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Nakba: Massive Polizeigewalt gegen Palästina-Proteste

Am 15. Mai versammelten sich deutschlandweit Tausende, um zum 77. Jahrestag der Nakba – der Vertreibung bzw. ethnischen Säuberung hunderttausender Palästinenser:innen – gegen Besatzung, Vertreibung und Genozid zu demonstrieren. In Berlin griff die Polizei eine Versammlung mit brutalsten Mitteln an.

Vor 77 Jahren begann sie, die Nakba, oder zu deutsch die „Katastrophe”. Damals wurden zum Zwecke der Staatsgründung Israels und der Besiedlung Palästinas hunderttausende Palästinenser:innen gewaltsam aus ihrer Heimat vertrieben. Riesige Landesgebiete in der Levante wurden von den Einheimischen „gesäubert”, um Platz für die zionistische Idee zu schaffen.
Dieser Prozess dauert bis heute an. Der 15. Mai ist zum Tag des Gedenkens, aber auch zum Tag des Protests gegen Vertreibung, Apartheid und Genozid geworden.

Gerade hier in Deutschland, einem Land mit einer großen palästinensischen Diaspora, hat der Tag – insbesondere seit dem Ausbruch des Gaza-Kriegs und des systematischen Völkermords am palästinensischen Volk durch den israelischen Staat – eine besonders große Bedeutung.

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Demonstrationsverbot in Berlin

Berlin ist nicht nur als deutsche Hauptstadt, sondern auch als Stadt, in der viele Palästinenser:innen leben, ein Brennpunkt für den antikolonialen Protest. So sollte auch in diesem Jahr wieder eine Demonstration vom Südstern bis in die Sonnenallee durchgeführt werden.

Die Berliner Polizei plädierte allerdings schon im Vorfeld für eine deutliche Einschränkung der Versammlungsfreiheit. Allerdings kippte das Berliner Verwaltungsgericht in einem Eilverfahren die Anordnung der Polizei, die Demonstration nur als „örtliche Kundgebung” zu genehmigen. Daraufhin wandte sich die Polizei an das Oberverwaltungsgericht, um Widerspruch einzulegen. Dieses Gericht entschied letztlich, der Argumentation der Polizei zu folgen, dass in der Vergangenheit nur örtliche Kundgebungen größtenteils störungsfrei verlaufen seien, und verbot den Demonstrationszug nach Neukölln. Nur eine Kundgebung am Südstern wurde zugelassen.

Trotzdem ließen sich die Demonstrant:innen nicht einschüchtern: Laut Veranstalter:innen versammelten sich rund 2.000 Menschen auf dem Südstern, um gegen Vertreibung, Unterdrückung und Völkermord zu protestieren. Ihnen gegenüber standen rund 600 Polizist:innen inklusive zwei Wasserwerfern.

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Massiver Einsatz von Gewalt durch die Polizei

Unter dem Vorwand, dass die Versammlung dadurch „störungsfrei“ verlaufe, wurde ihr verboten, sich in Bewegung zu setzen. Dabei behinderte die Polizei selbst immer wieder einen störungsfreien und friedlichen Protest der palästina-solidarischen Bewegung. Auch gestern zeigte die Staatsgewalt, zu welcher Gewalt und Brutalität sie fähig ist.

Auf zahlreichen Videos wurde das rigorose Vorgehen der Polizei am Donnerstag festgehalten: Vom Pfefferspray-Einsatz und der Drohkulisse der Wasserwerfer über das grobe Wegschubsen von Sanitäter:innen und das Verhindern von Erstversorgung bis hin zum wiederholten Einschlagen auf am Boden fixierte Demonstrant:innen – die Polizei war sich nicht zu fein, alle ihr möglichen Mittel an Gewalt einzusetzen, um die Demonstration anzugreifen. Mindestens ein Demonstrant musste mit einer Gehirnerschütterung ins Krankenhaus gebracht werden, einer anderen Protestierenden wurde die Nase gebrochen.

Letztlich führte die Berliner Polizei am Südstern – teils auf drastischste Weise – rund 50 Demonstrierende ab und nahm sie zur Festnahme in die Gefangenensammelstelle. Mehrfach berichteten die Protestierenden, wie die Polizei ihnen teilweise die absurdesten Vorwürfe angehängt habe. In vielen Fällen wurden Personen ohne triftigen Grund in polizeiliche Maßnahmen gesteckt.

„Auf der Gefangenensammelstelle wurden sich zum Teil irgendwelche Tatvorwürfe ausgedacht“, berichtete ein Demonstrant, der erst spät in der Nacht vorerst entlassen wurde: Landfriedensbruch, Widerstand gegen die Staatsgewalt, körperlicher Angriff – ja sogar ein gezeigtes „Transparent gegen die Bundespolizei“ sollen als Vorwürfe im Raum gestanden haben, bis der Polizei auffiel, dass letzteres gar keine Straftat ist. Die Taktik dahinter ist klar: das Schüren von Unsicherheit und Angst.

Einige Protestierende wurden dann über Nacht festgehalten und sollten noch einem Haftrichter vorgeführt werden. Am Freitagmorgen versammelten sich deshalb zahlreiche Menschen vor der Polizeistation, um lautstark die Freilassung ihrer Genoss:innen zu fordern.

Deutsche Medien verdrehen Täter und Opfer

Von der massiven Polizeigewalt und den willkürlichen Festnahmen war nach der Demonstration in den deutschen Medien wenig zu lesen. Stattdessen war ein schwerverletzter Polizist in allen Schlagzeilen: Ein Polizeibeamter sei im Gerangel von Demonstrant:innen in die Menge gezerrt und niedergetrampelt worden und soll das Bewusstsein verloren haben. Dies nahmen sich Medien, Politiker:innen wie auch die Polizeigewerkschaft zum Anlass, die Demonstration als gewaltvollen Mob darzustellen und mit harten Konsequenzen zu drohen.

Von den dutzenden, krankenhausreif geprügelten Protestierenden war hingegen nur in der deutlichen Minderheit der deutschen Presse zu lesen. Auch, dass es sich bei dem Beamten laut Augenzeugen und Videomaterial mutmaßlich um den gleichen Polizisten gehandelt haben soll, der zuvor brutal auf friedliche Demonstrierende einschlug, wurde meist außen vor gelassen.

Dass Protestierende auf Berliner Demonstrationen ohnmächtig geprügelt oder ins Krankenhaus eingeliefert werden müssen, ist traurige Normalität. Dies zeigten nicht zuletzt die dokumentierten Vorkommnisse bei den Protesten zum Frauenkampftag oder bei der LLL-Demonstration im Januar. Verletzt sich allerdings ein Polizist beim Angriff auf eine Demonstration, wird es zum Skandal stilisiert.

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