern momentan vor allem China.
Die USA und andere NATO-Staaten konzentrieren sich derzeit nicht auf Myanmar, obwohl sie natürlich auch strategische Interessen verfolgen, wie etwa Chinas Einfluss zu begrenzen. Daher finanzieren etwa die USA nach eigenen Angaben die Gegenregierung der Opposition, liefern im Moment aber – zumindest öffentlich – keine Waffen. Die USA hatten 2023 gegen die Militärjunta zudem leichte Sanktionen verhängt.
Der Bürgerkrieg wird wohl weitergehen
Das sich abzeichnende militärische Patt könnte zwar durch zunehmende Aufstände in den Städten gebrochen werden. Aber selbst bei einem Sieg der vereinten Opposition ist Myanmars Zukunft unklar. Seit seiner Existenz hatte das Land nie Frieden. Minderheiten kämpften gegen den Zentralstaat, ein langer kommunistischer Guerilla-Krieg und fast schon regelmäßige Militärputsche prägten die ehemalige britische Kolonie.
Ob sich die ethnischen Milizen mit der Gegenregierung auf eine langfristige föderale Perspektive einigen können und welche Ausrichtung eine mögliche neue Ordnung überhaupt hätte, ist nicht sicher. Im Widerstand gegen die Junta sind zwar auch kommunistische und fortschrittliche Gruppen aktiv, die nach eigener Aussage für ein wirklich unabhängiges und vereintes, föderales Myanmar kämpfen. Ob diese aber auch Gestaltungsspielräume bekommen und ob ihr Anspruch überhaupt authentisch ist, muss sich noch heraus stellen.
Momentan zeichnet es sich nicht ab, dass Verhandlungen den Bürgerkrieg stoppen werden. Und durch ihr brutales Vorgehen kann und will die Junta ihre aktuelle Position nicht verlassen. Die nächste Phase des Bürgerkriegs in Myanmar wird vermutlich ebenso blutig sein wie die letzte.