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Palästina-Solidarität: Terrorermittlungen gegen Rapper des irischen Trios Kneecap

Die nordirische Hip-Hop Band Kneecap befindet sich erneut im Kreuzfeuer staatlicher Repression. Weil er eine Hisbollah-Fahne geschwungen haben soll, ermittelt nun die britische Anti-Terror-Polizei gegen den Rapper Mo Chara. Mit abgesagten Veranstaltungen wegen ihrer Palästina-Solidarität sind sie zurzeit nicht alleine.

Das irische Rap-Trio Kneecap sieht sich mal wieder im Zentrum staatlicher Repression. Die Anti-Terror-Einheit der Metropolitan Police hat ein offizielles Ermittlungsverfahren gegen das 27-jährige Bandmitglied Mo Chara (Liam Óg Ó hAnnaidh) eingeleitet.

Laut der Anklage soll der aus Belfast stammende Rapper bei einem Auftritt im vergangenen Jahr in London eine Hisbollah Flagge auf der Bühne geschwenkt haben. Dazu soll er „up hamas, up hezbollah“ skandiert haben. Des weiteren soll er den Tod von Mitgliedern des britischen Parlaments gefordert haben.

Die Hisbollah ist eine islamisch-schiitische Partei aus dem Libanon. Seit 2020 ist sie in Großbritannien, Deutschland und vielen anderen westlichen Staaten als Terrororganisation eingestuft und dementsprechend verboten. Die Hisbollah entstand aus verschiedenen schiitischen paramilitärischen Gruppen, die sich 1982 aufgrund der drohenden Invasion Israels zusammenschlossen, um den Libanon zu verteidigen.

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Für den 18. Juni ist nun die Gerichtsverhandlung von Mo Chara angesetzt. Die Gruppe hat inzwischen Stellung zur Anklage bezogen. In einem Beitrag auf Instagram kündigten sie an, sich juristisch gegen die Vorwürfe zur Wehr zu setzen.

„Während sie vom Genozid profitieren, nutzen sie für das Zeigen einer Flagge, die auf die Bühne geworfen wurde, ein Anti-Terror-Gesetz gegen uns“, schreiben sie in ihrem Statement. Dabei kritisierten sie die britischen Behörden dafür, unverhältnismäßig viel Aufmerksamkeit auf den Vorfall zu richten, während das Leid der Menschen in Gaza komplett ignoriert wird.

Dieses Vorgehen bezeichnen sie als „Karneval der Ablenkung“. Mit dieser „Hexenjagd“ solle auch ihr geplanter Auftritt beim Glastonbury Festival in England verhindert werden: „Es gibt einen Grund, warum das, was mir passiert ist, vor Glastonbury passiert ist. Es gibt einen Grund, warum sie verdammt noch mal versuchen, mich daran zu hindern, in Glastonbury vor dem Vereinigten Königreich zu sprechen.“

Aufgrund der Ermittlungen wurden diverse Konzerte abgesagt, so auch drei Stationen in Deutschland mit Köln, Hamburg und Berlin.

Kneecaps mediale Allgegenwärtigkeit

Es ist nicht das erste Mal, dass Kneecap sich mit Repression seitens des „Empires“ konfrontiert sieht. Erst im letzten Jahr errang die nordirische Gruppe einen Sieg gegen die britische Regierung. Dabei ging es um einen Zuschuss von rund 14.000 Pfund, der ihnen zuvor offiziell von der zuständigen Behörde bewilligt wurde. Die damals zuständige Wirtschaftsministerin Kemi Badenoch verweigerte jedoch die Auszahlung mit der Begründung, Kneecap vertrete in ihren Songs „antibritische Einstellungen“. Daher hätten sie keinen Anspruch auf öffentliche Gelder.

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Die Band klagte daraufhin wegen Diskriminierung und Einschränkung der Kunstfreiheit – mit Erfolg. Heute ist Badenoch Vorsitzende der Conservative Party.

2024 veröffentlichten Kneecap ihr Debütalbum „Fine Art“, im August folgte der autobiographisch-fiktionale Film „Kneecap“ unter Regie von Rich Peppiatt. Sowohl das Album als auch der Film wurde von Fans aber auch dem bürgerlichen Feuilleton begeistert aufgenommen.

Das Hauptthema ihres Albums und Kinofilms ist das Nordirisch-Sein in den frühen 2000er Jahren. Als Teil der „ceasefire-generation“ beschäftigen sie sich mit der Bedeutung der irischen Sprache sowie postkolonialen und antiimperialistischen Kämpfen.

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Alles andere als ein Einzelfall

Kneecap sind nicht die einzigen, die sich mit andauerndem staatlichen Gegenwind abfinden müssen. Viele Künstlerkolleg:innen erfahren ähnliche Dinge, wenn sie sich zum Genozid in Gaza äußern.

So wurde ein Auftritt der US-amerikanischen R&B-Sängerin Kehlani im April an der Cornell-Universität abgesagt. Universitätspräsident Michael I. Kotlikoff erklärte, die Einladung der Künstlerin habe „Spaltung und Unfrieden“ ausgelöst, da sie in der Vergangenheit als antisemitisch und isrealkritisch empfundene Äußerungen getätigt hätte.

In Deutschland hatte der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, kürzlich den geplanten Auftritt von US-Rapper Macklemore beim Deichbrand-Festival als „unerträglich“ kritisiert. Besonders störten Klein die aus seiner Sicht eindeutig antisemitische Bildsprache und Liedtexte des Rappers, etwa im pro-palästinensischen Song „Hind’s Hall“. Darin zeigt sich Macklemore solidarisch mit den Protesten gegen Israels Vorgehen im Gaza-Krieg, aber auch mit der palästinensischen Bevölkerung.

2023 berichtete die Jüdische Künstlerin Candice Breitz, dass das Saarlandmuseum in Saarbrücken ihre für Frühjahr 2024 geplante Ausstellung kurzfristig abgesagt hätte, obwohl Breitz bereits drei Jahre daran gearbeitet hatte. Die Entscheidung fiel bevor überhaupt mit der Künstlerin gesprochen wurde. Sie vermutete, dass ihre Äußerungen zum andauernden Genozid in Gaza der Grund für die Absage wären. Breitz kritisierte, dass in Deutschland immer wieder falsche Antisemitismusvorwürfe zunehmend als politisches Druckmittel eingesetzt werden. Dies hätte eine abschreckende und unterdrückende Wirkung auf die Meinungsfreiheit.

Der britische Rapper Stormzy geriet dagegen in die Kritik, nachdem er in einer Werbekampagne für McDonalds auftrat – besonders wegen der umstrittenen Rolle des Unternehmens im Gaza-Krieg. Viele warfen ihm vor, seine pro-palästinensische Haltung für kommerziellen Erfolg aufgegeben zu haben. Zumal sein früherer „Free-Palestine“ Instagram-Post nicht mehr sichtbar ist. Stormzy wies diese Vorwürfe zurück und erklärte, er habe den Beitrag nur im Zuge von Aufräumarbeiten archiviert – seine Haltung zur Unterstützung Palästinas habe sich nicht geändert.

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