Mehrere Aktivist:innen wurden von der Universität Köln nach einer Sitzblockade im Juli letzten Jahres angeklagt. Der Grund: ihre Palästinasolidarität. Doch diese Repressionen sollen nicht unbeantwortet bleiben. Perspektive hat mit der angeklagten Aktivistin Aylin über die Repression und ihre offensive Antwort darauf gesprochen.
Kannst du uns erzählen, was dir die Universität vorwirft und warum?
Angeklagt bin ich wegen gemeinschaftlicher Nötigung und Hausfriedensbruch, weil der Eingang der Uni Köln in einer Solidaritätsaktion mit Palästina blockiert wurde. Die Sitzblockade sollte vor allem auf den Genozid in Gaza aufmerksam machen und auch die Zusammenarbeit von Deutschland und Israel entlarven.
Nun wird uns allen mit einer hohen Geldstrafe gedroht. Bei mir beläuft sich das Ganze auf 800 Euro. Hinzu kommen aber natürlich noch viele Gerichtskosten. An diesem Tag haben wir erneut gesehen, dass für den Staat Gewalt gegen uns und palästinasolidarischen Protest legitim ist. Wir wurden unter unverhältnismäßigen Polizeiaufkommen mit Schmerzgriffen abgeführt und geräumt.
Während uns die Uni und Justiz vorwerfen, mit unserer Aktion „gemeinschaftliche Nötigung“ betrieben zu haben, möchte ich die Frage andersherum stellen: Die Frage, die wir uns vielmehr stellen müssen, ist doch – wer hier eigentlich wen nötigt? Ist es nicht die Universität, die uns zwingt, die deutsche Staatsräson zu akzeptieren? Die Universität nötigt doch eher uns Studierende, ihre Kooperation mit israelischen Waffenschmieden zu akzeptieren? Und nötigt uns nicht vielmehr der deutsche Staat und dieses System immer wieder dazu, legitimen Widerstand gegen Unterdrückung, Krieg und Rassismus als „illegitim“ zu betrachten?
Nicht wir sind diejenigen, die mit unserer Protestform andere genötigt haben. Wir haben legitimen Protest an die Unis getragen. Protest, der sich gegen einen Genozid mit deutscher Beteiligung richtet. Es ist vollkommen klar, dass der deutsche Staat und seine Behörden da keinen Bock drauf haben und alles versuchen, diese Mittäterschaft zu vertuschen.
Kannst du uns noch mehr erzählen, was ihr mit eurer Aktion bewirken wolltet?
Nachdem über Wochen hinweg nicht auf die Forderungen des zweimonatigen Palästinacamps eingegangen wurde, haben Studierende der Universität zu Köln und andere palästinasolidarischen Aktivist:innen den Haupteingang der Uni Köln blockiert. Wir sahen uns gezwungen mit allen Mitteln – die uns bereitstanden – die Uni zu besetzen, weil unsere 14 Forderungen an die Uni Köln bewusst ignoriert wurden.
Eine Forderung war unter anderem, die am 25. März 2015 in die neue Grundordnung der Uni aufgenommene Zivilklausel ernst zu nehmen, sämtliche Forschungsbereiche auf militärische oder Dual-Use Technologien und Forschungen zu überprüfen – insbesondere auf ihre tatsächliche Anwendung durch die Israelischen Streitkräfte (IDF) – und diese unverzüglich einzustellen. Eine weitere Forderung war, alle weiteren akademischen Kooperationen mit israelischen Universitäten einzustellen, um somit politischen Druck auszuüben!
Fast ein Jahr später müssen wir noch immer Videos auf unseren Handys von zerstörten Häusern, ausradierten Landstrichen und Massakern an der palästinensischen Bevölkerung anschauen. Weder hat Deutschland seine Unterstützung für diesen Genozid eingestellt, noch ist die israelische Regierung in ihrem aggressiven Vorgehen zurückgerudert. Es ist nicht lange her als die Waffenruhe zwischen den israelischen Streitkräften und der Hamas einseitig von Israel aufgekündigt wurde.
Mittlerweile hat die rechte Regierung unter Ministerpräsident Benjamin Netanyahu eine erneute Intensivierung und Bodenoffensive in Gaza angekündigt und ab dem 6. Mai werden wir mit Friedrich Merz einen Bundeskanzler an der Spitze der neuen deutschen Bundesregierung sitzen haben, der trotz internationalen Haftbefehls den israelischen Kriegsverbrecher Netanyahu nach Deutschland einladen möchte.
Deutschland unterstützt den Krieg in Palästina sowohl finanziell als auch militärisch mit seinen Kriegswaffen. Unsere Aktion reiht sich dabei in eine Welle an studentischen Protesten ein, welche die Verstrickung von Universitäten mit Israel in den Vordergrund stellen.
In einem Post auf Instagram spricht ihr davon, dass ein „politisch geführter Prozess“ droht. Was meint ihr damit?
Zu Anfang möchte ich nochmal klarstellen, dass die Repression gegen mich und Solidaritätsaktionen mit Palästina kein Einzelfall sind, sondern zur deutschen Staatsräson genau so dazu gehören, wie die rassistischen Abschiebephantasien der verschiedenen Parteien.
Wir haben hier Aitak aus Frankfurt, die nach einer Pressekonferenz zu dem Verbot einer Palästinademonstration in Frankfurt am 7. Oktober von der Polizei in Gewahrsam genommen wurde. Ihr wird vorgeworfen, Straftaten verharmlost und volksverhetzende Aussagen getätigt zu haben. „In Deutschland darf man nicht gegen die herrschende hegemoniale Meinung verstoßen. Wenn du dagegen etwas sagst, gibt es nur dann eine Toleranz, wenn diese Meinung völlig abstrakt ist und so weit weg von realen Kämpfen, dass es sowieso egal ist.“, so Aitak.
Oder Ramez, der in Münster vor Gericht muss, weil er die in Deutschland juristisch umkämpfte Parole „From the river to the sea, Palestine will be free“ gerufen haben soll. Diese Repressionen werden ausgeübt, um fortschrittliche Teile unserer Klasse zu isolieren und uns einzuschüchtern. Die sogenannte „Meinungsfreiheit“, die ja immer wieder von deutschen Politiker:innen erwähnt wird, ist nichts weiter als ein trügerischer Schein. Sobald man die Mittäterschaft des deutschen Staates erwähnt, wird man hinter Gittern gesperrt und sie versuchen, unseren Kampf im Keim zu ersticken. Das ist bei meinem Fall nicht anders.
Aus diesem Grund werde ich den Prozess auch politisch führen, weil er sich nicht gegen mich als Person, nicht gegen die vermeintliche „Straftat“ richtet. Ich soll vor Gericht aufgrund meiner politischen Überzeugung, weil ich mich nicht mit dem herrschenden System zufriedengebe.
Ich möchte mit meinem Prozess und den Repressionen gegen mich eine breite Öffentlichkeit schaffen. Ich möchte aufzeigen, dass Palästinasolidarität legitim ist, dass Widerstand gegen Besatzung, Kolonialismus und Krieg gerechtfertigt ist und aufzeigen, dass diese Repressionen uns alle was angeht. Denn heute verklagen sie vielleicht noch mich, kriminalisieren Palästinasolidarität und morgen nutzen sie dieselben Argumente, um anderen Protest gegen Krieg, Faschismus, steigende Lebenshaltungskosten, Aufrüstung und Überwachung zu delegitimieren.
Wie habt ihr vor, auf die Repressionen zu antworten?
Wie bereits gesagt, wollen wir die Repressionen öffentlich machen. Auch damit die Repressionen nicht ihren Zweck erfüllen mich und andere Aktivist:innen zu isolieren und mit den Strafen zu vereinzeln. Deswegen haben wir zum Beispiel auch ein GoFundMe eingerichtet, um kollektiv die anstehenden Kosten stemmen zu können.
Außerdem werden wir am 09.05. und 24.05. um 20 Uhr im Internationalen Zentrum in Köln in der Homarstraße 64 Solidaritäts-Parties veranstalten, um weitere Spenden einzutreiben. Dabei wollen wir auch über Palästinasolidarität im Fadenkreuz der deutschen Staatsbehörden diskutieren und einen Rückblick auf meinen ersten Prozesstag werfen. Dieser findet nämlich am 12.05. um 11:30 Uhr vor dem Amtsgericht in Köln statt. Dort werden wir eine Kundgebung vor den Gerichtsgebäuden ab 10:30 Uhr organisieren.
Wir kennen die Taktiken des deutschen Staates und lassen uns nicht unterkriegen. Sie versuchen uns zu zersplittern, aber wir müssen zusammenhalten. Der Kampf gegen Kapitalismus, Krieg und Faschismus, Aufrüstung und Militarisierung sowie Patriarchat muss weitergehen. Denn nur so können wir den Kampf für ein besseres Morgen gewinnen! Unser Protest ist legitim und wir werden nicht damit aufhören, bis wir eine friedliche Welt ohne Kriege geschaffen haben.
Unsere geliebte deutsche Staatsräson: Wenn Palästina-Solidarität zur Abschiebung führt